Störenfried und Zappelphilipp

Gestörte Aufmerksamkeit und Hyperaktivität bis hin zu gestörtem Sozialverhalten sind Symptome der ADHS und ADS.

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Störenfried und Zappelphilipp: Die Ursachen können genetisch sein. (Archivbild: Michel Canonica)

Störenfried und Zappelphilipp: Die Ursachen können genetisch sein. (Archivbild: Michel Canonica)

Schönholzerswilen. Über 120 Zuhörer konnte Fränzi Künzle am Freitag im Namen des Samaritervereins und der Volksschulgemeinde am Nollen in der Mehrzweckhalle in Schönholzerswilen begrüssen. Sie alle waren gekommen, um dem Vortrag von Heinrich Otremba, Spezialarzt für Kinder- und Jugendmedizin aus St. Gallen zum Thema ADS – ADHS, Pro und Kontra Ritalin «Die Suche nach der richtigen Antwort» zu lauschen.

Gestörte Aufmerksamkeit

«Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer.» Dieses Zitat legte Otremba auf den Hellraumprojektor und erstaunte die Anwesenden mit der Aussage, dass diese Zeilen vom griechischen Philosophen Sokrates stammen, der 470 bis 399 vor Christus gelebt hat. Schon immer gab es «Störenfriede» und «Zappelphilippe».

Heute leiden etwa fünf bis sieben Prozent der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen an ADS, der Aufmerksamkeitsdefizitsstörung, oder ADHS, wo noch eine Hyperaktivitätsstörung dazu kommt. Bei diesem Krankheitsbild besteht eine genetisch bedingte Anormalität der neuronalen Signalverarbeitung im Gehirn. Jungen sind deutlich häufiger von dieser in 80 Prozent der Fälle vererbten Störung betroffen als Mädchen.

Die Symptome können sich mit unterschiedlicher Ausprägung bis ins Erwachsenenalter hinein bemerkbar machen. 30 Prozent der Betroffenen leiden «nur» an ADS, bei den anderen 70 Prozent kommen Störungen des Sozialverhaltens, depressive Störungen, Angstzustände, Lernstörungen bis hin zu Tics oder Tourette-Syndrom dazu.

Verschiedene Therapieformen

300 funktionale Therapien stehen Betroffenen zu Verfügung, die richtige zu finden ist ein schwieriger Prozess.

Unterschieden wird zwischen komplementären Therapieformen, (Homöopathie oder diätischen Massnahmen), psychotherapeutischen Behandlungsformen (Einzel- oder familienorientierten Psychotherapien) oder biologisch-medizinischen Behandlungsformen (Medikamente, Entspannungstechniken). «Die alleinige Abgabe von Ritalin wird keinen Erfolg bringen, sondern das ganze Umfeld des Patienten muss <in Ordnung> gebracht werden», so Heinrich Otremba. Ritalin sei ein sehr gut erforschtes Medikament, das bereits 70 Jahre im Handel ist.

Es sei aber keine Therapie, sondern lediglich ein Gehilfe.

Im Anschluss an den Vortrag stellte sich der Arzt einer rege genutzten Fragerunde. Ritalin ist ein schier endloses, emotionales Thema, dennoch musste der Abend nach zwei interessanten Stunden zu Ende gehen. Schulleiter Matthias Gutmann und Behördenmitglied Andrea Bissegger bedankten sich mit einer Gemüsekiste bei Heinrich Otremba.

Bei einem Apéro wurde eifrig über das Gehörte diskutiert und von eigenen Erfahrungen mit den «Tyrannen» erzählt. (mw.)