reportage
Die Aussprache zwischen Stadt und Händlern zeigt Wirkung: Die Kühe sind zurück am Wiler Viehmarkt

Im Frühling kamen keine Viehhändler an den Wiler Viehmarkt – aus Protest. Am Dienstag fand der Traditionsanlass wieder statt. Eine Reportage.

Pablo Rohner
Drucken
Patrik Gämperli (links) im Gespräch mit einem anderen Händler.

Patrik Gämperli (links) im Gespräch mit einem anderen Händler.

Bild: Pablo Rohner

«Schön, dass ihr ‹z'Mart› kommt», begrüsst Patrik Gämperli ein Landwirtepaar. Ein kurzer Schwatz, dann kommt der Viehhändler zur Sache: «Ich hätte da eine für dich», sagt er zur potenziellen Käuferin. Der Ton ist vertraulich, man kennt sich.

Die angebotene Kuh beschnuppert das Stroh, als Gämperli ein Datenblatt zückt, um zu erklären, warum sie die Richtige sein soll. Einen Handschlag, mit dem die Geschäfte auf dem Viehmarkt traditionell besiegelt werden, bekommt er zwar nicht. Trotzdem bleibt er optimistisch. Er werde heute schon noch etwas verkaufen.

Patrik Gämperli, Landwirt und Viehhändler aus Bettenau.

Patrik Gämperli, Landwirt und Viehhändler aus Bettenau.

Bild: Pablo Rohner

Gämperli, grünblauer Mantel, schwarze Zipfelkappe, ist einer von sechs Händlern, die an den Wiler Viehmarkt gekommen sind. Wieder gekommen sind, muss man sagen. Bei der letzten Ausgabe im Frühling war der Viehmarktplatz leer geblieben. Die Händler seien aus Protest nicht mehr gekommen, sagt Gämperli – auch er, der im Frühling 2019 noch als einziger mit seinen Kühen aufgefahren sei.

Am Dienstagmorgen ist das anders. Sechs Händler mit knapp 30 Kühen und ein paar Schafen sind gekommen. Etwas weniger zwar als die 40 Tiere, die sich Marktchef Stefan Sieber zum Ziel gesetzt hatte. Trotzdem ist er zufrieden:

Stefan Sieber, Wiler Marktchef.

Stefan Sieber, Wiler Marktchef.

Bild: Pablo Rohner
«Es ging darum, die Leute wieder hier zu haben.»

Der Platz ist belebt, Schulklassen werden durch den Viehmarkt geführt, Bauern fachsimpeln dicht gedrängt im Kaffeepavillon und später in der Festwirtschaft. Die Begrüssung, das Festzelt, Stroh und Sägemehl, das zur Verfügung gestellt wird – diese Dinge hätten in den letzten Jahren gefehlt, sagt Gämperli.

Nach dem Totalausfall im Frühling kam es zu einer Aussprache zwischen den Verantwortlichen der Stadt Wil und einigen Händlern, die jahrelang an den Viehmarkt gekommen waren. Gute Gespräche seien das gewesen, sagt Patrik Gämperli. Die Händler hätten ihre Bedürfnisse klargemacht und «die Stadt war sehr kulant».

Mehrere Wiler Schulklassen buchten eine Führung durch den Wiler Viehmarkt.
6 Bilder
Ein Viehhändler befestigt seine Kühe auf dem Viehmarktplatz.
Neben den 27 Kühen wurden auch Schafe zum Kauf angeboten.
Nach dem Totalausfall im Frühling, präsentierte sich der Wiler Viehmarkt wieder belebt. Eine Neuerung ist die Festwirtschaft im Hintergrund.
Besucher beim Fachsimpeln.
Das Wetter war nasskalt. Die vom Restaurant «Tiger» geführte Festwirtschaft bot Dach und Wärme.

Mehrere Wiler Schulklassen buchten eine Führung durch den Wiler Viehmarkt.

Bild: Pablo Rohner

Gekauft wird immer noch per Handschlag

Patrik Gämperli führt einen Hof im Weiler Bettenau in der Gemeinde Jonschwil. Der Viehhandel hat in seiner Familie Tradition, auch Sohn Manuel ist in Wil dabei. Er erzählt von den – längst vergangenen – Zeiten, als der Viehmarkt in Wil noch jede Woche stattfand, und davon, dass seine Vorgänger auch Kühe in afrikanische Länder exportierten.

Die Traditionen. Auf sie kommt man in den Gesprächen mit den Viehhändlern früher oder später. Zum Beispiel der Handschlag als Kaufvertrag. Patrik Gämperli sagt:

«Heute noch werden hier keine Papiere unterschrieben.»

Er führt vor, wie so ein Handschlag funktioniert: Der Preis wird genannt, Abklatschen. Es wird ein tieferes Angebot gemacht, Abklatschen. Wenn man sich einig ist, gibt man sich die Hand. Wenn beide zudrücken, gilt es.

Viehhändler Patrik Gämperli (links) versucht, einen Bauern von einer Kuh zu überzeugen.

Viehhändler Patrik Gämperli (links) versucht, einen Bauern von einer Kuh zu überzeugen.

Bild: Pablo Rohner

Entschädigung spielt keine Rolle

Auch auf dem Hof der Hinders in Zuzwil wird seit jeher mit Vieh gehandelt. Rolf Hinder ist in fünfter Generation tätig und am Dienstag mit fünf Kühen nach Wil gekommen. «Nicht wegen des Geldes», stellt er klar und lacht. Damit spielt Hinder auf die Auffahrtsentschädigung an, welche von der Stadt von neun auf 20 Franken pro Tier angehoben wurde.

Rolf Hinder, Landwirt und Viehhändler aus Zuzwil.

Rolf Hinder, Landwirt und Viehhändler aus Zuzwil.

Bild: Pablo Rohner

Neben der Tradition könne er am Viehmarkt auch den Kontakt zu den Kunden pflegen. Zudem wolle er mit seinem Erscheinen auch honorieren, wie sich die Stadt um die Händler bemüht hat.

«Es war an uns, jetzt auch unseren Beitrag zu leisten.»

Bald ist es Mittag. Hinder verabschiedet einen Bauern, der sich für eine Kuh interessiert. Eingeschlagen hat er noch nicht. Er wolle sich das Tier auch noch im Stall anschauen.

Über 100 Stände am Othmarsmarkt

Der Viehmarkt findet im Herbst jeweils parallel zum Othmarsmarkt statt. Über 100 Marktfahrerinnen und Marktfahrer boten am Dienstag ihre Waren feil. Wohl aufgrund des nasskalten Wetters hatten Marktchef Stefan Sieber noch einige kurzfristige Absagen erreicht.

Schon am Mittag waren die Gassen in der Altstadt gut gefüllt. René Sigg, der israelische Spezialitäten anbietet, lobte die gute Organisation des Wiler Markts. Am Nachmittag, am Markttag in Wil traditionell schulfrei, nahm das bunte Treiben auch auf der Chilbi auf dem Bleicheplatz Fahrt auf. (rop)

Ein Händler bietet ätherische Öle an.
5 Bilder
Die Verkaufsgespräche sind am Markt mehr als Mittel zum Zweck.
Am Tag des Othmarsmarkts ist in Wil traditionell schulfrei.
Ein der Chilbi-Klassiker: die Schiessbude.
Kinder stehen an für eine Fahrt mit einer Bahn.

Ein Händler bietet ätherische Öle an.

Bild: Pablo Rohner