GEBURTSTAG EINER LEGENDE: «Picasso des Songs» - Bob Dylan wird 75

Rund 100 Millionen Tonträger soll Bob Dylan verkauft haben - und damit weniger als Taylor Swift oder Justin Bieber. Doch mit schnöden Zahlen lässt sich das Kulturphänomen Dylan ohnehin nicht erfassen.

Werner Herpell/dpa
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Bob Dylan bei seinem Auftritt am 1. Juni 1984 in Basel im St.Jakobsstadion. (Bild: Keystone)

Bob Dylan bei seinem Auftritt am 1. Juni 1984 in Basel im St.Jakobsstadion. (Bild: Keystone)

Heute, an seinem 75. Geburtstag hat Bob Dylan frei, die berühmte «Never Ending Tour» macht Pause. Doch was heisst schon frei bei einem so rastlosen Künstler, der immer noch in kurzen Abständen Platten mit neuem oder altem Material herausbringt und an 100 Tagen des Jahres in den Hotels von Konzertstädten lebt.

Der grösste Poet des Folk, Rock und Blues dürfte an diesem 24. Mai auch über vergangene Ruhmestaten nachdenken. Vor allem aber über Pläne für die Zukunft, über ein spätes Meisteralbum vielleicht. Oder über den Literatur-Nobelpreis als einzige Ehrung, die ihm trotz diverser Nominierungen (noch) verwehrt geblieben ist.

Bob Dylan ist am Dienstag, 23. Mai, 75 Jahre alt. Zu auserwählten Bildern des Musikers gibt es hier sieben unbekannte Geschichten über Dylan zu lesen. (Bild: Keystone)
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Dem "Playboy" sagte Dylan 1978, sein allererstes selbst geschriebenes Lied sei für Brigitte Bardot gewesen, eine der verführerischsten Schauspielerinnen der 50er und 60er Jahre. "Ich erinnere mich kaum noch daran. Es hatte nur einen Akkord. Ich trage es im Herzen." (sda) (Bild: Keystone)
Mit 20 sollte Dylan einen Vertrag mit dem Label Columbia unterschreiben, damals war er aber noch nicht volljährig. Weil er keine Lust hatte, seine kleinbürgerlichen Eltern aus Duluth/Minnesota zur Unterschrift herbeizuholen, erklärte sich Dylan kurzerhand zum Waisen. Damit lief der Deal. (sda) (Bild: Keystone)
Schlechter Einfluss: Es soll Dylan gewesen sein, der die Beatles 1964 mit Marihuana bekannt machte, wahlweise im New Yorker Delmonico Hotel oder am JFK Airport... (Bild: Keystone)
...Er selbst wollte sich Jahre später in einem Interview nicht mehr daran erinnern: "Gras gab es damals doch überall." (sda) (Bild: Keystone)
In der Popzeitschrift "Spin" räumte Dylan 1985 verschämt ein, dass er mal ein Andy-Warhol-Kunstwerk zugunsten eines Sofas verkauft habe. "Ich wollte Andy immer sagen, was für eine Dummheit ich gemacht habe, und ob er mir ein anderes Gemälde geben könne..." (sda) (Bild: Keystone)
Als solcher Dylan bezeichnete sich 1986 in einem Interview als Prince-Fan. Obwohl der schwarze Pop-Megastar der 80er und 90er Jahre wenig musikalische Verbindungen zum Folkrock hatte, zeigte sich der Altmeister begeistert: "Ein fantastischer Junge." (sda) (Bild: Keystone)
2004 überraschte Dylan seine Fans, als er den Song "Love Sick" für eine Damenunterwäsche-Werbung freigab. Im Video-Spot von Victoria's Secret ist er sogar selbst zu sehen, wechselweise mit dem Topmodel Adriana Lima. (sda) (Bild: Keystone)
Bei der Werbung zum 2015 erschienen Album "Shadows In The Night" konzentrierte sich Dylan zunächst auf US-Senioren. 50'000 der 35 Millionen Abonnenten einer Rentner-Verbandszeitschrift erhielten die CD als Gratisbeilage. (sda) (Bild: Keystone)
Nicht unbekannt ist, dass Bob Dylan 2012 die Friedensmedaille vom US-Amerikanischen Präsidenten Barack Obama überreicht bekommen erhielt. (Bild: Keystone)
Sein erstes Konzert in Israel gab Bob Dylan nach seiner 20-jährigen Musikkarriere erst im September 1987. (Bild: Keystone)
Noch ein Stück weiter zurück liegt dieses Bild von Dylan. Wann genau es in New York entstanden war, ist unklar. (Bild: Keystone)
Ein Bild aus jungen Jahren: Dylan 1965 in London. (Bild: Keystone)
Kaum zu erkennen: Dylan bei einem Konzert im Madison Square Garden in New York am 8. Dezember 1975. (Bild: Keystone)

Bob Dylan ist am Dienstag, 23. Mai, 75 Jahre alt. Zu auserwählten Bildern des Musikers gibt es hier sieben unbekannte Geschichten über Dylan zu lesen. (Bild: Keystone)



Seinen Karriere-Einstieg beschreibt der «Picasso des Songs» (O-Ton Leonard Cohen) in seiner literarischen Autobiografie «Chronicles» (2004) so: «Amerika wandelte sich. Ich ahnte eine schicksalhafte Wendung voraus und schwamm einfach mit dem Strom der Veränderung. Das ging in New York genauso gut wie anderswo.»

Von Rock zu Folk und retour
Noch unter seinem Geburtsnamen Robert Allen Zimmerman spielt der aus Duluth/Minnesota stammende Dylan zunächst in regionalen Highschool-Bands Rock'n'Roll. Sein Faible für die neue Folk-Bewegung entdeckt der aus einer jüdischen Familie stammende junge Mann 1959 in Minneapolis. Dann treibt ihn der «Strom der Veränderung» ins New Yorker Greenwich Village.

Der Erfolg stellt sich mit dem Song «Blowin' In The Wind» (1963) ein. Wilde, wütende Lieder wie «Masters Of War» oder «A Hard Rain's A-Gonna Fall» qualifizieren Dylan für die Protest-Folk-Bewegung - und für den berühmten Bürgerrechtler-Marsch nach Washington.

Doch weder die Rolle eines Folk-Idols mag Dylan auf Dauer annehmen noch die der politischen Symbolfigur. Also mutiert er zum zweiten Mal - diesmal zum Rockmusiker mit elektrischer Gitarre und Band. Für seinen «Verrat» am Folk wird er von Fans als «Judas» beschimpft.

Nicht in Woodstock
Aber Dylan lässt sich nicht beirren und komponiert Mitte, Ende der 60er künftige Klassiker in Serie, Alben wie «Bringing It All Back Home», «Highway 61 Revisited», «Blonde On Blonde». Weltkluge Songs wie «Desolation Row» oder «Like A Rolling Stone», den das (danach benannte) Fachblatt «Rolling Stone» später zum besten Lied aller Zeiten kürt. Seine mit Metaphern und Anspielungen durchsetzten Texte sind von beispielloser Qualität. Selbst seine nasale Stimme hat ihren Reiz.

Nach einem Motorradunfall im Sommer 1966 zieht sich Dylan aus der Öffentlichkeit zurück und lebt mit seiner Ehefrau Sara Lowndes und den gemeinsamen Kindern in der Nähe von Woodstock bei New York. Als dort 1969 das wichtigste Festival des Jahrzehnts über die Bühne geht, ist ausgerechnet der neben den Beatles und den Rolling Stones wichtigste Rock- und Pop-Pionier nicht dabei.

Ein Tief und seither 20 Jahre im Hoch
Die 70er Jahre sind eine schwierige Zeit für Dylan: die Trennung von Sara Lowndes, eine gewisse künstlerische Stagnation. Auch für die 80er fällt die Bilanz eher durchwachsen aus: Auf der Habenseite stehen eine zweite Heirat, kommerzielle Erfolge mit der Star-Band Traveling Wilburys, der Beginn der «nie endenden Tournee» mit 100 Konzerten pro Jahr.

Dylans künstlerische Rehabilitierung kommt 1997 mit dem ersten grossen Alterswerk «Time Out Of Mind». Seitdem hat er einen Lauf, setzt alle paar Jahre Ausrufezeichen wie «Modern Times» (2006) oder «Tempest» (2012). Seine Alben steigen in den Charts so hoch wie selbst in den 60ern nicht, teilweise sogar bis an die Spitze.

Auch die Auszeichnungen sind kaum noch zu zählen: elf Grammys, ein Song-Oscar, der Pulitzer-Preis für «lyrische Kompositionen von ausserordentlicher poetischer Kraft», die von Barack Obama höchstpersönlich verliehene «Presidential Medal of Freedom».