«Fans greifen zur grösstmöglichen Provokation»

Rassismus und Antisemitismus in den Schweizer Stadien haben abgenommen, wie Thomas Busset, Sozialwissenschafter an der Universität Neuenburg, sagt. Umso überraschter ist er, dass die Luzerner Fans einen Mann als Juden verkleidet und mit einem St. Galler Schal ausgestattet haben.

Daniel Walt
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Thomas Busset Sozialwissenschafter Universität Neuenburg (Bild: pd)

Thomas Busset Sozialwissenschafter Universität Neuenburg (Bild: pd)

Herr Busset, Luzerner Anhänger laufen mit einem Mann, der als Jude verkleidet ist und einen FCSG-Schal trägt, zum Stadion in St. Gallen. Was löst dieses Bild in Ihnen aus?

Thomas Busset: Zum einen bin ich überrascht, dass sich Fans heutzutage noch trauen, eine solche Aktion durchzuführen. Zum anderen begrüsse ich den medialen Aufschrei, den es deswegen gegeben hat. Die Gesellschaft muss verstehen, dass es Grenzen gibt, selbst wenn schliesslich niemand für die Aktion belangt werden sollte.

Sind Fans, die andere Anhänger als Juden beschimpfen, auch abseits des Stadions antisemitisch und rassistisch?

Busset: Im Fall St. Gallen ist das offen. Es ist wichtig, dass die Staatsanwaltschaft die Hintergründe klärt. Generell haben Rassismus und Antisemitismus in Schweizer Stadien stark abgenommen.

Bis in die 90er-Jahre wurden schwarze Fussballer in der Schweiz beleidigt. Wie kam es, dass das praktisch kein Thema mehr ist?

Busset: Es gibt mittlerweile eine Antirassismus-Strafnorm, und die Öffentlichkeit reagiert sensibler auf dieses Thema als früher. Zudem hat heute praktisch jedes Team einen oder mehrere schwarze Spieler unter Vertrag.

Aus welchem inneren Antrieb beleidigen Fans Spieler oder gegnerische Anhänger?

Busset: Bei den Fans spielt die Identifikation mit dem Club eine grosse Rolle. Spieler, die wechseln, wurden seit jeher heftig angegriffen. Teils greifen die Fans dann zur grösstmöglichen Provokation.

Was können jene unternehmen, die nichts mit Auswüchsen zu tun haben wollen?

Busset: Es passiert schon einiges. Viele Fangruppen distanzieren sich klar von rassistischen, gewaltverherrlichenden Aktionen. In Basel etwa hörte man in den 90er-Jahren teils antisemitische Lieder – sie sind verschwunden. Wichtig ist dabei die Fanarbeit.

Das ganze Interview auf www.tagblatt.ch.