Wil/Toggenburg
Immer mehr Altersheime in der Region schwer von Covid-19 getroffen – Kantonsärztin spricht sich gegen schärfere Massnahmen aus

Auch das Sonnegrund in Kirchberg und das Alters- und Pflegeheim in Ebnat-Kappel blieben von einem Coronaausbruch nicht verschont. Die St.Galler Kantonsärztin sagt, warum sie ein generelles Besuchsverbot trotzdem nicht für sinnvoll hält.

Lara Wüest
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Während der zweiten Coronawelle sind in St.Galler Alters- und Pflegeheimen zwei Besucher pro Bewohner und Tag erlaubt.

Während der zweiten Coronawelle sind in St.Galler Alters- und Pflegeheimen zwei Besucher pro Bewohner und Tag erlaubt.

Bild: Sascha Erni

Eigentlich sind die Bewohner von Alters- und Pflegeheimen besonders verletzlich, wenn es um das Coronavirus geht. Eigentlich wollte der Bund, wollten die Kantone alles dafür tun, um diese Bewohner zu schützen. So mahnte etwa das Bundesamt für Gesundheit Anfang November, das Virus dürfe sich nicht in Altersheimen verbreiten. Und die Kantone erarbeiteten Schutzmassnahmen, um genau das zu verhindern.

Und trotzdem kommt es in immer mehr Heimen zu Coronaausbrüchen. Auch in der Region. Am Montag sind auch im Sonnegrund, einem Heim für Betagte in Kirchberg, zwei erste Fälle aufgetreten. Und vor ein paar Wochen war auch das Alters- und Pflegeheim in Ebnat-Kappel betroffen.

Bisher neun positive Fälle im Sonnegrund

Im Sonnegrund sind mittlerweile neun Bewohner positiv auf das Virus getestet worden. Sie befinden sich in Isolation. Zudem sind 17 der 70 Bewohner in Quarantäne, weil sie zu den positiv Getesteten Kontakt hatten. Es ist also nicht auszuschliessen, dass weitere Fälle hinzukommen. «Es sind noch Tests offen», sagt die Betriebsleiterin Martha Storchenegger.

Todesfälle gab es im Sonnegrund bisher keine. Bei zwei Betroffenen verläuft die Infektion allerdings schwer. Storchenegger sagt:

«Beatmet werden müssen sie zwar nicht und es ist niemand im Spital.»

Doch sie hätten hohes Fieber und starken Husten.

Derzeit gilt im Sonnegrund ein generelles Besuchsverbot. Vorerst bis am 7. Dezember. Allerdings mit Ausnahmen für angemeldete Besucher im geschützten Besucherraum und Besuchen in besonderen Situationen.

Einen harten Lockdown verordnet

Das Heim hat nach dem ersten positiven Testresultat rasch gehandelt und einen «harten Lockdown verordnet». «Wir hoffen, dass wir die Ansteckungskette so unterbrechen konnten», sagt Storchenegger. Auch negativ getestete Bewohner können sich derzeit nicht frei im Gebäude bewegen, sondern müssen mehrheitlich auf ihren Zimmern bleiben. Allerdings dürfen Sie Termine ausser Haus wahrnehmen und an der frischen Luft spazieren gehen.

Ausbruch in Ebnat-Kappel nicht öffentlich bekanntgemacht

Im Alters- und Pflegheim in Ebnat-Kappel kam es bereits vor sechs Wochen zu einer starken Ausbreitung des Coronavirus. Dies teilt der Gemeindepräsident Christian Spoerlé auf Anfrage mit. Er ist auch der Präsident der Heimkommission. Öffentlich bekanntgemacht, wie andere Heime in der Region, hat das Alters- und Pflegheim Ebnat-Kappel den Ausbruch damals aber nicht. «Wir haben das diskutiert, sind aber zum Schluss gekommen, dass das nicht nötig ist», sagt Spoerlé. Die Angehörigen von Betroffenen habe man aber stets informiert und bei Anfragen immer Auskunft gegeben.

Im Gegensatz zu anderen Heimen gibt man sich auch bei den Zahlen bedeckt. Darüber, wie viele Bewohner positiv getestet wurden oder wie viele verstorben sind, möchte der Gemeindepräsident keine Auskunft geben. «Das sorgt nur für Verunsicherung und bringt uns nicht weiter», sagt er. Nur so viel teilt er mit:

«Wir waren stark betroffen. An allen drei Standorten.»

Es sei auch zu Todesfällen gekommen. Mittlerweile habe man das Schlimmste «zum Glück» aber überstanden und zwei Standorte, das Wohnheim Speer und das Provisorium, seien coronafrei.

Wie andere betroffene Heime hat auch Ebnat-Kappel ein Besuchsverbot mit Ausnahmen verordnet, positiv getestete Bewohner mussten in Isolation und die Angestellten zum Teil in Quarantäne.

Fälle im Solino steigen weiter

Im Seniorenzentrum Solino in Bütschwil ist das Schlimmste dagegen noch nicht überstanden. Vor eineinhalb Wochen ist dort der erste positive Fall aufgetreten. Genaueres wird die Heimleitung am Montag bekanntgeben. Der Heimleiter Markus Brändle sagt aber: «Wir befinden uns noch immer im Ausnahmezustand, die Fälle steigen.» Allerdings gebe es auch gute Nachrichten: «Wir konnten bereits erste Bewohner aus der Isolation entlassen», sagt Brändle.

Gebessert hat sich die Situation im Seniorenzentrum Uzwil. Dort kam es Anfang November zu einem schweren Ausbruch, 17 Menschen sind innerhalb von drei Wochen verstorben. Die Situation sei jetzt stabil, sagt Gemeindepräsident und Präsident der Heimkommission Lucas Keel. Besuche seien wieder möglich.

Zu Todesfällen kam es auch bei der Thurvita in Wil. Vergangene Woche teilte die Pflegeinstitution mit, dass es in allen Einrichtungen 72 Infizierungen gegeben habe und zehn Menschen gestorben seien. Über die aktuelle Situation gibt die Thurvita keine Auskunft. Man werde am kommenden Dienstag wieder informieren.

Kanton will keine weiteren Schutzmassnahmen

Bereits in fünf Alters- und Pflegeheimen in der Region kam es zu einem schweren Coronaausbruch. Die Zahl der Verstorbenen insgesamt ist hoch. Die Frage liegt deshalb auf der Hand, ob hier etwas schiefläuft. Genügen die Massnahmen des Kantons nicht, um die Bewohner zu schützen?

Es laufe nichts schief, sagt die St.Galler Kantonsärztin Danuta Zemp.

«Jeder Todesfall ist tragisch. Aber wir sind in einer Pandemie, diese Entwicklung war zu erwarten.»

Viele Alters- und Pflegeheime schirmten ihre Bewohner in der ersten Welle ab. Auch im Kanton St.Gallen gab es ein generelles Besuchsverbot. Nun, in der zweiten Welle, sind die Coronafallzahlen insgesamt höher als damals. Trotzdem sind in St.Galler Altersheimen zwei Besuche pro Tag und Bewohner erlaubt.

Ein generelles Besuchsverbot ist nicht vorgesehen. Viele Menschen hätten in der ersten Welle stark darunter gelitten, sagt Zemp. «Natürlich könnte man Heimbewohner absolut isolieren, aber dann sterben sie an gebrochenem Herzen.» Zudem seien im Sommer viele Bewohner und Angehörige befragt worden, das kantonale Ethikforum habe dazu Stellung genommen. Dabei habe sich gezeigt, so Zemp, dass sich kaum jemand ein erneutes Besuchsverbot wünsche.

Derzeit sind gemäss der Kantonsärztin keine weiteren Schutzmassnahmen für Alters- und Pflegeheime vorgesehen. In Basel-Stadt läuft ein Pilotversuch, bei dem jeweils sämtlichen Angestellten in einem Heim vor Arbeitsbeginn ein Schnelltest angeboten wird. Zemp sieht darin nicht die Lösung: «Das Testen ist kein Allheilmittel. Es muss gezielt eingesetzt werden.» Sie sagt, dass mit vielen Tests und mit vielen Pflegenden in Quarantäne bald ein Personalproblem entstehen würde.