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Am Standort des Spitals Flawil soll bis Mitte 2024 der Neubau eines Kompetenzzentrums für Gesundheit, Therapie und spezialisierte Langzeitpflege entstehen. Die heutige Spitalliegenschaft wird zurückgebaut. Die neue Eigentümerin, die Unternehmung Solviva AG, will rund 35 Millionen Franken investieren.
Die Tage des Spitals Flawil sind gezählt. Im Juni dieses Jahres werden sämtliche stationären Abteilungen geschlossen und die ambulanten Angebote aufgehoben. Es endet eine Ära, die fast 130 Jahre gedauert hat.
Die Nachfolgelösung heisst «Kompetenzzentrum für Gesundheit, Therapie und spezialisierte Langzeitpflege» – ein Projekt der Solviva AG, eines privat geführten Schweizer Familienunternehmens, welches Gesundheits-, Pflege- und Wohnzentren für Menschen in verschiedenen Lebenssituationen baut und betreibt. Und diese setzt auf einen kompletten Neubeginn: mit einem Neubau. Zwischen 32 und 35 Millionen Franken will das Unternehmen hierfür investieren. «Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Eigentümerschaft für die Zukunft plant und sich langfristig in Flawil niederlassen will», wie Gemeindepräsident Elmar Metzger sagt. Und er ergänzt:
«Das zeigt: «Sie kommen,
um hier zu bleiben.»
Das Engagement der Solviva AG sieht er als Glücksfall. Zwar gehe das stationäre medizinische Angebot für die lokale und regionale Bevölkerung verloren, doch werde das ambulante Angebot in ähnlichem Umfang wie heute erneut zur Verfügung stehen. Das Kantonsspital St.Gallen plane spezialärztliche Sprechstunden und Behandlungen in den Bereichen Orthopädie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Urologie, Kardiologie und Gastroenterologie. Ergänzt würden diese Leistungen mit einer ambulanten Schmerztherapie in Zusammenarbeit mit dem Paraplegikerzentrum sowie privaten Spezialärzten, die sich hier niederlassen könnten.
Die Pläne der Solvia AG sehen den Abbruch eines Grossteils des heutigen Spitalgebäudes vor, da dieses für die Neuausrichtung nicht geeignet ist. Eine Ausnahme bildet der heutige Verbindungstrakt C, der unter anderem die Küche und das Restaurant umfasst. Dieser wird vom Kanton an das Wohn- und Pflegeheim Flawil (WPH) übertragen und dient als Reserve für die spätere Heimerweiterung.
Die Vorarbeiten für das Bauprojekt haben bereits begonnen. Zurzeit wird eine Vorprojektstudie mit der Baubehörde der Gemeinde besprochen.
Nach heutiger Planung ist im Frühling 2022 mit der Baueingabe zu rechnen und im Herbst 2022 mit dem Start des Abbruchs. Die anschliessende Bauphase dauert rund eineinhalb Jahre, sodass das neue Zentrum im Sommer 2024 den Betrieb aufnehmen kann. Die Bauherrschaft rechnet mit einem Investitionsvolumen zwischen 32 und 35 Millionen Franken.
Gemeindepräsident Metzger ist überzeugt, dass davon auch das lokale und regionale Gewerbe profitieren wird: «Solviva hat sich auf die Fahne geschrieben, bei der Realisierung solcher Projekte bevorzugt Betriebe aus der Region zu berücksichtigen.»
Solviva plant ein Angebot von rund 70 Betten für die spezialisierte Langzeitpflege von Personen mit weitergehenden, komplexen Pflege- und Betreuungsbedürfnissen. Das Pflegeangebot richtet sich an Patientinnen und Patienten aus der ganzen Schweiz und grenzt sich klar ab von den Pflegeleistungen des angrenzenden Wohn- und Pflegeheims Flawil. Solviva führt ausserdem Verhandlungen mit einer schweizweit tätigen Organisation, die im Bereich Hirn-Schädel-Verletzungen tätig ist und im neuen Kompetenzzentrum ein spezielles Pflegeangebot aufbauen will.
Mit an Bord ist auch das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil (SPZ), welches in Flawil, neben Bellinzona und Lausanne, einen dritten Aussenstandort für die ambulante Betreuung von querschnittgelähmten Personen sowie von Personen mit komplexen neurologischen Erkrankungen plant. Wobei der Fokus auf der wohnortnahen ambulanten Beratung und Behandlung von spezifischen paraplegiologischen Fragestellungen, der Therapie und des Coachings im Rahmen der lebenslangen Betreuung und Begleitung liegt.
Während des Rück- und Neubaus können auf dem Spitalgelände während einer Übergangszeit keine Leistungen angeboten werden. Das Kantonsspital St.Gallen wird jedoch ein ambulantes Grundangebot in den Räumlichkeiten des Ärztezentrums Flawil weiterführen. Dieses umfasst Sprechstunden in den Bereichen Orthopädie, Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Urologie.
Die niedergelassene Ärzteschaft hat ihre Notfallorganisation angepasst und wird ab Anfang Juni 2021 in diesem Bereich mit dem Spital Wil zusammenarbeiten. Ein rund um die Uhr geöffnetes Notfallzentrum am Standort Flawil erachtet sie aufgrund der Nähe zu den Notfallspitälern St.Gallen und Wil als nicht notwendig (Ausgabe vom 2. April 2021).
Der hausärztliche Notfalldienst kann die Notfallversorgung zusammen mit dem Rettungsdienst wie bisher sicherstellen. Neu ist, dass ab 1. Juni 2021 Anrufe auf die hausärztliche Notfallnummer nach 23 Uhr ans Spital Wil umgeleitet werden. Schwere Notfälle gelangen via die Notrufnummer 144 und den Rettungsdienst direkt ins nächstgelegene Akutspital.
Die stationären Angebote Palliative Care und Schmerztherapie werden Ende Juni 2021 nach St.Gallen verlegt. Infolge des Neubauvorhabens ist der ursprünglich für eine fünfjährige Übergangsfrist geplante Weiterbetrieb nicht im vorhergesehenen Umfang möglich.
Alle Mitarbeitenden des Spitals Flawil haben die Möglichkeit erhalten, an den Standort St.Gallen zu wechseln. Die heute gemeinsam vom Spital und dem Wohn- und Pflegeheim Flawil betriebene Küche wird durch das Wohn- und Pflegeheim übernommen. Ein Teil des Küchenpersonals (rund zehn Mitarbeitende) wird deshalb durch das WPH weiterbeschäftigt.
Das Spital Flawil beschäftigt heute rund 250 Mitarbeitende. Diese Arbeitsplätze gehen verloren, werden jedoch durch neue, wenn auch andere ersetzt. Elmar Metzger sagt: «Die Zahl der Beschäftigten wird mittelfristig mit jener des heutigen Spitals vergleichbar sein.»
Die ersten Reaktionen der Parteien sind mehrheitlich positiv. «Die FDP begrüsst die Spitalstrategie für Flawil und freut sich, dass ein attraktives Angebot mit vielen Arbeitsplätzen geschaffen wird», sagt Präsident Roland Roos. Ähnlich sehen dies die Grünen Wil-Land. Positiv sei, dass die Nachfolgelösung Gestalt annimmt und, mit dem Kompetenzzentrum, bereits weit fortgeschritten ist.
Für die SP ist die vorliegende die zweitbeste Lösung. Sie bangt um die Grundversorgung und glaubt nicht an das Versprechen des Kantonsspitals, im Neubau ein breites Angebot an ambulanten Dienstleistungen zu führen. Dennoch sagt Präsident Marco Lüchinger:
«Die SP möchte, dass sich die Gemeinde für diesen Neubau einsetzt. Sie sollte sich aber nochmals mit der besseren Anbindung des Spitals ans Bahnperron befassen.
Aufgrund der Neuausrichtung sei die verbesserte Anbindung noch wichtiger als zuvor. «Patienten mit Hirnverletzungen und Gehbehinderungen sind auf einen möglichst einfachen Zugang vom und zum Bahnhof angewiesen.» Aufgrund der Spezialisierung der Spitals würden ausserdem mehr Patienten und Besucher von auswärts anreisen als bisher.