Die Wiler Partien beurteilen den neusten Vorschlag des Kantons zur Netzergänzung Nord unterschiedlich. Die Grünen bestehen auf der Nutzung der Industriestrasse, die Fraktionspräsidenten der Bürgerlichen sind vorsichtig positiv.
Längerer Tunnel, die Strasse näher an der Industriezone. Das sind die beiden wichtigsten Anpassungen am Vorprojekt zur Netzergänzung Nord, die das kantonale Tiefbauamt am Mittwoch den Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten des Wiler Stadtparlaments vorstellten. Mit der Netzergänzung Nord in Bronschhofen soll das Wiler Stadtzentrum von Durchgangsverkehr entlastet werden. Zudem soll sie eine gute Verkehrsanbindung für das geplante Industriegebiet Wil West gewährleisten.
Nun hat der Kanton die Pläne nochmals überarbeitet. Bisher sollten Autos, die von Wil her kommen, beim AMP-Areal in einen Tunnel fahren und diesen dann auf der Höhe Friedhof und Fussballplatz wieder verlassen. Von dort würde eine Strasse über die Wiese und am Industriegebiet, auf dem unter anderem die Firma Schmolz und Bickenbach steht, vorbei auf die Hauptstrasse führen.
Nach den neusten Anpassungen würde der Tunnel neu 410 statt 300 Meter messen und die Strasse im Bereich der grossen Betriebe näher an die Industriestrasse gerückt. In den bisherigen Plänen wären zwischen Industriezone und neuer Strasse fünf bis zehn Meter breite Streifen Kulturland übrig geblieben. Ruedi Vögeli, Projektleiter beim kantonalen Tiefbauamt, sagt:
«Diese Streifen können Landwirte nicht sinnvoll bewirtschaften.»
Deshalb habe man die Strasse näher an die Industriezone gerückt. Damit und mit dem verlängerten Tunnel könne insgesamt mehr Kulturland erhalten werden. Die neue Tunnelführung füge sich zudem besser in die Landschaft ein und es würden weniger Erdarbeiten nötig.
Die schärfsten Kritiker der Netzergänzung Nord im Stadtparlament sind die Grünen Prowil. Fraktionspräsident Guido Wick kritisiert, dass für die Umfahrung nicht die bestehende Industriestrasse genutzt wird. Eine parallele Schnellstrasse bedeutet in den Augen Wicks vor allem einen massiven und unnötigen Verlust von Fruchtfolgeflächen. Nicht überraschend stellt ihn auch das angepasste Vorprojekt des Kantons nicht zufrieden. Am Telefon sagt Wick:
«Die Anpassung bringt nicht die erwünschte Verbesserung.»
Die Grünen Prowil bleiben dabei: Autos, die von der neuen Autobahnausfahrt her kommen, sollen bis Höhe SAK auf der Industriestrasse fahren und dann in einem Tunnel nordwärts auf die AMP-Strasse geführt werden. «So könnte die Netzergänzung gebaut werden, ohne dass dabei ein Quadratmeter Kulturland verloren geht», sagt Wick.
Dem Grundsatz, dass bei Strassenprojekten bestehende Strassen genutzt werden sollten, stimmt auch Ruedi Vögeli zu. Der Vorschlag der Grünen Prowil, den Verkehr über die Industriestrasse zu führen und einen längeren Tunnel zu bauen, sei auch geprüft worden. Weil dies aber bedeuten würde, dass mehrere Firmen an der Strasse ihre ganze Logistik umstellen und wohl Umbauten machen müssten, sei die Variante schwierig umzusetzen. Guido Wick sagt dazu: «Gewisse Anpassungen wären sicher notwendig, Umbauten eher nicht.» Kulturland und Lärmschutz seien höher zu werten als «das Umorganisieren von Parkplätzen und Betriebsabläufen».
Auch für Christoph Hürsch, Präsident der Mitte-Fraktion im Stadtparlament, sind noch Fragen offen. Zwar sieht er in den Anpassungen eine Verbesserung. Ihm sei aber nicht restlos klar geworden, warum dieses das beste Projekt und die Nutzung der Industriestrasse unter keinen Umständen möglich sein sollte. Auch die Frage nach den Ersatzflächen für das durch den Strassenbau verlorene Kulturland bleibe offen. Hier verweist Ruedi Vögeli auf die weitere Detailplanung. Die genaue Anzahl Quadratmeter müsse erst noch berechnet werden, dann werde der Kanton nach Ersatzflächen suchen.
FDP und SVP stehen der Netzergänzung Nord und Wil West grundsätzlich positiv gegenüber. FDP-Fraktionspräsident Adrian Bachmann begrüsst die Anpassungen des Tiefbauamts. Er sagt:
«Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Kanton bemüht ist, eine möglichst gute Lösung zu finden.»
Für die SVP war Erwin Böhi an der Information des Tiefbauamts. Der Stadtparlamentarier war auch Mitglied der Kommission im Kantonsrat, die sich vorberatend mit dem Projekt befasst hat. Die Kommission habe damals einen Antrag zur Prüfung einer Variante mit einem 450 Meter langen Tunnel gestellt.
Er sieht die Anpassungen ebenfalls als «Schritt in die richtige Richtung». Böhi erinnert aber auch daran, dass es sich dabei erst um ein Vorprojekt und um die bevorzugte Variante der Kantonsregierung handle.
In einem nächsten Schritt können sich Bevölkerung, Parteien und Verbände an der finalen Ausgestaltung des Projekts beteiligen. Auch in das Stadtparlament und in den Kantonsrat kommt die Netzergänzung Nord nochmals. Spannend dürfte es dann werden, wenn die Stimmbevölkerung an der Urne über die Strasse befinden kann.
Zuerst wäre das für die Wilerinnen und Wiler möglich. Allerdings nur in einem konsultativen Referendum ohne direkte Konsequenzen und wohl erst 2023. Politisch würde ein Nein dem Projekt aber gleichwohl einen dicken Stock in die Speichen werfen. Auch auf Kantonsebene ist ein fakultatives Finanzreferendum möglich.