In der Vergangenheit waren in der Äbtestadt immer wieder Truppen einquartiert. Mal kamen sie als Gäste, mal als Besatzer.
In der Ausgabe der «Wiler Zeitung» vom 15.März 1871 wenden sich Unteroffiziere, Korporale und Soldaten der internierten Bourbaki-Armee an die Wiler Bevölkerung:
«Wir Alle, vom gleichen Zuge beseelt, sprechen Euch, Einwohner von Wyl, den lebhaftesten Dank aus, Euch, die Ihr, geleitet vom Gefühl der Gastfreundschaft, in weitgehendster Zuneigung für uns alles gethan, was immer als Bedürfniss erschien!»
Für die Grosszügigkeit zu danken, sei den französischen Armeeangehörigen eine «heilige Pflicht».
Die in Wil einquartierten Soldaten müssen sich bei ihrer Ankunft in einem erbärmlichen Zustand befunden haben. Während des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 drängte das deutsche Militär die französische Ostarmee unter dem Kommando von General Bourbaki in den Jura ab. Die Schweizer Armee mobilisierte ihrerseits Truppen, um die Landesgrenzen im Neuenburger und im Waadtländer Jura zu schützen.
Der Nachfolger von General Bourbaki, der nach einem Suizidversuch abgelöst worden war, ersuchte den Bundesrat schriftlich, die neutrale Schweiz möge seine Armee vorübergehend aufnehmen, um damit ein Massaker zu verhindern. Die Soldaten seien geschwächt und kampfunfähig. Die Landesregierung willigte ein. Am 1.Februar überschritten ab 5 Uhr morgens 87'000 erschöpfte und demoralisierte Soldaten die Grenze zur winterlichen Schweiz.
Das Schweizerische Rote Kreuz musste über 200 Gemeinden finden, welche die internierten Soldaten bei sich aufnahmen und versorgten. 200 französische Armeeangehörige wurden Wil zugeteilt und im Kornhaus am Fuss des Hofberges einquartiert.
Die 2'205 Wilerinnen und Wiler, die damals in der Stadt lebten, betreuten die Internierten gut. Im Dankesschreiben in der «Wiler Zeitung» heisst es weiter:
«Tausendmal Dank, theure Bürger, für alle diese ausgezeichneten Beweise brüderlicher Humanität, die Ihr ununterbrochen uns gegenüber an den Tag legt.»
Ab Mitte März 1871 kehrten die Soldaten in ihre Heimat zurück. Die Unkosten von über 12 Millionen Franken für die Verpflegung und Unterbringung der Bourbaki-Armee in der Schweiz übernahm Frankreich. Das bekannte monumentale Bourbaki-Panorama in Luzern des Genfer Künstlers Edouard Castres von 1881 veranschaulicht das Elend der Soldaten, die sich in die Schweiz retten konnten.
Die Aufnahme und Versorgung der geschwächten Truppen gilt als wichtiger Meilenstein in der humanitären Tradition der Schweiz.
Die Aufenthalte fremder Truppen in Wil waren nicht immer Ereignisse, die zu Dankbarkeit Anlass gaben. Um 1712 waren bei einer Belagerung die Kanonen der Zürcher und der Berner Truppen auf Wil gerichtet. Sie waren bei Rickenbach, bei Wilen sowie im Bergholz aufgestellt. 2000 Mann an Thurgauer und Toggenburger Soldaten unterstützten die Angreifer.
Es war die Zeit des Toggenburgerkrieges, der auch Zweiter Villmerger Krieg genannt wird, Auslöser waren konfessionelle Spannungen. Nach sechs Tagen war die Wiler Abwehr gebrochen. Mit ein Grund war der äbtische Truppenkommandant in Wil, der sehr unbeliebt war. Ein Teil seiner Soldaten setzte sich ab. In der Folge besetzten Zürcher und Berner Truppen Wil. Sechs Jahre lang war die Äbtestadt danach unter Fremdherrschaft. Die Wiler Steuerpflichtigen hatten viele Jahre an den finanziellen Folgen dieser Auseinandersetzung zu tragen. (az)