Wer sein überschüssiges Obst zu einem Schnaps brennen will, übergibt die verarbeiteten Früchte einem Lohnbrenner oder einer Lohnbrennerin. In den letzten neun Jahren brachten an die 1300 Kundinnen und Kunden ihr Obst zu Judith Brunschwiler nach Oberuzwil. Die Brennerei wird fürs Erste stillgelegt.
Die überschüssigen Kirschen, Quitten oder Birnen zu etwas Hochprozentigem brennen lassen? Für Obstbaum-Besitzerinnen und -Besitzer dürfte der Weg zum Lohnbrenner im Herbst länger werden. Denn noch ist unklar, ob die Oberuzwiler Brennerei an der Flawilerstrasse ihre Brenntätigkeit fortführen kann. Im Moment sieht es nicht danach aus.
Seit 2014 brannte an diesem Standort Judith Brunschwiler Schnäpse aus fast allem, was sich verschnapsen lässt. Neben Fruchtbränden kamen in den letzten Jahren auch Gin, Kräuterliköre, Whisky und Rum dazu. Neben der Lohnbrennerei, wo Früchte im Auftrag von Privaten destilliert werden, hat Judith Brunschwiler vor kurzem gemeinsam mit ihren zwei Kindern Anja und Remo in die eigene Produkte-Linie investiert. Dass die Brennerin, die an der Flawilerstrasse eingemietet war, dem Standort nun den Rücken kehrt, ist mehr als aussergewöhnlich.
Judith Brunschwiler hat das Mietverhältnis laut eigenen Aussagen per 30. April gekündigt. Auch wenn sie gerne weiterhin für ihre Oberuzwiler Stammkundschaft destilliert hätte, kam die Weiterführung ihrer Tätigkeit an diesem Standort nicht in Frage. Was ist geschehen?
Nach neun Jahren, während denen sie an der Flawilerstrasse eingemietet war, wurde der Lohnbrennerin mitgeteilt, dass die Liegenschaft per 1. Mai an den Nachbarn Marcel Kopp verkauft wurde und Werner Vögelin künftig Inhaber der Brennerei sei. Letzterer habe beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) die Konzession für die Lohnbrennerei beantragt – seit 2014 lief die Brennkonzession über Judith Brunschwiler.
An einer Zusammenarbeit mit Herrn Vögelin war die 57-Jährige nicht interessiert. «Das würde ja bedeuten, dass ich nach 30 Jahren Selbstständigkeit ohne Arbeitsvertrag als Mitarbeiterin arbeiten soll», schreibt Judith Brunschwiler auf Anfrage. Weder über den Verkauf der Liegenschaft noch den Besitzerwechsel der Brennerei sei Brunschwiler im Vorfeld informiert worden.
Ob in Oberuzwil künftig Schnaps gebrannt wird, ist alles andere als gesichert. Denn Werner Vögelin hat die Konzession nicht erhalten. «Mit der Ablehnung der Lohnbrennkonzession durch das BAZG muss die traditionelle Brennerei in Oberuzwil leider stillgelegt werden», schreibt Werner Vögelin auf Anfrage. Aus welchen Gründen die Konzession nicht erteilt wurde, darüber wollen sich weder er noch das BAZG äussern.
Ob Werner Vögelin die Brennerei nun verkauft oder den Standort für andere Zwecke nutzen wird – darüber will er ebenfalls keine Auskunft geben. Auch Marcel Kopp, der Inhaber der Liegenschaft, weiss nicht, wie es um die Zukunft der Brennerei in Oberuzwil steht. Wirklich zufrieden mit dem Status Quo dürften keine der beteiligten Parteien sein.
Wo die 1300 Kundinnen und Kunden von Judith Brunschwiler künftig ihren Schnaps brennen werden, ist somit unklar. Im Kanton St.Gallen gab es bis vor kurzem noch 18 Lohnbrennereien. Doch genauso relevant wie die Anzahl Betriebe ist das Volumen und die Kapazität der Brennhäfen, sowie das Know-how der Brennerinnen und Brenner. Mit Judith Brunschwiler verlässt eine Lohnbrennerin Oberuzwil, die in der Brennerszene einen sehr guten Ruf geniesst. Mit der Auslastung der zwei 250-Liter- und des einen 150-Liter-Brennhafens ist die Lohnbrennerin sehr zufrieden gewesen.
Die nächste Brennerei befindet sich in Henau bei Getränke Fraefel. Laut Aussagen von Arthur Fraefel, der die Hauptverantwortung über die Geschäfte vor einigen Jahren an seinen Sohn Stefan Fraefel übergeben hat, seien bisher erst eine Handvoll Kundinnen und Kunden zu ihm gewechselt. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, da die Brennsaison in der Regel erst im Juli mit der Annahme der Kirschen startet.
Während in Oberuzwil die Brennhäfen derzeit Staub ansetzen, glänzt in Neu St.Johann seit Ende März die brandneue 250-Liter-Brennapparatur der Toggenburg Distillery GmbH (diese Zeitung berichtete). Hinter dem Unternehmen stecken Robert Häne, Marek Elias und Daniel Egli. Erstere zwei haben im Jahr 2019 den Bermontis Kräuterlikör lanciert, der im Rahmen einer Diplomarbeit entstanden ist. Die dafür notwendigen Destillate wurden bis vor kurzem in Oberuzwil in der Brennerei von Judith Brunschwiler destilliert.
Neu brennt sie sämtliche Produkte in der Brennerei in Neu St.Johann. «Ich bin für den Inhalt der Flasche zuständig», schreib Brunschwiler, die sich über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Neuunternehmern freut. Dennoch betont sie, dass die Aufgabe der Lohnbrennerei in Oberuzwil, ausser dem zeitlichen Zusammentreffen, nichts mit der Neueröffnung im Toggenburg zu tun habe.
Neben der bereits erhaltenen gewerblichen Brenn-Konzession hat die Toggenburg Distillery nun auch noch jene für den Lohnbrand beantragt. Somit könnten einige Schnapsproduzenten ihr Hochprozentiges auch in Zukunft von Judith Brunschwiler brennen lassen.