Simon Enzler in der Tonhalle Wil: «Wer behauptet, hat immer recht»

Nachdem Simon Enzler im Januar schon im Chällertheater in Wil war, gastiert er nun dreimal in der Tonhalle.

Michael Hug
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Denkt nach und schwadroniert: Simon Enzler am Donnerstagabend in der Wiler Tonhalle.

Denkt nach und schwadroniert: Simon Enzler am Donnerstagabend in der Wiler Tonhalle.

Bild: Michael Hug

Der Coup gelang dem Chällertheater im Januar, als es den Komiker Simon Enzler exklusiv verpflichten konnte. Man habe bei der Vertragsunterzeichnung nicht gewusst, dass Enzler auch mit der Tonhalle in Verhandlung stehe, sagte Christa Elser, Programmchefin im Chällertheater, damals. Egal – man hatte den Appenzeller gebucht, komme nachher was wolle. Dass der «Chäller» mit seiner beschränkten Zahl an Sitzplätzen ausverkauft sein würde, war schon im Voraus klar. Und dann kam es auch noch zu einer Überraschung: Vertreter der Stadt Wil platzten in die Vorstellung und gratulierten dem Chällertheater zu seinem 40.Geburtstag.

Doch Marcel Walker, Enzlers Manager, wusste, dass sehr viel mehr Wilerinnen und Wiler den Innerrhoder Comedy-Star gerne sehen und erleben wollten. Also setzte er gleich drei Vorstellungen in der Tonhalle an, einen Monat nach der Vorstellung im Chällertheater.

Solid lästernd, fluchend und erhellend

Walker bekam recht: Die erste Vorstellung am Donnerstag war gut verkauft, die vom Freitag war fast und die von heute Samstag sogar ausverkauft. Somit dürften an die 1000 Besucher den Appenzeller an allen vier Vorstellungen gesehen haben. Für Simon Enzler ist das ein schöner Erfolg, obwohl er dafür vier Mal auftreten musste. Doch vier Auftritte bedeuten auch vier Gagen – Enzler freuts, Walker vielleicht eher weniger. Trotzdem gut gelaunt, stellte er sich am Donnerstagabend persönlich an die Abendkasse und verkaufte Tickets: «Es ist eine Möglichkeit, meinen Künstler mal zum Abendessen einzuladen, denn sonst sehe ich ihn ja nie!»

Der Künstler, Simon Enzler, zeigte derweil sein Programm «wahrhalsig». Solid lästernd, fluchend und manchmal auch erhellend bewegte er sich dabei eineinhalb Stunden lang zwischen Wahrheit und waghalsiger Unwahrheiten. Gerne spielt Enzler mit Vexierbildern, diesmal gleich schon zu Beginn in einem gespielten Telefonsketch. Er möchte eigentlich seinen alten VW-Bus «Louisa» verkaufen, das Publikum versetzt er aber in den Glauben, dass es sich um seine Frau (Freundin, Haushälterin, achtfach bereift) handelt. Wer glaubt, ist selber schuld, bemerkt er ganz nebenbei. Dann zum Publikum gewandt, erzählt er, wie es zu diesem Verkauf gekommen sei: Geschäftsidee, Selbstständigkeit, Foodtruck, Konkurs, Liquidation. Jetzt muss der Truck weg.

Man muss es nur laut in die Welt hinaus schreien

Er selbst hat derweil eine neue Stelle gefunden – beim Konkursamt. Da wo Leute ein und aus gehen, die den «Arsch voll Scholde hend und de Rescht tätowiert, die arme Sieche die!» Viel «Schtriit Fuud» im Sinn von Streiten, Futter für Anwälte also, und schon ist Enzler beim nächsten Thema: der Wahrheit. Nicht wer Wahres erzählt, hat recht, sondern der, der irgendwas nachhaltig genug behauptet. Wenn man es laut in die Welt schreit, dann glaubt es die Menschheit auch. Und die sei eben dumm. Warum das so ist: Übrig geblieben in der Evolution sind nur Angsthasen, weil die Mutigen beim Ausprobieren ums Leben gekommen sind. «Sönd doch aalls Hoselädderi!» Der erste Mensch, der über das Wasser gehen wollte, sei dabei ertrunken. Darauf hätten alle Angst gekriegt und das Schwimmen gelernt. Die Mutigen sind nun tot, die Überlebenden glauben jeden Mist. Der Beweis dafür sind die krass steigende Zahl der Möchtegernallergiker, Vegetarier, Frutarier und derer, die «mindeschtens drizäh Woche Feeri hend im Joor!»

Man lacht, auch wenn man weiss, wen er meint, oder vielleicht gerade deshalb. So schwadroniert sich Enzler durch sein Programm, flucht, rabaukt und weiss genau, wen er aufs Korn nimmt: die, die nicht da sind.