Das Agglomerationsprogramm der vierten Generation will mit vier Kernüberlegungen die nachhaltige Positionierung der Regio Wil als eigenständigen Wohn- und Arbeitsstandort sicherstellen.
Welche Zukunft für die Agglomeration Wil? Diese Frage steht im Zentrum der Überlegungen im Agglomerationsprogramm der 4.Generation (AP 4G). Dieses umfassende Planungsinstrument ist die Fortschreibung der bisherigen Agglomerationsprogramme der 2. und 3.Generation und wirkt Jahrzehnte in die Zukunft.
Die direkten und indirekten Auswirkungen reichen von Wil und Uzwil aus weit in das Fürstenland, ins Toggenburg und in den Hinter- und Mittelthurgau.
Das AP 4G ist aber auch ein Minenfeld, weil es durch die vielen Einzelmassnahmen mit unterschiedlicher Wirkungsweise und die Partikularinteressen der 22 Mitgliedsgemeinden der Regio Wil sehr komplex ist: Zum einen müssen die Bereiche Siedlung, Landschaft und Verkehr in Einklang gebracht werden. Zum anderen können Verbesserungen am einen Ort zu Nachteilen an anderer Stelle führen.
Ein konkretes Beispiel ist die Entlastung der Stadt Wil vom Durchgangsverkehr: Während die von Lärm und Verkehr geplagten Anwohner an der Tonhallestrasse dereinst etwas aufatmen könnten, wehren sich die Anwohner an der AMP-Strasse vorsorglich gegen den drohenden Mehrverkehr durch die geplante Umfahrungsstrasse «Netzergänzung Nord».
Aus der Sicht der Planer hat die Agglomeration Wil aufgrund ihrer Lage an der Achse St.Gallen – Winterthur – Zürich und der damit verbundenen Nähe zu diesen Wirtschaftsräumen und anderseits der teils noch ländlich geprägten Umgebung mit attraktiven Naherholungsräumen «sehr günstige Voraussetzungen, um sich als attraktiver Lebensraum für Wohnen und Arbeiten weiter zu entwickeln und zu etablieren». Diese Vorteile gelte es zu nutzen.
Ob die Entwicklung der Agglomeration Wil erfolgreich sein wird, hängt nach Auffassung der Planer wesentlich von vier Punkten ab.
Die Quintessenz des Agglomerationsprogramms:
«Gelingt der Region die eigenständige Positionierung als Wohn- und als Arbeitsstandort nicht, droht die Gefahr der funktionalen Entleerung.»
Dieser Gefahr möchte die Agglomeration entgegentreten, indem sie ihre Zukunft aktiv gestaltet und ihr Handeln auf das Zukunftsbild ausrichtet.
Abgestützt auf das Strukturbild der Region wurden Zukunftsbilder erarbeitet. Diesen Zukunftsbildern liegen vier Kernüberlegungen zugrunde. Aus der Zukunft betrachtet (z.B. im Jahr 2035 oder später) lesen sich diese etwa so:
Das Zukunftsbild basiert auf dem Strukturbild der Region und den genannten vier Kernüberlegungen. Das bedeutet: Im Vordergrund stehen die Räume, deren Potenziale und Eignungen. Das Zukunftsbild umfasst die Bereiche Siedlung, Landschaft und Verkehr. Nebst dem räumlichen Bild umfasst es agglomerationsspezifische Ziele. Im AP 4G werden neu ausgehend vom Zukunftsbild und vom Handlungsbedarf die konkreten Teilstrategien zur Umsetzung formuliert.
Auf diese wird nachstehend eingegangen. Die Agglomeration Wil verfolgt eine nachhaltige räumliche Entwicklung. Dabei wird die Agglomeration als ein funktional zusammenhängender Raum verstanden, der sich um die beiden Zentren Wil und Uzwil organisiert. Als übergeordnete Ziele stehen vier Entwicklungsaspekte im Vordergrund:
Nebst den übergeordneten Zielen gibt es in den Zukunftsbildern konkrete Zielvorstellungen für jeden der drei Bereiche Siedlung, Landschaft und Verkehr. Das Zukunftsbild des Bereichs Siedlung verfolgt die Aufwertung der regionalen Zentren Wil und Uzwil sowie die Weiterentwicklung der weiteren Ortskerne.
Zugleich unterbindet es die weitere Schwächung der kommerziellen Kerne in den Zentren wie auch in den ländlichen Ortschaften. Weiter sorgt das Zukunftsbild für kompakte Siedlungen und eine räumlich differenzierte Innenentwicklung, priorisiert die Verdichtung an städtebaulich geeigneten Lagen und unter Sicherung einer hohen Siedlungsqualität und sichert innerhalb der Siedlung wichtige Freiräume und steigert die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum durch die Aufwertung der Gestaltung der Strassenräume.
Bezüglich Arbeit schafft das Zukunftsbild mit Wilwest einen attraktiven Entwicklungsschwerpunkt mit überregionaler Ausstrahlung für wertschöpfungsintensive Nutzungen und zielt auf eine für die jeweilige Nutzung raumplanerisch sinnvolle Allokation von Unternehmen und Arbeitsplätzen.
Das Zukunftsbild «Landschaft» verfolgt die Strukturierung, Aufwertung und Weiterentwicklung der Landschaftsräume nach ihren Funktionen. Es sichert die langfristige Freihaltung der offenen Landschaft und somit auch des Kulturlandes, sorgt für die Anbindung der Grün- und Freiräume innerhalb der Siedlung an die Landschaftsräume und sorgt für die gute Erreichbarkeit der Naherholungsgebiete und eine kluge Vernetzung dieser.
Zugleich gewährleistet es den erforderlichen Schutz der Naturlandschaften und wichtiger Naturelemente und setzt das Potenzial der Flussräume und der Gewässerräume differenziert und nachhaltig in Wert und sorgt in empfindlichen Gebieten für die erforderliche Besucherlenkung.
Dieses Zukunftsbild orientiert sich entlang der Grundzüge der Gesamtverkehrskonzepte der Kantone Thurgau und St.Gallen. Es fördert die Attraktivität von ÖV, und LV und leistet einen zentralen Beitrag für die kombinierte Mobilität. Es unterstützt aber auch Infrastrukturmassnahmen für den MIV, die einen Beitrag für einen attraktiven ÖV und LV leisten.
Beim LV sorgt das Zukunftsbild für ein lückenloses, komfortables, sicheres Langsamverkehrsangebot für den Alltags- und den Freizeitverkehr, für ein Wegnetz, das Siedlungskerne und verkehrserzeugende Einrichtungen und Standorte auf attraktive Weise ebenso erschliesst, wie es Naherholungsgebiete gut erreichbar macht. Ausserdem sorgt es für ein engmaschiges, sicheres und attraktives Fusswegnetz in den Siedlungskernen.
Beim ÖV zielt es in den Agglomerationszentren Wil und Uzwil mit den Gemeinden der Zentrumsregion auf ein städtisches ÖV-Angebot ab. Das Zukunftsbild sorgt dafür, dass die Agglomerationsgemeinden mindestens im 30-Minuten-Takt, und die ländlichen Gemeinden mindestens im 60-Minuten-Takt mit den Zentren verbunden sind. Zudem minimiert es die Wartezeiten und sichert komfortable Umsteigebeziehungen ÖV-ÖV und LV-ÖV.
Das Zukunftsbild im motorisierten Individualverkehr verfolgt eine siedlungsverträgliche Organisation des MIV, indem stark befahrene Abschnitte auch für den LV aufgewertet werden, der ÖV keine Behinderungen mehr hat und Staus im Siedlungsraum vermieden werden. Zudem sorgt es für eine Reduktion des MIV auf ein siedlungsverträgliches Mass, insbesondere im Zentrum von Wil, und verhindert durch verkehrsorganisatorische Massnahmen unerwünschten Mehrverkehr.
Das Agglomerationsprogramm 4.Generation ist bis zum 4. Dezember in der öffentlichen Vernehmlassung. In loser Folge geht diese Zeitung auf unterschiedliche Aspekte ein.