Kommentar
Besucheransturm im Alpstein: Zum Glück kommen die Chinesen auch zu uns

Die Pächter auf dem Aescher geben auf. Das ist kein Grund zur Freude. Der Besucheransturm im Alpstein sollte uns jedoch nicht betrüben.

Stefan Schmid
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Der Grossandrang an schönen Tagen, der im Alpstein an gut erschlossenen Orten wie dem Aescher oder dem Seealpsee herrscht, hat zweifellos seine Kehrseiten. (Bild: Keystone)

Der Grossandrang an schönen Tagen, der im Alpstein an gut erschlossenen Orten wie dem Aescher oder dem Seealpsee herrscht, hat zweifellos seine Kehrseiten. (Bild: Keystone)

Dass das junge Pächterpaar auf dem Aescher das Handtuch wirft, ist keine erquickliche Nachricht. Viele Ostschweizerinnen und Ostschweizer können die Motive für die Aufgabe verstehen: Zu wenig Unterstützung durch die Wildkirchli-Stiftung, welcher der Aescher gehört. Nervende Touristen, Immissionen schon um sechs Uhr in der Früh, eine Infrastruktur, die den Bedürfnissen der Gäste in keiner Weise gerecht wird. Es ist offensichtlich: Der Grossandrang an schönen Tagen, der im Alpstein an gut erschlossenen Orten wie dem Aescher oder dem Seealpsee herrscht, hat zweifellos seine Kehrseiten. Wo immer Touristen in Massen auftauchen, droht ein Stück regionaler Authentizität und Charme verloren zu gehen, deretwegen die Region eigentlich aufgesucht wird. Ein Teufelskreis.

Chefredaktor Stefan Schmid.

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Dennoch sollten wir aufhören, uns über zu viele Chinesen oder Amerikaner im Wildkirchli zu beklagen, die den schroffen Felsen unterhalb der Ebenalp bevölkern, seit US-Schauspieler Ashton Kutcher oder Tennisstar Roger Federer auf Instagram Gratiswerbung gemacht haben. Eigentlich ist es doch grossartig, dass es der Alpstein geschafft hat, fast auf Augenhöhe mit Luzern, Zermatt oder dem Berner Oberland ein Schweizer Touristenmagnet zu werden. So viele Menschen wollen unsere grossartige Ostschweizer Natur sehen. Was wollen wir mehr? Sie bringen Geld in die Region, das gerade in touristischen Gebieten wie dem Appenzellerland bestens gebraucht werden kann. Touristen sichern den Einheimischen Arbeitsplätze. Nicht nur oben in den Bergbeizen des Alpsteins. Sondern auch unten im Tal bei den vielen Zulieferbetrieben des lokalen Gewerbes, in der Landwirtschaft oder in der Hotel- und Parahotellerie.

Dass es auch harziger laufen kann, beweist das Toggenburg, wo sich die Bergbahnen einen erbitterten Streit liefern, derweil sich Schweizer Familien in grosser Zahl auf den Vorarlberger Pisten verlustieren. Und ein Blick in gepflegt vergandende Bündner oder Walliser Bergtäler zeigt, was sich in so manchem Alpental zutragen kann, das den Anschluss verpasst hat. Abwanderung, Überalterung, geschlossene Fensterläden allenthalben.

Der Alpstein soll gewiss nicht zum voralpinen Disneyland verkommen. Eine Vergnügungszone für hedonistische Wanderhipster aus aller Welt würde nicht zur zurückhaltenden appenzellischen Eigenart passen. Zum Glück sind wir von derlei Zuständen aber auch weit entfernt. Und vielleicht noch ein Tipp an alle, die den Rummel jetzt schon befremdlich finden: Wer es gerne ruhiger mag, muss ja nicht ausgerechnet an einem schönen Samstag im Hochsommer beim Aescher Picknicken gehen. Dafür gibt es geeignetere Tage und Orte. Denn wer sie wirklich sucht, der findet sie selbst im boomenden Alpstein: Die kleinen Pfade, wo man Murmeltiere aufschreckt, weil sie nicht mit Wanderern gerechnet haben.