Die Altstadt Wils sei von prächtigem Typus, allerdings irritiere die Ruhe die Besucher. Dies und noch viel mehr hält eine Analyse von «Netzwerk Altstadt» fest. Am Donnerstag wurden die Ergebnisse der Altstadtvereinigung Wil präsentiert.
WIL. Er schleicht beharrlich durch die Gassen der Schweizer Altstädte und niemand kann ihn aufhalten. Die Rede ist vom Strukturwandel. Oft sieht man ihn Hand in Hand mit dem sterbenden Detailhandel, mit leerstehenden Flächen und einem Wertezerfall der Liegenschaften. Während Altstädte früher als wichtiger Marktplatz galten, verschiebt sich das Einkaufsverhalten heute immer mehr in die Peripherie – schon der Mobilität wegen. Mit solchen Entwicklungen beschäftigt sich Netzwerk Altstadt, ein Kompetenzzentrum für Altstadtfragen, das auch eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Expertenwissen bietet. Die Stadt Wil beauftragte Netzwerk Altstadt, die Situation in Wil zu analysieren.
Das Netzwerk Altstadt nahm im Rahmen dieser Stadtanalyse einerseits das Gesamtbild der Wiler Altstadt und deren Einbettung in die Umgebung unter die Lupe. Andererseits wurde die Nutzung bezüglich Wohnen, Läden, Gastronomie, Verkehr und öffentliche Räume beurteilt.
Der Wiler Altstadt wird in der Analyse eine hohe Wohnqualität attestiert. Diese gute Ausgangslage habe aber auch ihre negative Seite, schreiben die Verfasser. «Die Altstadt macht teilweise einen zu aufgeräumten und leeren Eindruck. Es besteht die Gefahr, dass sie sich zusehends zum Edel-Wohnviertel entwickelt.» Hier empfiehlt Netzwerk Altstadt, eine belebende Wohn-Mischkultur anzustreben, architektonische Farbtupfer zu setzen und vermehrt Familien zum Wohnen anzulocken. Bei den Fassaden gebe es noch viel Gestaltungspotenzial. Als stimmungsvoll beurteilt Netzwerk Altstadt die hochwertigen Angebote in den Läden. Allerdings seien diese keine Frequenzbringer. Es müsse daher mit einer genussorientierten gehobenen Kundschaft gearbeitet werden. Dies sei möglich, indem sich die Geschäfte im Bereich besondere Angebote und hochwertige Güter positionieren. Um die Kunden anzulocken, empfiehlt Netzwerk Altstadt einen Empfangsbereich am unteren Ende der Altstadt zu schaffen, sei es in Form eines Pavillons oder einer Bar mit Aussenbewirtschaftung. Stadtplaner René Haefeli, der die Analyse an der Mitgliederversammlung der Altstadtvereinigung präsentierte, lobte in diesem Zusammenhang die letztjährige Aktion von Späti Wohnkultur und Pickfein. Die beiden Geschäfte verwandelten den Bärenplatz jeweils am Samstag zu einem Café, was auch dieses Jahr wieder geplant ist.
«Die Altstadt Wils ist zu grossen Teilen intakt und von prächtigem Typus. Die inzwischen eingekehrte Ruhe irritiert den Besucher», lautet die Beurteilung von Netzwerk Altstadt zum Gesamterscheinungsbild. Obwohl die Altstadt an die gut frequentierte obere Bahnhofstrasse grenzt, bleibt der Passantenfluss über die Weierstrasse aus. Netzwerk Altstadt empfiehlt, Knotenpunkte entlang der Stadtachse zwischen Bahnhof und Altstadt als Plätze zu gestalten. So etwa im Bereich Migros und Schwanenkreisel aber auch zwischen Fussgängerzone und Altstadt. Auch die obere und untere Vorstadt sollen entwickelt werden. «Wenn diese Stadtteile mehr Wert erhalten, nützt das auch der Altstadt», erklärt Stadtplaner René Haefeli. Allerdings bedingt dies, dass die Strasse zurückgebaut wird und im Gegenzug Raum für Vorgärten und Vorplätze entsteht.
Die Entwicklung der Altstadt sei kein Wunschkonzert, betonte Stadtplaner René Haefeli. Es bedürfe der Mitarbeit und Mitverantwortung verschiedener Interessengruppen. Das sieht auch Marcel Berlinger, Präsident der Altstadtvereinigung so. Er möchte nun eine breit abgestützte Projektgruppe einsetzen, die zusammen mit der Stadt Massnahmen erarbeitet – dies in Begleitung eines externen Büros und basierend auf der aktuellen Analyse. Deren Verfasser finden auch lobende Worte für die Äbtestadt. «Wil hat vieles richtig gemacht und dient vielen Städten als Vorbild», heisst es in der Zusammenfassung.
Bei den Mitgliedern der Altstadtvereinigung schien so manche Empfehlung des Netzwerk Altstadt den Nerv getroffen zu haben. So stieg der Geräuschpegel während der Präsentation zuweilen etwas an.
Im Grossen und Ganzen nahmen die rund 30 Anwesenden die Analyse aber vorerst einfach einmal zur Kenntnis. Das anschliessende Zusammensitzen wird wohl noch die eine oder andere Diskussion zu Tage gefördert haben.