Vor 20 Jahren ging das Lokalfernsehen Wil ein letztes Mal auf Sendung. Geblieben ist eine Fülle von Aufzeichnungen. Daraus präsentierte Stadtarchivar Werner Warth gestern Abend im Chällertheater ein buntes Potpourri.
Ursula Ammann
Ein Helikopter landet auf dem Dach eines Hochhauses an der Reutistrasse – Bilder, die durch sämtliche Wiler Stuben gingen. Schwester Thomas erklärt in einer Gesprächssendung über Co-Edukation, weshalb das Kathi eine Mädchenschule bleiben muss – Ansichten, die vom Sofa aus mit Spannung verfolgt wurden und den einen oder anderen zum Anruf ins Studio bewogen. Förster Toni Ziegler gibt vor laufender Kamera durch, unter welcher Telefonnummer man die neu gebaute Klausenhütte mieten kann – Informationen, die den Weg in jeden Haushalt mit Fernsehapparat fanden. Rudl Gruber läutet aus Freude über die grosse Zustimmung zur «1. Bauetappe Hof zu Wil» die Glocke im Dachstock des Wahrzeichens – Eindrücke, die in die ganze Stadt ausstrahlten.
Diese und noch viele weitere Szenen schlummern im «Nachlass» des Wiler Lokalfernsehens. Etwa 1000 Kassetten aus der Sendezeit lagern im Stadtarchiv. Aus einigen hat Stadtarchivar Werner Warth Sequenzen herausgenommen und zu einem Potpourri zusammengestellt. Dieses präsentierte er gestern Abend im Chällertheater an einer Veranstaltung aus der Reihe «Altstadt Plus.»
Moderatorin Susan «Susy» Osterwalder mit Schulterpolstern, Gesprächsgäste mit Schnurrbärten und grossflächigen Brillengläsern, Telefonapparate, die man heute eher in einem Museum vermuten würde, und Einspielmusik, die aus Serien wie «A-Team» oder «Knight Rider» stammen könnte: All das sind Erinnerungen an den Zeitgeist der 80er- und 90er-Jahre, als das Lokalfernsehen Wil, später auch Tele Wil genannt, seine Blütezeit hatte. Die allererste Sendung flimmerte am 15. September 1980 über die Bildschirme. Es war gleichzeitig der Start eines schweizweit einzigartigen Pilotprojekts. Den Anstoss dazu hatten zwei gemeinnützige Stiftungen gegeben. Sie waren mit einer entsprechenden Anfrage an die Stadt Wil gelangt. Diese befand, ein Lokalfernsehen sei eine gute Möglichkeit, neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit zu beschreiten. Die Hauptziele des Programms wurden wie folgt festgehalten: «Förderung der politischen Bildung und aktiven Mitbeteiligung der Bürgerschaft am öffentlichen Geschehen», «Förderung des Gemeinschaftssinns im Lebensbereich unserer Stadt» und «Förderung des kulturellen Lebens».
«Der damalige Stadtammann Hans Wechsler war die treibende Kraft hinter dem Projekt», erklärte Stadtarchivar Werner Warth den Besuchern im Chällertheater. Dieser habe sich mit Begeisterung für das Lokalfernsehen eingesetzt. Deshalb habe die Bürgerversammlung auch einen Kredit von 25 000 Franken gesprochen.
Ganz am Anfang sei die Idee eines frei zugänglichen Bürgerfernsehens vorherrschend gewesen, erklärte Werner Warth. Jeder habe das Recht gehabt, etwas beizutragen, sofern der Inhalt nicht einem gewissen Ehrenkodex widersprochen habe. Allmählich sei der Betrieb dann aber kommerzialisiert worden.
1992 ging das Wiler Lokalfernsehen in eine Aktiengesellschaft über. Ende 1997 musste der Sendebetrieb aus verschiedenen Gründen eingestellt werden.
Was aus dieser Zeit bleibt, sind Erinnerungen in Ton und Bild, denen der gestrige Anlass Rechnung trug. Organisiert wurde dieser von der Altstadtvereinigung Wil. Doch was hat ein Tele-Wil-Rückblick mit der Altstadt zu tun? Präsident Simon Lumpert erklärte es: Das Lokalfernsehen Wil sei zwar ein Medium für die ganze Stadt gewesen, doch die Sendungen hätten auch immer wieder Altstadtthemen zum Inhalt gehabt. Von der Abstimmung über die 1. Bauetappe des Hofs zu Wil über das Studentenfest bis zu einem Open Air in der Altstadt. Den Anwesenden bot sich mit dem gestrigen Abend nicht nur ein Einblick in diese und weitere Ereignisse, welche die Bevölkerung in Wil damals beschäftigt haben, sondern auch ein Wiedersehen mit Persönlichkeiten dieser Stadt.