REGION WIL. Die Künstlergruppe Ohm41 packt die Koffer und geht auf Kulturreise. Istanbul, die Stadt am Bosporus, ist nach Genua und Wien das nächste Ziel. Die Wiler Zeitung hat mit Stefan Kreier und Franziska Peterli vor ihrer Abreise gesprochen.
Stefan Kreier: Das ist mittlerweile zur Tradition von «Ohm41» geworden. Wir waren in den vergangenen Jahren in Genua, in Bregenz und Wien.
Franziska Peterli: Wir leben in der Provinz, und ich möchte Jean-Christoph Ammann zitieren, dessen Aussage so etwas wie eine Triebfeder bei diesem Projekt ist: «Kunst ist (heute) immer regional. Doch sie ist es in Bezug auf ihre internationale Bedeutung. Denn da liegt auch der Unterschied zwischen regional und provinziell.
Entfällt der Bezug zur Welt, entfällt die Internationalität, und Provinzialität kehrt ein. Und dann, erst dann, wird die Sache unwesentlich. Denn dann handelt es sich nicht mehr um einen Beitrag zur Erforschung unserer Welt und unserer Zeit.» Wir wollen immer wieder den Bezug zur Welt suchen, im Wissen, dass wir provinziell sind und bleiben, aber darin nicht abstumpfen wollen.
Peterli: Ich würde sagen für beide. Aber man darf nicht nur den Atem der Welt zu sich holen und profitieren, sondern soll auch dem Umstand Rechnung tragen, dass es eben eine Welt gibt um unsere Provinz und wir uns mit ihr auseinandersetzen müssen.
Kreier: Kunst wird immer in der Provinz gemacht und in den Metropolen ausgestellt, hat mal jemand gesagt, ich kann mich exakt damit einverstanden erklären.
Kreier: Die Stadt ist eine Schnittstelle zwischen Orient und Okzident. Mir persönlich kommt die Stadt extrem fremd vor. Die früheren Ziele lagen in Westeuropa, deren Kultur uns noch nahe liegt, nun kommt Istanbul mit einer ganz anderen Kultur.
Peterli: Diese Stadt hat auf mich persönlich eine grosse Faszination und Anziehungskraft. Ich war noch nie dort und bin sehr gespannt.
Kreier: Das ist ein Zufall aufgrund einer Planänderung. Wir wollten erst nach Tirana in Albanien. Tirana hat kulturell enorm aufgeholt, wäre uns genauso fremd und darum spannend gewesen, aber die momentane Lage ist dort etwas ungemütlich.
Kreier: Diesmal bringen wir nichts – wir holen. Wir wandeln uns zu Kulturtouristen.
Peterli: Wir werden Sammler! Wir wollen Eindrücke sammeln. Jeder von uns bedient sich auf seine Weise und sammelt, aber was daraus wird, weiss wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Rückreise noch keiner.
Die Idee ist, dass jeder mit seinen Mitteln arbeitet, ob das blosse Gedanken sind oder Texte, Filme, Fotos, Zeichnungen. Klar ist aber, dass es im Herbst eine Ausstellung dazu gibt. Ausserdem wird etwas in einem Printmedium dokumentiert.
Kreier: Wir werden auf die Suche gehen.
Jeder wird für sich die Stadt ergründen, aber wir werden uns gemäss dem «Ohm41»-Gemeinschaftsgeist immer wieder austauschen, und schliesslich geht jeder mit seinen Eindrücken, die er auf seine Weise gespeichert hat, nach Hause.
Kreier: Ich kann nur für mich sprechen. Ich werde mit meinen Sinnen arbeiten. Mich interessiert, wie es riecht, wie es lärmt, wie die Menschen sind.
Peterli: Ein Konzept, das sich auf einen einzelnen Aspekt Istanbuls konzentriert, würde «Ohm41» nicht gerecht werden. Wir sind eine Gruppe mit ausgeprägtem Individual-Sinn und vertrauen darauf, dass im Austausch innerhalb der Gruppe bei jedem etwas Individuelles geschieht, das schliesslich zu einer gemeinsamen Arbeit beitragen könnte.
Kreier: Ich glaube, alle, die zum ersten Mal nach Istanbul reisen, beginnen die Stadt in ihrem ursprünglichsten Stadtteil zu erforschen. Dort, wo die antike Altstadt liegt mit ihren Märkten und Moscheen, der Tokapi-Palast steht und die Hagia Sofia. Da sind wir keine Ausnahme, auch wenn das sehr klischeehaft ist.
Peterli: Die Bilder von 1001 Nacht schwingen vermutlich in jedem von uns mit. Wir sind uns bewusst, dass wir mit Respekt und Aufmerksamkeit an die Sache rangehen müssen. Aber wir wollen ja nicht alles sehen. Es kann sein, dass es nur etwas Kleines ist, das den einen oder anderen inspiriert und dem er dann nachgeht, sei es noch dort oder erst zu Hause.
Kreier: Wir haben uns natürlich informiert darüber, was uns erwartet. Aber es sind halt alles touristische Informationen, man muss nun einfach hingehen und es erleben, Eindrücke aufnehmen und etwas daraus machen. Ich bin extrem gespannt, wie ich auf die Stadt reagiere.
Kreier: Gerade das Gruppenerlebnis macht es interessant.
Es ist klar, dass da nicht immer eitel Freude herrscht, und wir sind keine durch Vereinsstrukturen zusammengebundene Gruppe. Dennoch raufen wir uns auch nach einem Unwetter wieder zusammen und erkennen den Wert dieser offenen Konstellation. Aus dieser Dynamik ergeben sich immer wieder erstaunliche Kumulationen in unserer Arbeit.
Peterli: Die Gruppe harmoniert trotz aller Individualität und ohne äusseren Druck. Jeder hat die beinahe nicht zu bändigende Lust, auf eigenen Wegen zu gehen, aber dann will man sich beim Essen wieder treffen, um zu berichten. Denn irgendwie haben eben doch alle dasselbe im Sinn, nämlich Eindrücke zu sammeln und auszutauschen, getrieben durch die Absicht, die eigene Arbeit voranzubringen.
Interview: Michael Hug