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Marijanka und Beat Holenstein beenden ihre Wirtetätigkeit in der traditionsreichen Gaststätte in Oberuzwil. Die Gaststube wird zu einer Wohnung umgebaut.
«Wir verabschieden uns ungern von unseren treuen Stammgästen», sagen Marijanka und Beat Holenstein. Das Restaurant Rose fällt nicht wie andere dem Coronavirus und den damit verbundenen Massnahmen zum Opfer, welche die Gastronomie hart treffen. «Schon vorher war klar, dass wir unsere Wirtetätigkeit Ende Jahr beenden werden», betont Beat Holenstein. Die Gaststube wird künftig nicht mehr als solche genutzt und zu einer Wohnung umgebaut.
Die «Rose», im Jahr 1880 an der Wiesentalstrasse erbaut, war ein Dorfrestaurant mit bunter Gästeschar. Besuchten Freisinnige mit Vorliebe das «Rössli», traf sich die Arbeiterschaft in der «Rose». Ein Tabaklädeli war einst dem Restaurant angegliedert. Dann zählte eine offene Kegelbahn zum Angebot. Später entstand ein Zehn-Meter-Luftgewehrstand für die Bichwiler Militärschützen. 2005 folgte die Erweiterung des Aussenbereichs, und das Restaurant wurde komplett erneuert. Das war mit einer beträchtlichen finanziellen Investition verbunden.
Znüni und Mittagessen gehörten zum Angebot. Tradition hatten die närrischen Tage. Die «Rose» war zuletzt das einzige Lokal in ganz Uzwil und Oberuzwil, in dem die Fasnacht noch gepflegt wurde. In den Siebzigerjahren erlangte die Ostschweiz den legendären Ruf der Beizenfasnacht. Oft kamen Neugierige auch von weither angereist, um dekorierte Lokale und knapp bekleidetes weibliches Personal zu besuchen. Sitzplätze waren rar.
1970 hatten Cécile und Sepp Holenstein diese Art Fasnacht in der «Rose» ins Leben gerufen. Deren Sohn Beat übernahm das Lokal 1997 und führte die Tradition weiter. «Damit konnten wir gute Umsätze erzielen», erzählt Holenstein. Aber auch die Metzgete waren beliebt. An der Chilbi herrschte Stimmung, wenn jeweils ein Duo zu musikalischer Unterhaltung aufspielte.
Marijanka Holenstein steht seit 15 Jahren an der Seite ihres Ehemannes. Sie sagt: «Während dieser Zeit hat sich vieles verändert.» So bekam die Gastronomie den gesellschaftlichen Wandel stark zu spüren. Das liegt an den Lebensentwürfen der Menschen: Sie brauchen Dörfer hauptsächlich zum Schlafen. Obwohl auch Oberuzwil wächst, immer mehr Menschen hier wohnen, verlieren Beizen Kunden, schwindet die Identität mit dem Wohnort und dessen Dienstleistungen.
«Wir haben viel Umsatz verloren», sagt Beat Holenstein. Neben dem gesellschaftlichen Wandel hätten Impulse von aussen in Form von Geboten und Verboten die Geschäftstätigkeit erschwert. Der Gastwirt erwähnt die Promillegrenze beim Autofahren und das Rauchverbot. So habe er gehofft, mit der Verkleinerung des Lokals durch den Wegfall des Saales eine Raucherbeiz führen zu können.
Doch die strengen Gesetze im Kanton St.Gallen hätten dieses Vorhaben verhindert. Holenstein versteht mit Bezug auf das Rauchverbot bis heute nicht, weshalb er als Hauseigentümer nicht selbst über die Nutzung der eigenen Liegenschaft entscheiden darf. Dass im Nachbarkanton Thurgau ein weit lockeres Regime herrscht, kann er nicht nachvollziehen. Und dass er seine kleine Gartenwirtschaft auf der Terrasse der Lelechtenstrasse aufgrund einer Einsprache nicht weiterführen konnte, verstärkt seinen Unmut.
Doch Beat Holenstein mag sich nicht weiter ärgern. Sondern erinnert sich an unzählige gemütliche Stunden in der «Rose». Dann wurde am Stammtisch politisiert und diskutiert. Oder ein Jass geklopft. Viele Vereine kamen abends manchmal unangemeldet hierher. «Dann war das Restaurant gerammelt voll, und Küche und Service waren gefordert», erinnert sich Marijanka Holenstein. Sie erwähnt einen Gast, der sechs Schnitzel nacheinander verspeist hat.
Mit der «Rose» verschwindet ein traditionsreicher Betrieb im Herzen von Oberuzwil. Das ist nicht nur für das Wirtepaar mit Wehmut verbunden. Marijanka und Beat Holenstein bedanken sich bei allen Gästen, die dem Lokal bis zuletzt die Treue gehalten haben. Dazu zählt der Seniorenstamm, zu dem sich die ältere Generation jeweils montags traf.
Das Wirtepaar orientiert sich beruflich neu. Beat Holenstein wird sich weiterhin im Transportbereich betätigen. Seine Gattin Marijanka, ausgebildete medizinische Praxisassistentin, strebt eine Weiterbildung im Gesundheitsbereich an. Die «Rose» wird ihren Charakter verändern: Sie wird künftig kein Ort der Einkehr, sondern alleine noch Wohnhaus sein. Doch die Erinnerung bleibt.