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Am Sonntag beginnt die neue Saison der Männer mit dem Riesenslalom in Sölden. Mit dabei ist auch der Wiler Cédric Noger. Der 26-Jährige hat sich zum ersten Mal überhaupt für ein Weltcup-Rennen qualifiziert. Der Weg dahin war nicht einfach - die Geschichte eines jungen Athleten, der es seinen Kritikern gezeigt hat.
Eigentlich ist der Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher in Sölden nur ein Rennen. Nicht so für Cédric Noger. Der Wiler hat sich in teaminternen Ausscheidungen gegen zwei jüngere Fahrer durchgesetzt, die ihm etwas voraus haben – sie absolvierten bereits Weltcup-Rennen. Umso grösser war die Freude des 26-Jährigen über seine bevorstehende Premiere:
«Dass mein Bubentraum endlich Realität wird, macht mich überglücklich. In der Nacht vor den Ausscheidungsläufen war ich nervös.»
Bereits vor einem Jahr war Noger nahe dran an einer Weltcup-Teilnahme. Doch er scheiterte in den Qualifikationsläufen. «Damals machte mir die Nervosität noch einen Strich durch die Rechnung.»
Eigentlich untypisch für Noger, zeigt er doch sonst kaum Nerven. «Wenn ich gute Trainings absolviere und so Vertrauen gewinne, bin ich an Rennen entspannt und kann in der Regel noch eine Schippe drauflegen.»
Ein Rennen und ein Qualifikationslauf seien allerdings nicht miteinander zu vergleichen. Wo der Unterschied genau liegt und weshalb er dieses Mal seine Nerven in Griff hatte, weiss Noger zwar nicht. Doch er sagt:
«Ich wollte diese Chance, ein Weltcup-Rennen fahren zu können, unbedingt packen. Denn ich war mir bewusst, dass sich eine solche Gelegenheit so schnell nicht wieder bieten würde.»
Dass Noger Weltcup-Rennen bestreiten würde, hatte sich bereits früh abgezeichnet. In Jugendjahren zählte er zu den grösseren Schweizer Nachwuchshoffnungen. Spätestens in der Saison 2012/13 machte er mit dem dritten Rang an den Schweizer Meisterschaften im Riesenslalom auf sich aufmerksam. Nicht wenige Experten trauten ihm einiges zu. Weshalb dauerte es schliesslich doch fünf Jahre bis zur Weltcup-Premiere?
Nach erfolgreicher Matura am Sportgymnasium Davos hatte Noger als Skifahrer stagniert. Deshalb entschied er sich, mit dem österreichischen Trainer Dietmar Thöni zusammenzuarbeiten. Ein Entscheid, der sich auszahlen sollte.
Der Wiler zeigte eine starke Saison und liess sich an den Riesenslalom-Meisterschaften 2013 nur vom späteren Super-Kombination-Olympiasieger Sandro Viletta und Gino Caviezel bezwingen. Der Leistungssprung blieb nicht unbemerkt.
Auf die Saison 2013/14 wurde Noger ins C-Kader von Swiss Ski berufen. «Ich dachte, jetzt geht es so richtig los», erinnert er sich. Doch dem war nicht so. Was folgte, war seine schwierigste Phase.
Ins Detail will Noger nicht gehen, was seine damalige Zeit im Kader betrifft. Im Gespräch wird aber deutlich, dass sie Spuren hinterlassen hat. Er sagt:
«Das meiste, was ich unter Thöni lernte und mich schnell machte, wollten die Kader-Trainer mir abgewöhnen.»
So war Noger gezwungen, Kompromisse einzugehen und Dinge auszuprobieren, von denen er nicht restlos überzeugt war. Er erinnert sich:
«Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl. Und da ich ein sensibler Mensch bin, der Vertrauen braucht, brachte mich das ins Tief.»
Schliesslich wurde er nach nur einem Jahr aus dem Kader gestrichen. Das überrascht, wird doch in der Regel jedem Athleten zwei Jahre Zeit gegeben, um sich zu beweisen.
Weshalb dies bei ihm nicht der Fall war, weiss Noger nicht. Offensichtlich ist für ihn aber:
«Der Rauswurf hat mich in meiner Entwicklung gebremst. Ich brauchte zwei Jahre, um wieder mein gewohntes Niveau zu erreichen und bis ins B-Kader aufzusteigen.»
Ans Aufgeben dachte Noger, der sich weniger als grosses Talent denn als «harter Arbeiter» sieht, nie. «Es gab nur Momente, in denen ich mich fragte, wie weiter», so Noger. Wie aber schaffte er es zurück?
Eine wichtige Rolle spielte die Unterstützung seiner Familie, seiner engsten Freunde – und jene seines Trainers Thöni, der ihn nach dem Ausscheiden aus dem Kader auf seinem Weg zurück betreute. «Genauso wie ich haben sie alle an meine Rückkehr und eine Weltcup-Teilnahme von mir geglaubt.»
In der Skiszene sei er für seinen ungebrochenen Glauben zur erfolgreichen Rückkehr eher etwas belächelt worden, sagt Noger. Unterkriegen liess er sich davon aber nicht. Mit der erstmaligen Qualifikation für ein Weltcup-Rennen hat es der Wiler seinen Kritikern gezeigt. Er sagt:
«Ich verspüre schon eine gewisse Genugtuung. Aber vor allem ist es eine Bestätigung, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.»
In Sölden möchte Noger, der etwa als 45. bis 50. des ersten Laufs starten wird, «das Maximum herausholen». Auf einen Rang möchte er sich nicht festlegen. Offensichtlich ist aber: Noger ist nicht nach Sölden gekommen, um einfach Erfahrungen zu sammeln.