Kaiserschnitt-Risiko ist vererbbar

Bruno Knellwolf
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Medizin In den meisten Ländern hat sich die Anzahl der Kaiserschnitte in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Immer mehr Babys werden per Kaiserschnitt geboren, in Brasilien sind es sogar mehr als die Hälfte.

In der Regel wird ein Kaiserschnitt ausgeführt, wenn der Kopf des Babys nicht durch den Geburtskanal passt, also ein Becken-Kopf-Missverhältnis vorliegt. Allerdings ist die Zahl solcher Missverhältnisse kleiner als jene der Kaiserschnitte, weshalb die Experten von einem sozialen Phänomen sprechen.

Für die Evolutionsbiologen handelt es sich um ein Paradox. «Aus evolutionärer Sicht ist ein schmales Becken von Vorteil: Einerseits für unsere Fortbewegung, aber auch, weil es bei sehr breiten Becken bei der Geburt zum Gebärmuttervorfall und anderen Beckenbodenproblemen kommen kann», sagt der Evolutionsbiologe Philipp Mitteröcker von der Universität Wien. Andererseits erhöhen sich die Überlebenschancen eines Babys, wenn es gross ist. Hier kommen sich also der Selektionsdruck hin zu schmaleren Becken und jener hin zu grösseren Babys in die Quere. Je schmäler das Becken und je grösser das Kind, umso besser, aber nur so lange das Kind noch durch den Geburtskanal passt und nicht «stecken» bleibt.

Um das Risiko zu vermeiden, wird der Kaiserschnitt gewählt und das hat gemäss den Wiener Forschern dazu geführt, dass es in den letzten 60 Jahren bereits zu einer evolutionären Veränderung des Frauenkörpers gekommen ist. Diese hat die Häufigkeit von Geburtsproblemen durch ein Schädel-Becken-Missverhältnis um 10 bis 20 Prozent erhöht.

Die Zunahme der Kaiserschnitte ist also bei weitem nicht nur ein Lifestyle-Phänomen, sondern hat auch direkt mit der steigenden Anzahl an «Becken-Kopf-Missverhältnissen» zu tun. Die aktuelle Studie zeigt auch, dass Frauen, die selbst wegen eines solchen Missverhältnisses durch Kaiserschnitt auf die Welt kamen, mehr als doppelt so häufig ein Missverhältnis bei der Geburt ihrer Kinder entwickeln, als Frauen, die natürlich geboren wurden.

Bruno Knellwolf