ST.GALLEN. Pfützen, Dreck und Schlamm: Der Regen hat das OpenAir St.Gallen schon vor Festivalbeginn schwer in Mitleidenschaft gezogen. Immer wieder musste Wasser abgepumpt werden. Die aufgebotenen Kanalprofis transportierten gestern zehn Tonnen Schlamm ab.
«Auf dass der Bauer neue Erde bringe», sagt Falk Bormann. Gerade hat er sein Saugrohr in den Matsch getaucht. Dieses schlürft die schmierige Masse, «mit 0,5 Bar Unterdruck», sagt Bormann. Zu viel Schlamm dürfen er und Michael Kellenberger nicht aufsaugen, sonst gebe es unerwünschte Dellen im Boden.
Auf der Sternenbühne beobachten zwei Techniker mit tiefen Augenringen die beiden bei der Arbeit. Just vor dem Podium haben mehrere Liter Regenwasser eine grosse Lache gebildet. Daneben stehen meterhohe Boxen für die Bühne. Die Techniker bleiben wachsam. «Die Sternenbühne hat Priorität – danach ist der Kanal zwischen dem Mischer-Turm und der Sitterbühne dran», hiess die Anweisung. Auf 7.30 Uhr sind Bormann, Kellenberger und der 32 Tonnen schwere Saugwagen bestellt worden.
Bormann muss dem tonnenschweren Gefährt einige Anläufe gewähren, um die Steigung von der Sternenbühne zur Strasse zu bewältigen. Das ist geschafft, doch nun muss der 36-Jährige den Wagen querfeldein steuern. Die ausgelegten Schwerlast-Platten sollten die 32 Tonnen tragen. Abgesehen davon, dass sich einige verschieben oder gar aufstellen, tun sie es auch. Zwischen dem Turm, wo die Musik abgemischt wird, und der Sitterbühne verläuft ein Kanal für Stromkabel. Dieser sei verschlammt, hiess es. Die Kanalprofis brauchen den Wasserschlauch. Dieser ist mit einer speziellen Düse bestückt. «Sie hat einen Rückstrahler, damit sie sich selbständig durch den Kanal schleppt.» Während Bormann den Schacht hinabsteigt, eilt ein Techniker herbei. Er will am Schlauch eine Schnur befestigen, damit er danach das Stromkabel durchziehen kann. Bormann bereitet unten alles vor. «Unsere Kanalratte», sagt Kollege Kellenberger und lacht.
Der Wagen hat nicht nur einen 10 000 Liter grossen Tank für den Schlamm, sondern auch einen Wasserbehälter. Unter Hochdruck kämpft sich nun die Düse durch den Kanal Richtung Sitterbühne. Kurze Zeit später setzen die Kanalprofis das grosse Saugrohr an und entleeren den Schacht. Anne Gfeller ist erleichtert. «Die Sternenbühne und das Rohr hatten Priorität. Wo ihr jetzt weitermacht, spielt keine grosse Rolle mehr», sagt die Bereichsleiterin Bau. Kurz vor dem Beginn seien die Elektriker jeweils damit beschäftigt, die letzten Kabel zu verlegen. «Sobald das Gelände geöffnet wird, müssen alle sechzig Schachtdeckel geschlossen sein», sagt Gfeller. Es ist 10 Uhr. Die Massen am Breitfeld-Eingang und bei der Migrol-Tankstelle werden grösser. Wenn die OpenAir-Gäste an der Zürcherstrasse allzu heiter werden, muss das Gelände früher als vorgesehen geöffnet werden. «Das entscheidet die Sicherheit», sagt Gfeller. Neben «vielen zeitraubenden Kleinigkeiten» sei man vor allem dabei, das Gelände vom Unrat zu befreien, herumliegende Gitter wegzutragen und Schlamm zu entfernen. Einige Helfer schaben den Ma
tsch mit einer Art Schaufel von den Platten weg. Diese sind nun gesäumt von Maden aus Dreck. So gut es geht, tragen Bormann und Kellenberger diese ab. «Ich hoffe, dass am Abend nicht alles wieder gleich aussieht», sagt Bormann. Vor Schlamm ist man bei diesem Wetter nicht gefeit. Doch immerhin haben Bormann und Kellenberger bis am Mittag etwa zehn Tonnen Schlamm abtransportiert.
Die Mitarbeiter der Kanalprofis GmbH in Rorschach verrichten diese Arbeit schon seit 2002. Bauleiterin Gfeller weiss um die Wichtigkeit der Kanalprofis. «Bevor wir mit dem Aufbau überhaupt beginnen können, müssen sämtliche Schächte entleert sein.»
Während des Festivals sind die Kanalprofis auf Pikett. Zum einen werden sie aufgeboten, um die Teerstrasse zu säubern – zu viel Schlamm hiesse kein Durchkommen für die Sanitätswagen. Zum anderen ist mit bis zu 80 Einsätzen bei den Toiletten, die regelmässig verstopft sind, zu rechnen.
Bormann hat das Privileg, an Orte zu kommen, die den Besuchern verwehrt bleiben. Und sein Technikerpass erlaubt ihm den Eintritt in den Bereich, wo die sehr wichtigen Personen sind. Gelegentlich geniesst Bormann mit seinem Sohn ein Konzert in diesem VIP-Bereich. Guten Gewissens darf er durchaus sagen, dass er und seine Kollegen wirklich wichtig sind.
Sebastian Schneider