Kurz entschlossen an den Fasnachtsball? Christine Krug, Leiterin der Kostümabteilung am Theater St. Gallen, gibt Verkleidungstips für Spontane. Dabei gilt: Je besser man schauspielert, desto weniger Utensilien sind nötig.
Früher haben sich die Menschen zur Fasnacht verkleidet, um mit furchteinflössenden Masken bösen Geistern und dem Winter den Garaus zu machen. Der Winter ist dieses Jahr gar nie richtig dagewesen und an Geister glaubt auch kaum jemand mehr. Am Schmutzigen Donnerstag sowie den darauffolgenden Tagen geht es längst um anderes: Um Spass am Verkleiden, am Feiern, am Flirten. Einige sitzen mit Kollegen bereits Monate zuvor zusammen, wählen ein Thema aus, leimen, nähen, malen. Andere verweigern sich dem Treiben konsequent – und eine dritte Gruppe entschliesst sich kurzfristig, doch noch an einem Maskenball übers Parkett zu wirbeln. Christine Krug, Leiterin der Kostümabteilung am Theater St. Gallen, weiss, wie Last-Minute-Kostüme gelingen.
Ein Anzug findet sich in fast jedem Schrank. Und wenn nicht im eigenen, dann sicher in jenem des Partners oder des Vaters. Hose, Jackett, Hemd und Krawatte hervorholen und hineinschlüpfen. Nicht wie üblich, sondern so, dass sich die Knopfleiste auf dem Rücken befindet und der Schlips der Wirbelsäule entlang nach unten baumelt. Noch eine Maske auf den Hinterkopf setzen – und die Verwirrung ist perfekt. «Mit Vorteil ist die Jacke gross geschnitten, sonst fühlt man sich in seinen Bewegungen eingeschränkt. Mit dieser Verkleidung entstehen verblüffende Effekte», sagt Krug. Oder haben Sie schon jemanden einen ganzen Abend lang rückwärts gehen sehen? Das Theater St. Gallen griff für ein Ballettstück von Marco Santi einst auf diesen Kniff zurück.
Hängt das kleine Schwarze seit Monaten unbenützt im Kasten? Höchste Zeit, es hervorzukramen. Verdeckt frau ihr Gesicht zudem mit einem schwarzen transparenten Tuch, ist der Witwenlook bereits komplett. Der Begleiter passt sich an und erscheint als Leiche – im Anzug und in einem alten Hemd, um das es nicht schade ist, wenn Kunstblut drauf tropft. «Das Gesicht bleich schminken, am Hals eine Wunde malen und Blut aus dem Mund fliessen lassen», nennt Krug einige «special effects». Ein delikates Motto zwar, aber in der närrischen Zeit verstehen ja fast alle Spass.
Die Schönheitswettbewerbsbranche treibt seltsame Blüten. Wer sich beim Chirurgen unters Messer gelegt hat, kann sich in Ungarn zur Miss Plastik wählen lassen. Belgien kürt eine Miss Obdachlos. Weshalb also nicht die Veranstalter auf die Schippe nehmen und als Miss Fasnacht antreten? Das üppigste oder kitschigste Kleid überziehen oder eines von der Kollegin borgen. «Je stärker es die krummen Beine betont, umso besser», sagt Krug. Ein langes Stück Satin auftreiben, die beiden Enden verknoten, die Schärpe beschriften. Wichtig: Eine Brille tragen, die Glubschaugen macht, und ein Gebiss mit schrägen Zähnen einsetzen.
Dieser Fasnachtsbutz benötigt mehr schauspielerisches Talent denn aufwendige Verkleidung: ein schwarzer Rollkragenpulli, eine schwarze Hose, weisse Handschuhe, das Gesicht weiss anmalen, die Haare mit Gel nach hinten kämmen. Bevor man loszieht, empfiehlt es sich, vor dem Spiegel stumm Mimik und Gestik zu trainieren. Gelingt das noch nicht so ganz, fällt es am Ort des Geschehens, angestachelt von der Masse, bestimmt leichter. Und sonst tragen zwei, drei Biere zur Lockerheit bei.
Ein Bierkrug, eine Schwarzwald-Kuckucksuhr, ein Dirndl – Mitbringsel aus den Ferien in Deutschland. Der Krug ist rege in Gebrauch, der Kuckuck ruft stündlich ab der Wand. Nur dem Dirndl bleibt der Einsatz verwehrt. Nun naht die Gunst der Stunde: Er schlüpft in das farbenfrohe Gewand seiner Partnerin, stopft den Ausschnitt mit Orangen und Nastüchern aus. Auf dem Estrich ist die Zopfperücke aus den Vorjahren verstaut. «In der Schweiz ist dieses Kostüm möglich, in Bayern dürfte ich mir das nicht erlauben. Das Dirndl ist dort Kulturgut. Zum Vergleich: Es wäre, als würde ich hier als Appenzeller verkleidet aufkreuzen», sagt Krug. Sie rät Männern, den Bart stehen zu lassen und eine dicke Schicht Lippenstift aufzutragen. «Das verstärkt den Kontrast.»
Schwarze Kleidung ist auch für den Urmenschen die Basis. Hinzu kommt zerzaustes Haar sowie Pelz, den man sich um Hals und Schultern legt. Und was wäre ein Urmensch ohne Keule? «Ein dicker Ast aus dem Wald reicht aus», sagt Krug. Die schauspielerische Leistung vervielfacht die Wirkung dieses Kostüms. Verstört in der Gegend herumschauen – ein Urmensch ist moderne Gegenstände wie ein Handy schliesslich nicht gewohnt – und unvollständige Sätze stammeln. Ein Vorschlag: «Feuer machen, Feuer machen.»
Wer kultivierte Gespräche sucht, bereitet mit dieser Maskerade das Terrain dafür vor: Frida Kahlo – ein Leichtes für Frauen mit dunklem, langem Haar. Die Mähne zu Zöpfen binden, sie auf dem Kopf befestigen; so bändigte die mexikanische Malerin oft ihr Haar. Das Outfit: eine nostalgische Bluse, ein Rock mit Folkloreeinschlag und ein Tuch mit Fransen, das sich um Hüfte oder Schultern binden lässt. Zusammengewachsene Augenbrauen zählten zu Kahlos Markenzeichen. Sie lassen sich mit Schminke aufpinseln. «Ebenso der Damenbart – für Mutige», meint Krug. Kahlos Lebenslust soll unbändig gewesen sein. Eine Verkleidung für jene also, die als letzte nach Hause gehen wollen.