Wil
Die Äbtestadt schwimmt gegen den Strom: Keine grüne Welle, keine Erhöhung des Frauenanteils

Die Regierungen und Parlamente in den Schweizer Städten werden laut einer Studie grüner und weiblicher. Auf Wil trifft eher das Gegenteil zu. Trotzdem kommt dies nicht völlig überraschend.

Gianni Amstutz
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Die Grünen Prowil konnten bei den letzten Wahlen nicht von den Protesten der Klimabewegung profitieren.

Die Grünen Prowil konnten bei den letzten Wahlen nicht von den Protesten der Klimabewegung profitieren.

Bild: Mareycke Frehner

Stadtregierungen und Parlamente werden grüner und der Frauenanteil in Exekutive und Legislative steigt. So lauten zwei Erkenntnisse des Bundesamts für Statistik (BFS) für die Politik in Schweizer Städten.

2020 erreichten die Grünen zwölf Prozent der Sitze in allen Städten der Schweiz, was einer Zunahme von zweieinhalb Prozentpunkten entspricht. Und auch die Grünliberalen konnten um 1,3 Prozentpunkte zulegen, wenn es um die Sitze in den Stadtparlamenten ging. Doch in Wil ist vieles anders.

Von einer grünen Welle war bei den vergangenen Wahlen im Herbst 2020 nichts zu sehen. Im Gegenteil: Die Grünen Prowil verloren ihren einzigen Stadtratssitz von Daniel Stutz – und konnten auch im Parlament nicht zulegen. Dort sind sie, inklusive Junge Grüne, weiterhin mit sechs Personen vertreten.

Grüne in Wil schon länger stark

Ein Trost dürfte für die Grünen Prowil sein, dass sie entgegen dem nationalen Trend der anderen Schweizer Städte in Wil zwar keine Sitze hinzugewinnen konnten. Dies könnte allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass sie in der Äbtestadt ohnehin bereits überdurchschnittlich stark im Parlament vertreten sind.

Mit 6 von 40 Sitzen sind die Grünen Prowil im Wiler Stadtparlament überdurchschnittlich gut vertreten.

Mit 6 von 40 Sitzen sind die Grünen Prowil im Wiler Stadtparlament überdurchschnittlich gut vertreten.

Bild: Gianni Amstutz

Der Mittelwert der Grünen liegt in der Deutschschweiz bei 10,7 Prozent Wähleranteil. In Wil erreichten die Grünen Prowil gemeinsam mit ihrer Jungpartei erneut einen Wähleranteil von fast 15 Prozent. Die grüne Welle blieb also nicht aus, nur kam sie in Wil schon früher.

Nicht nur die Grünen Prowil, sondern auch die Grünliberalen konnten in Wil nicht von dem nationalen Aufschwung in den Städten profitieren. Sie sind weiterhin nur mit einer Person im Stadtparlament vertreten.

Frauenanteil in Parlamenten steigt

Auch was den Frauenanteil im Parlament und der Regierung angeht, schwimmt Wil gegen den Trend. Zwischen 2019 und 2020 haben die Frauen sowohl in den Stadtparlamenten als auch in den Regierungen Sitze hinzugewonnen. Der Frauenanteil in den Gemeindeexekutiven lag in den vergangenen zehn Jahren zwischen 26 und 27 Prozent. Im Jahr 2020 gingen über 29 Prozent der Sitze an Frauen.

Dieser Anteil liegt aber immer noch unter jenem der Stadtparlamente, in denen der Frauenanteil zwischen 2019 und 2020 von 32 auf 35 Prozent gestiegen ist, heisst es in der Mitteilung des BFS.

In Wil ist nichts dergleichen passiert. In der fünfköpfigen Regierung sitzt mit SVP-Politikerin Ursula Egli nur noch eine Frau, derweil der Anteil im Stadtparlament konstant bei 25 Prozent stehen bleibt – und das seit Jahren.

Eine bürgerliche Kleinstadt: keine Ausnahme

Fährt also Wil politisch einen derart anderen Kurs als die übrigen Schweizer Städte. Eine eindeutige Antwort darauf liefert die Studie des BFS nicht. Die schweizweiten Trends laufen zwar in die entgegengesetzte Richtung, doch eine Statistik zeigt, dass Wil doch nicht in jeder Hinsicht einen Alleingang macht.

In der Kategorie der Städte mit einer Einwohnerzahl zwischen 20'000 und 49'999, zu der auch Wil zählt, sind die Trends weniger stark ausgeprägt. So erlebten die Grünen vor allem in den grössten Städten mit über 100'000 Einwohnern einen Aufschwung. Dasselbe dürfte auch für den Frauenanteil gelten.

Denn generell verhält es sich so: je höher die Einwohnerzahl, desto linker das Parlament und die Regierung. Und je linker die Partei, desto grösser der Frauenanteil.

Da überrascht es kaum, dass Wil als kleines Städtchen mit einer traditionellerweise bürgerlich zusammengesetzten Exekutive und Legislative statistisch gesehen nicht Entwicklungen wie die grüne Welle oder einen höheren Frauenanteil befeuert.