Kaltes Feuer am Himmel

Vor zehn Jahren waren spektakuläre Polarlichter über dem Bodensee zu sehen. Es ist möglich, dass solche Erscheinungen in den nächsten Monaten wieder sichtbar werden könnten.

Andreas Walker
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Am Abend des 30. Oktober 2003 erschienen spektakuläre Polarlichter über dem Bodensee. (Bild: Andreas Walker)

Am Abend des 30. Oktober 2003 erschienen spektakuläre Polarlichter über dem Bodensee. (Bild: Andreas Walker)

Wohl kaum eine Himmelserscheinung hat eine so unglaubliche Faszination auf die Menschen ausgeübt wie die Polarlichter. Unzählige Sagen und Legenden ranken sich um dieses mystische Himmelslicht. Die Polarlichter wurden schon sehr früh von Seefahrern in hohen geographischen Breiten beschrieben. Den Bewohnern der nordischen Länder waren sie schon immer bekannt, allerdings lösten sie bei den Leuten die unterschiedlichsten Gefühle aus, da es keine natürliche Erklärung für ihr Erscheinen gab.

Ort der Ungeborenen und Toten

Die Eskimos glaubten, das Polarlicht habe den Ursprung im Spiel der ungeborenen Kinder, oder es komme von den Fackeln der Toten, die den Lebenden bei der winterlichen Jagd helfen wollten. Einige Indianerstämme befürchteten, dass die Seelen der erschlagenen Feinde in diesen Lichterscheinungen wieder sichtbar würden, um sich zu rächen. Andere wiederum meinten, das Licht stamme vom Tanz der Tiergeister, insbesondere der Seehunde und der Belugas, der Weisswale.

Besonders faszinierend werden die Nordlichter in Sagen und Legenden aus Lappland dargestellt. Die Menschen der hohen Breiten sind sehr stark dem Zyklus der Natur unterworfen. Licht und Dunkelheit sind dort viel extremer ausgeprägt als bei uns, und die Natur folgt nicht in erster Linie dem Zyklus von Tag und Nacht, sondern einem jahreszeitlichen Rhythmus von der Zeit der Mitternachtssonne bis zur Polarnacht. Vor der Entdeckung der Elektrizität litten die Eskimos während der Polarnacht häufig unter tiefen Depressionen. Diese dunkle Winterzeit, Monate ohne Sonne, war für sie «die Zeit in der man die Last des Lebens spürt».

Nordlichter in niederen Breiten

Polarlichter sind eng mit der Sonnenaktivität verknüpft. In einem Zyklus von elf Jahren häufen sich die maximalen Werte der Sonnenflecken und damit die Polarlichter. Dabei treten magnetische Stürme auf, die den irdischen Funkverkehr spürbar beeinträchtigen.

Normalerweise ist das Auftreten der Polarlichter auf hohe geographische Breiten beschränkt. Wenn die Sonnenaktivität ihr Maximum erreicht hat, können Polarlichter jedoch auch in niedereren Breiten erscheinen. Die letzten intensiven Polarlichter in der Schweiz konnten am 30. Oktober und 20. November 2003 gesehen werden.

Ein «blutiges Meer»

Ebenso spektakulär war das Ereignis vom 25. Januar 1938, welches in ganz Europa bis nach Algerien zu beobachten war. Allerdings variierte die Zeitdauer an verschiedenen Orten ganz beträchtlich. Das intensive rote Nordlicht leuchtete so stark, dass viele Feuerwehrleute in die umliegenden Gemeinden ausrückten, um einen vermeintlichen Grossbrand zu löschen.

In Südnorwegen war das Polarlicht so stark, dass die Gegend während mehrerer Stunden taghell erleuchtet wurde, und im nordfranzösischen Le Havre bot der leuchtende Nachthimmel über dem Meer ein besonders schönes Schauspiel. Das Geschehen verursachte überall Störungen im Telegrafenverkehr. Es gab Leute, die in diesem roten Himmel ein «blutiges Meer» oder einen «Feuerarm» sahen und diese Lichter als Zeichen für den kommenden Zweiten Weltkrieg deuteten.

Hohe Sonnenaktivität

Zurzeit befinden wir uns wieder in einer maximalen Phase der Sonnenaktivität. Es ist deshalb möglich, dass in einer klaren Nacht auch bei uns wieder Nordlichter beobachtet werden könnten, wie dies bereits am 30. Oktober 2003 der Fall war.

Buch: Andreas Walker und Thomas Bucheli: Wetterzeichen am Himmel: Meteorologische Erscheinungen verstehen und richtig deuten, AT-Verlag 2011, 224 S., Fr 38.– Internetlinks: www.spaceweather.com/ www.meteoros.de/polar/polwarn.htm

Sonnenaktivität, festgehalten auf diesem Nasa-Bild mit einem Sonnenteleskop. (Bild: ap/Nasa)

Sonnenaktivität, festgehalten auf diesem Nasa-Bild mit einem Sonnenteleskop. (Bild: ap/Nasa)