Flut verhindern, Energie bunkern

Führt der Klimawandel tatsächlich zu mehr Überschwemmungen, müssen wir gewappnet sein. Markus Niederdorfers Vision «Floodprotect» kombiniert den Hochwasserschutz mit Energiegewinnung und Speicherung.

Bruno Knellwolf
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Im Rheintal kommt es wie hier im Juni 2013 bei Au immer wieder zu Überschwemmungen. (Bild: Urs Bucher)

Im Rheintal kommt es wie hier im Juni 2013 bei Au immer wieder zu Überschwemmungen. (Bild: Urs Bucher)

In Zeiten der angekündigten Energiewende sind Visionen gefragt. «Nichts ist stärker als eine Vision. Wenn du die wirklich hast, wirst du dich durchsetzen», sagt der Schweizer Regisseur Marc Foster in der aktuellen «Weltwoche». Das Scheitern gehört aber ebenso dazu. Oft bauen die grossen Ideen auf einfache Prinzipien. «Auftrieb, Hebelgesetz und Reibung», sagt der Maschinenbauingenieur Markus Niederdorfer und spricht damit von den drei physikalischen Gesetzen, auf denen sein «Floodprotect» beruht. Ein Projekt, mit dem zum einen Mensch und Landschaft vor Hochwasser und Flut geschützt werden sollen, und zum anderen Energie gewonnen und gespeichert werden kann.

London und Liechtenstein

Doch noch ist es nicht soweit, noch muss der im österreichischen Salzkammergut aufgewachsene Niederdorfer mit seiner Idee weibeln. Das macht er von London und seinem Büro im liechtensteinischen Schaanwald aus, unweit des Rheins, der auch immer wieder über die Ufer tritt.

Doch wie funktioniert dieser Hochwasserschutz? Im Damm eines Flusses oder am Rande eines Sees wird ein u-förmiger Körper aus Beton erstellt und im Boden versenkt. In diesen rinnt Wasser, wenn das Niveau des nebenliegenden Gewässers ansteigt. Dieses Wasser drückt eine Wand, die im Betonkörper steht, nach oben und wird zur Schutzwand gegen die Flut. Der Schwerpunkt der aufsteigenden Wand liegt mit Absicht nicht im Zentrum, die Wand kippt deshalb auf die zu schützende Seite und «verkantet». Dadurch entsteht Reibung, welche die Wand fixiert. Die Wand bleibt sozusagen stecken. «Man kann sich das wie bei einer Schublade vorstellen, die beim Herausziehen klemmt», sagt Niederdorfer und führt das in seinem Büro an einem kleinen Modell vor.

Niederdorfer denkt an Tsunami

Bis zu dreissig Meter hoch könnte die Schutzwand gemäss Niederdorfer in den Himmel wachsen. «Bei uns reichen aber drei bis fünf Meter meist aus.» Für einen Tsunami-Schutz kann er sich die maximalen Wandhöhen vorstellen: «Mit dem «Floodprotect»-Prinzip könnten Barrieren zur Energievernichtung gebaut werden.»

Dass der in Feldkirch wohnende Niederdorfer an Tsunamis denkt, hat auch damit zu tun, dass er schon über 150mal in Japan war, wo Flutwellen eine latente Bedrohung sind.

Konkret werden soll die Idee aber bei uns. Zum Beispiel auf dem Rheindamm, vielleicht im Rahmen des Projekts «Rhesi»: Rhein, Erholung, Sicherheit. «Floodprotect» hat den Vorteil, dass die Schutzvorrichtung bei normalen Bedingungen nicht zu sehen ist. Die bei Flut aufsteigende Schutzwand, die pro Einzelelement 250 bis 500 Meter lang ist, steckt im bereits bestehenden Damm und verunstaltet die Landschaft nicht.

Verhindert Floodprotect ein statistisch alle 100 bis 300 Jahre vorkommendes Hochwasser, kann ein Flurschaden von bis zu fünf Milliarden Euro verhindert werden, rechnet Niederdorfer vor.

Sommerwärme speichern

Damit sich «Floodprotect» für den Ersteller rechnet, auch in Niedrigwasserzeiten, wird ein solarthermisches Energiekraftwerk integriert. Im Sommer wird mit der Sonne in Kollektoren Wasser aufgeheizt und in den Dammkern geleitet, wo die Wärme gespeichert wird. So wie Energiespeicher im Boden heute auch bei Grossbauten eingesetzt werden. Die gespeicherte Wärme des Sommers kann im Winter über ein Fernwärmenetz in die nahegelegenen Haushalte geleitet werden. «Damit könnte man 10 bis 15 Prozent des Vorarlbergs mit Wärme versorgen», sagt Niederdorfer. Berechnet hat er, dass pro Kilometer Speicherdamm 200 bis 600 Haushalte geheizt werden könnten. Diese Energiegewinnung gewährleistet die Amortisierung des Hochwasserschutzes.

Weil das aufgeheizte Wasser im Damm in einem geschlossenen Kreislauf bleibt und nur durch Umwälzpumpen bewegt wird, bestehe auch keine Gefahr für das Grundwasser. Es entstehe ein «Geothermie-Kraftwerk», das nicht in die Tiefe, sondern in die Breite gehe.

Niederdorfer hat sein «Floodprotect» von Ingenieuren durchrechnen lassen und verweist auf Referenzen und Empfehlungen. Nun möchte er eine mindestens 100 Meter lange Versuchsanlage bauen, beispielsweise im Rheinvorland. Eine 1:1-Testanlage sei eine Notwendigkeit, um die Funktionalität und die mechanische Festigkeit zu verifizieren, sagt Johannes Hübl von der Universität für Bodenkultur Boku in Wien im Fachblatt «Solid». «Dort könnte man auch messen, wie viel Energie man gewinnt», ergänzt Niederdorfer. Und auch feststellen, ob sich die Wärme tatsächlich speichern lässt und ob die Nahtstelle zwischen den aufsteigenden Schutzwänden dicht gebracht wird.

Eine Firma gegründet

Er habe Firmen und Institute im Boot, die sich beteiligen würden, sagt Niederdorfer, der früher Handelsvertreter im Kraftwerksbereich war. Jetzt setzt er ganz auf «Floodprotect» und hat dafür eine Firma gegründet. Sollte er eine Anlage im Vorarlberg realisieren können, würde die Sache zum Selbstläufer, ist er überzeugt und denkt auch schon an Märkte in Asien. Noch muss er aber für seine Vision hierzulande Überzeugte finden.

Markus Niederdorfer (Bild: Kn.)

Markus Niederdorfer (Bild: Kn.)