Für die Lehrabschlussprüfung hat er auch samstags gebüffelt: Marco Holderegger schloss seine Lehre mit der Bestnote 5,6 ab. Für die Zukunft hat er grosse Pläne.
«Wozu hast du überhaupt die Kanti gemacht?» – diese Frage musste Marco Holderegger mehr als einmal beantworten, als er sich nach dem Gymi dazu entschloss, eine Lehre als Schreiner zu beginnen. Manche in seinem Umfeld verstanden nicht, weshalb er kein Studium anfing. Doch für den 22-jährigen Wiler war klar: Vorerst hatte er genug von der Schulbank. Er wollte etwas erschaffen. Und er wollte einen Beruf erlernen, der mit Design zu tun hat. So bewarb er sich bei der Fust Schreinerei in Wil auf eine Lehrstelle als Schreiner.
Wie sehr ihm das Schreinern liegt, merkte Holderegger aber erst später. Er sagt: «Ich hatte zuerst keine Ahnung, ob es mir gefällt.» Während der Ausbildung stellte er fest, dass er ein Händchen für das Herstellen von Möbeln hat. Und als der Lehrabschluss näherrückte, wurde Holderegger ehrgeizig. Er sagt:
«Ich hatte gute Noten in der Schule und wollte einen guten Abschluss machen.»
Dafür hat er einiges investiert: Vor der praktischen Prüfung im Mai vor einem Jahr stand er fast jeden Samstag in der Werkstatt. Übte die Zinkenverbindung oder das Zuschneiden von Holz an der Kreissäge. Dann, als ein Jahr später die mündlichen Prüfungen bevorstanden, büffelte er fast jeden Abend die Theorie. Dass es am Ende so gut laufen würde, damit hat aber auch Holderegger nicht gerechnet: Diesen Juni schloss er seine Lehre mit der Note 5,6 ab. Es ist der beste Abschluss der Schreinerlehrlinge im gesamten Kanton St.Gallen. Er sagt: «Ich hatte ein gutes Gefühl. Aber dass ich als Bester abschloss, war dann doch eine Überraschung.»
Drei Wochen später sitzt Holderegger an einem langen Tisch im Pausenraum oberhalb der Werkstatt. Die Znünipause ist eigentlich vorbei, von unten dröhnt der sirenenartige Klang einer Kreissäge herauf. Holderegger aber macht an diesem Vormittag etwas länger Pause und erzählt, warum er sich für einen Beruf entschieden hat, von dem manche sagen, dass es ihn so bald nicht mehr geben wird.
Der Beruf des Schreiners befindet sich in einem Wandel. Billigmöbellinien zwingen traditionelle Handwerker, ihre Produktionsmethoden zu automatisieren, damit sie mit den Preisen mithalten können. Die Arbeit mit den Händen verschiebt sich immer mehr hinter den Computer. Statt Massivholz verarbeiten die Schreiner Platten aus Holzwerkstoffen.
Oft bedient Holderegger grosse Maschinen, führt einen Zwischenschritt bei der Herstellung eines Möbels aus und stellt nicht mehr das ganze Möbel her. Trotzdem sagt er:
«Es ist ein spannender Beruf.»
Was ihm gefällt? Dass etwas Neues entsteht. Er sagt: «Ich freue mich immer, wenn ein Möbel schön wird.» Und manchmal übt er nach wie vor das traditionelle Handwerk aus. Zum Beispiel, wenn er einen Tisch schreinert und dazu Massivholz von Hand verarbeitet. Dieser Arbeit sei das Schönste an seinem Job, sagt er.
Bis zu seiner Pensionierung will Holderegger aber nicht Schreiner bleiben, beruflich hat er noch grosse Pläne: Er möchte an der ETH Architektur studieren. Schon als er klein war, hat ihn dieser Beruf, «eine Mischung aus Gestalten und Technik», fasziniert. Er sagt:
«Ich arbeite gerne exakt und detailgetreu, zugleich habe ich eine künstlerische Ader.»
Und Architektur sei eine Mischung aus beidem.
Für die nächsten eineinhalb Jahre wird er aber noch in der Fust Schreinerei weiterarbeiten. Und danach ein halbes Jahr auf Reisen gehen. Bis dann, glaubt er, wird die Coronakrise sicher vorbei sein. Wohin es gehen soll, weiss er noch nicht. Nur so viel: Ein Abenteuer soll es werden.