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Ostschweiz
Wil
Am Mittwoch Nachmittag führte die Bühne Thurtal die Premiere des Theaterstücks «Sams: Eine Woche voller Samstage» auf. Sie wollen den Zuschauern Normalität und Ablenkung bieten. Zu Beginn war unklar, ob die Aufführungen stattfinden können.
Die Theaterbranche ist am Boden. «Ich erhielt Anrufe von weinenden Theaterspielern. Sie flehten um eine Rolle», sagt Simon Keller, künstlerischer Leiter der Bühne Thurtal. Doch sechs Spieler hatten Glück. Sie durften am Mittwoch das erste Mal seit langer Zeit wieder vor Publikum spielen.
Als man im Oktober mit den Proben begann, herrschte noch Ungewissheit. Kein Mitwirkender der Märlibühne, eine Untergruppe der Bühne Thurtal, wusste, ob das Theater aufgeführt werden konnte. Nach zwei Wochen Vorbereitung dann der Entscheid des Bundesrates – maximal 50 Zuschauer. Simon Keller, der das Stück auf schweizerdeutsch umgeschrieben hat und auch Regie führt, sagt:
«Wir schauten während der Probe die Pressekonferenz zu den Neuerungen bezüglich der Coronamassnahmen an.»
Der Motivation habe die Regulation auf 50 Zuschauer nie einen Abbruch getan. «Ganz im Gegenteil. Wir freuen uns wie kleine Kinder überhaupt spielen zu dürfen», sagte Markus Buehlmann, einer der Theaterspieler. Dass trotz grosser Ungewissheit über kommende Änderungen im Coronagesetz geprobt wurde, sei für alle Beteiligten ermutigend gewesen. Dass die Spieler überhaupt einen Job hätten, stimme sie überaus glücklich. Die Motivation sei riesig, weil man das Privileg habe, auf der Bühne stehen zu dürfen.
«Wir wollten nichts riskieren und trugen bis kurz vor dem Tag der Premiere immer Masken», sagte Simon Keller. Dies sei nicht immer einfach gewesen. In der Theaterbranche ist die Mimik von grösster Wichtigkeit, diese war jedoch wegen der Maske nicht zu erkennen. Markus Buehlmann fügte an, dass er bei den Generalproben total überrascht gewesen sei, da er die Mimik seiner Kollegen zum ersten Mal sah. Sams ist eine energiegeladene Aufführung. Es wird viel gehüpft, gerannt, geturnt und gesungen. Während all diesen anstrengenden Aktionen sei die Maske störend gewesen, um richtig Atmen zu können.
Eine Aufführung mit Masken sei zwar in Betracht gezogen, jedoch wieder verworfen worden. Bei einem Stuck für Erwachsene hätte Simon Keller diese Masken künstlerisch einbauen können. Doch er sagte:
«Wir wollen den Kindern eine Freude bereiten und Ablenkung bieten.»
Mit Masken oder Visieren hätte man am Ziel vorbei geschossen. Dadurch wären die Zuschauer wieder im Alltag und nicht abgelenkt. Deshalb wären die Premiere und weitere Auftritte, im Falle einer Maskenpflicht auf der Bühne, mit grosser Wahrscheinlichkeit abgesagt worden.
Nachdem bekannt wurde, dass die Premiere stattfindet, habe es laut Simon Keller einige kritische Rückmeldungen gegeben. Doch Theater aufzuführen sei ihr Job. Gedanken schwirrten den Mitwirkenden trotzdem im Kopf herum, denn niemand wolle Schuld an neuen Ansteckungen sein. Mehrheitlich seien die Rückmeldungen jedoch positiv ausgefallen. Viele Leute bekundeten ihre Freude, dass mit der Durchführung ein wenig Abwechslung in den coronabedingt schwierigen Alltag komme. Simon Keller sagt: «Somit haben wir das Ziel der Märlibühne erreicht.»
Trotz der grossen Freude über die Auftritte auf Ende des Jahres hin, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Markus Buehlmann sagt, es sei schmerzhaft zu sehen, wie Kollegen und die Branche im allgemeinen leidet. Simon Keller hingegen sieht auch ein Lichtstrahl und nimmt positive Lehren aus der vergangenen Zeit.
Die Theaterbranche sei vor Corona verwöhnt gewesen. «Wir mussten wieder flexibler werden, kreativer und lernen, erneut auf unvorhersehbare Situationen zu reagieren», sagte der künstlerische Leiter. Alle Mitwirkenden seien zu einer Gesellschaft zusammengewachsen. Das Auftreten und Präsentieren von Theaterstücken werde nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit gesehen. Die Wertschätzung seitens der Macher und der Zuschauer sei wieder gestiegen.