Heute ist Weltfrauentag. Wenn Frauen auf der ganzen Welt eines verbindet, dann ist es ihre Periode. Jahrhundertelang wurden Frauen ihrer blutigen Tage wegen ausgestossen, verbannt, diskriminiert. Zeit, mit einem Tabu zu brechen.
Katja Fischer De Santi
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Ohne Menstruation keine Geburt, ohne Geburt kein menschliches Leben. Der Bestand unserer Spezies, er hängt an einem blutroten Faden. Und was macht der Mensch, also vor allem jener Teil der Menschheit, der keine Periode hat? Männer verteufelten und verbannten blutende Frauen während Jahrhunderten, weil sie nicht verstanden, was da vor sich geht. «Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat, so soll sie sieben Tage für unrein gelten. Wer sie anrührt, der wird unrein bis zum Abend. Und alles, worauf sie sitzt oder liegt, wird unrein.» So steht es im dritten Buch Mose des Alten Testaments. Und auch der Schweizer Arzt und Philosoph Paracelsus meinte zu wissen: «Menstruationsblut ist eine Unflat, dem kein Gift auf Erden gleichen mag – schädlicher als alles andere.»
Alles lange vorbei. Nicht ganz. Im hinduistischen Indien dürfen Frauen während ihrer Periode keinen Tempel betreten. Laut einer UN-Studie glauben Tausende Mädchen in Iran und in Indien, Monatsblutungen seien Krankheitssymptome. In manchen Gegenden Nepals werden menstruierende Frauen in kleine Gruben und Hütten gesperrt. Erst letzten Winter ist ein Mädchen in einem solchen Schuppen ums Leben gekommen. Seither formiert sich Widerstand gegen diesen Ritus.
Auch in Europa und Amerika haben Frauen es satt, sich für etwas völlig Normales zu schämen. Unter dem Hashtag #happytobleed protestierten sie gegen die Tabuisierung der Menstruation. Die Anführerinnen sind junge Frauen aus Nordamerika: Lena Dunham, die Erfinderin der Kultserie «Girls», die Komikerin Amy Schumer, die Bloggerin Tavi Gevinson. Frauen, die keine Lust mehr haben, sich für ihre VaginaAABB22zu schämen. Mit Erfolg: Die Nachfrage nach Biotampons steigt, App Stores bieten etliche Tracking-Anwendungen, die den Zyklus festhalten. Ökologischere Alternativen zu Binden und Tampons drängen auf den Markt. Youtuberinnen sprechen in Videos über ihre Erfahrungen mit der Menstruationstasse.
Auch in der Schweiz regt sich etwas. Aktivistinnen färbten letzten Herbst in Zürich Brunnenwasser rot ein und forderten die Abschaffung der erhöhten Mehrwertsteuer für Tampons und Binden. Die Reaktionen darauf waren heftig. Diese Feministinnen sollten dieses Ekel-Thema dort lassen, wo es hingehört, in den Unterhosen, schallte es aus den Kommentarspalten. Sollen denn jetzt etwa alle Frauen auf der Strasse rumbluten? Wie die Londonerin Kiran Gandhi, die den New York Marathon ohne Binden, dafür mit Blutfleck in der Hose rannte und damit von Singapur bis New York für Schlagzeilen sorgte?
«Wir sollten unser Menstruationsblut ehren, wir bluten hochgerechnet nämlich ungefährAABB222300 Tage lang », schreiben Eva Wünsch und Luisa Stömer in ihrem Buch «Ebbe und Blut», dem ersten umfassenden deutschsprachigen Buch über Menstruation, das diesen Frühling erscheint.
«Wir haben festgestellt, dass in dieser offenen und aufgeklärten Gesellschaft, in der wir scheinbarAABB22leben, der weibliche Körper trotzdem noch ein Ding ist, mit dem wir uns nicht wirklich auskennen», sagen Stömer und Wünsch.
In der Werbung wird Frauen und Mädchen suggeriert, die Periode sei etwas, das steril vonstatten gehen müsse. Kein Blut, keine Krämpfe, keine Kopfschmerzen, keine fleckigen Bettlaken – stattdessen wird in weisser Unterwäsche getanzt. Menstruierende Frauen? Kein Problem. Nur anmerken sollte man es ihnen bitte nicht. Vor Männern über die eigene Mens zu sprechen ist für viele Frauen ein Unding. Laut einer neuen Studie, dem SCA Hygiene Report, hat nur jede fünfte Frau mit dem Partner je über ihre Menstruation gesprochen. Die Periode, sie macht die Frauen verletzlich, angreifbar. Wenn Frauen kompliziert werden, zickig sind, sich nicht so verhalten, wie manche das erwarten oder wünschen, dann heisst es schnell: Die hat ihre Tage.
Die Menstruation wurde und wird dafür missbraucht, die angebliche weibliche Schwäche zu zementieren. Der monatliche «Totalausfall» der Frau als Beweis für ihre Untauglichkeit. Donald Trump warf genau dies einer Journalistin vor, als diese es wagte, ihm während seines Wahlkampfes einige heikle Fragen zu stellen.
Würden Männer einmal im Monat bluten, wäre das ganz selbstverständlich ein Zeichen ihrer unglaublichen Stärke, mutmasste die Feministin Gloria Steinem schon Ende der Siebzigerjahre in der US-Zeitschrift «Ms.». In dem Artikel zeichnete sie das Bild einer Gesellschaft, in der ganze Horden von Wissenschaftern sich der Erforschung von Unterleibskrämpfen widmen. Und wo die erste Periode im Leben eines Jungen mit einer grossen Party gefeiert wird. Geschenke und Familienessen inklusive.
Manchmal genügt es, die Sichtweise zu ändern, manchmal braucht es blutige Unterhosen, rote Brunnen und einen Hashtag, damit künftige Mädchengenerationen, statt beschämt nach einem Tampon zu fragen, stolz verkünden, dass sie jetzt auch ihre Tage haben.