Wer löscht in der Zukunft das Feuer?

Die Feuerwehr löscht Brände, rettet Menschen und hilft bei Hochwasser. Doch die Feuerwehrcorps der Region Wil kämpfen nicht nur gegen das Feuer, sondern auch um Nachwuchs.

Tobias Bruggmann
Drucken
Menschen, die das Feuer löschen, sind auch in der Region gesucht. (Bild: Hannes Thalmann)

Menschen, die das Feuer löschen, sind auch in der Region gesucht. (Bild: Hannes Thalmann)

Es ist eine Frage, die wohl jedes Kind mehrmals gestellt bekommt: «Was willst du denn werden, wenn du mal gross bist?» Die Antworten kommen meist wie aus der Pistole geschossen: «Fussballstar, Tierärztin – oder Feuerwehrmann». Den Traum, mit Blaulicht und Sirenen durch die Strassen zu flitzen, um Menschen zu retten und gegen die Flammen zu kämpfen, verwirklichen jedoch immer weniger Kinder.

Deshalb führen die Feuerwehrorganisationen aus der Ostschweiz die Kampagne «firefighters-gesucht» durch. In den regionalen Feuerwehrkorps ist der Bestand jedoch noch ausreichend.

«Wir suchen neue Mitglieder, um jene zu ersetzen, die den Dienst beenden»

sagt Kommandant Thomas Widmer von der Feuerwehr Wil. Von den 150 Feuerwehrleuten würden pro Jahr rund zehn Prozent aufhören. Wil arbeitet in einem Sicherheitsverbund und schützt auch Rickenbach, Wilen und Braunau.

In Uzwil sei der Personalbestand gut, bestätigt Kommandant Mirco Miotto.

«Die Rekrutierung ist jedoch eine stetige Aufgabe einer jeder Feuerwehr und darf nicht vernachlässigt werden.»

Auch in Jonschwil herrscht momentan Optimalbestand. «Wir brauchen immer rund 50 Feuerwehrleute. Weil bisherige im 50. Altersjahr pensioniert werden, müssen wir vorsorgen und am Ball bleiben», erklärt Kommandant Martin Bühler.

Rekrutierungsziel nicht erreicht

Flawil und Degersheim gehören zum «Sicherheitsverbund Region Gossau». «Für den gesamten Verbund brauchen wir 250 Feuerwehrleute», sagt Kommandant Stefan Kramer. Davon müssten pro Jahr 25 ersetzt werden.

«In den letzten Jahren haben wir dieses Ziel nicht erreicht. Das heisst, der Bestand schrumpft.»

Es werde eine immer schwierigere Aufgabe, Leute zu rekrutieren, ergänzt Kramer. «Bei den Jugendlichen ist die Feuerwehr zu wenig bekannt.» Martin Bühler von der Feuerwehr Jonschwil sieht einen anderen Grund:

«Die jungen Leute wollen sich weniger binden. Das Problem haben aber auch andere Vereine.»

Das vielfältige Freizeitangebot sei eine Konkurrenz zur Feuerwehr, heisst es aus der Feuerwehr Wil. Doch nützen die grossen Plakatkampagnen überhaupt? «Die beste Werbung für die Feuerwehr ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. So können wir am meisten Leute rekrutieren. Der natürlichen Fluktuation wird mit der Plakatkampagne begegnet», meint der Uzwiler Kommandant Mirco Miotto.

Zusammenschluss geplant

Genau wie in Wil und Flawil sollen die Feuerwehren von Uzwil, Niederhelfenschwil, Oberbüren, Oberuzwil und Zuzwil zusammengeschlossen werden (Ausgabe vom 6. September). Damit könnten Kräfte gebündelt werden, hiess es in einer Mitteilung. Die Rekrutierung solle aber weitergehen wie bisher.

Ein Zusammenschluss der Feuerwehren helfe mittel- bis langfristig den Bedarf an Feuerwehrleuten zu decken, sagt Kramer. Er kennt die Arbeit im Sicherheitsverbund bereits seit fünf Jahren. Dazu komme ein weiterer Vorteil.

«Wir müssen den ganzen Tag bereit sein, falls etwas passiert. In kleineren Gemeinden, wo es nicht viele Arbeitsplätze gibt und die Bevölkerung an einem anderen Ort arbeitet, ist es während der Arbeitszeiten schwierig, diesen Auftrag zu erfüllen.»

Im Sicherheitsverbund ginge das leichter. Auch in Wil ist man mit der Lösung zufrieden: «Pläne erstellen oder das Material unterhalten geht leicht, wenn man es zentralisiert erledigen kann.»


Geplant ist, dass ab 2020 die neue «Feuerwehr Region Uzwil» ihre Arbeit aufnehmen soll. Dann sind fast alle Feuerwehren in der Region in einem Verbund integriert. Jedoch nur fast: Jonschwil bleibt unabhängig.

«Wir arbeiten bereits gut mit Wil zusammen und führen auch Stabsübungen gemeinsam durch»

erklärt Kommandant Bühler.

Auch wegen Zusammenschlüssen von Feuerwehren haben in den letzten Jahren die Anzahl Feuerwehrorganisationen abgenommen. Gab es 2007 im Kanton St. Gallen noch 70 verschiedene Feuerwehren, wurden im vergangenen Jahr noch 56 gezählt, wie eine Statistik der «Feuerwehr Koordination Schweiz» besagt. Dieser Rückgang ist jedoch klein, im Vergleich zum Kanton Bern, wo der Bestand an Feuerwehrorganisationen innerhalb der letzten zehn Jahren halbiert wurde.

Feuerwehr als Nebenamt


Wenn die Alarmsirene zu heulen beginnt, zählt jede Sekunde – auch dann, wenn die Feuerwehren in Verbünden zusammenarbeiten. Es gelten strenge Vorschriften: Tritt der Notfall ein, dürfen in dicht besiedeltem Gebiet von der Alarmierung bis die Feuerwehr am Einsatzort eintrifft nur zehn Minuten verstreichen.

Die Feuerwehr ist im Milizsystem organisiert. Das heisst, die Feuerwehrleute arbeiten zusätzlich in einem anderen Beruf. Im Ernstfall müssen die Helfer also Maschinen abstellen oder Kunden warten lassen.

«Wir bieten immer doppelt so viele Feuerwehrleute auf, wie wir benötigen. Jeder kann also selber entscheiden, ob er im Beruf abkömmlich ist. Dennoch haben wir genug Einsatzkräfte»

erklärt Kommandant Stefan Kramer.

Feuerwehrdienst oder Ersatzabgabe


Doch eigentlich hat man keine Wahl, ob man den Kindheitstraum Feuerwehrmann verwirklichen will: Es gilt eine allgemeine Feuerwehrplicht für Mann und Frau. Sie kann aber auch geleistet werden, indem man eine Ersatzabgabe bezahlt. Diese ist in jeder Gemeinde unterschiedlich und beträgt meistens rund 15 Prozent des steuerbaren Einkommens. Wer den Dienst leistet, spart das Geld und erhält dazu einen Sold für jeden geleisteten Diensttag.

«Doch wegen des Geldes sollte man nicht in die Feuerwehr»

sagt Martin Bühler aus Jonschwil. Man müsse motiviert sein und helfen wollen, erklärt er. Dazu braucht es körperliche Fitness und ein ärztlicher Test muss vorgängig bestanden werden.

Der Zeitaufwand für die Feuerwehr sei unterschiedlich, erklären die Kommandanten. Meistens ist es eine Übung pro Monat, dazu kommen die Einsätze – in grösseren Gemeinden teilweise über 100, in kleineren rund 20 pro Jahr.

Werkhofmitarbeiter in die Feuerwehr?

Wenn keine Feuerwehrleute gefunden werden, gibt es die Idee Gemeindemitarbeiter, die bereits auf dem Werkhof arbeiten, zur Feuerwehr hinzuzuziehen. In der Region findet das wenig Anklang:

«Eine solche Zusatzverpflichtung würde die Personalsuche für Werkhofmitarbeiter schwieriger machen»

sagt Stefan Kramer. Auch der Wiler Kommandant sieht die Idee kritisch: «Es ist nur bedingt eine Lösung. Bei einem grossen Einsatz sind auch die Mitarbeiter des Werkhofs Teil des Schutzsystems und werden dementsprechend gebraucht. Das heisst, sie fehlen dann der Feuerwehr.»


Den Kindheitstraum Feuerwehrmann zu werden ist also grundsätzlich möglich. Es gibt auch Feuerwehrfrauen – in der Region jedoch die Ausnahme. Der Anteil in den Kompanien beträgt jeweils rund zehn Prozent.