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Qin Streller-Shen spielte am WEF auf dem Guqin für Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik. In ihrer chinesischen Heimat konnten den Auftritt Dutzende Millionen Zuschauer sehen.
Die Einladung, am diesjährigen WEF ein Konzert zu spielen, erreichte Qin Streller-Shen im November 2018. Über eine Agentur in Genf wurde sie im Auftrag der chinesischen Regierung sowie des chinesischen Staatsfernsehen CCTV zu einem Auftritt an die «China Business Night» eingeladen. Im rund hundertköpfigen Publikum sassen auch WEF-Initiant Klaus Schwab sowie der Gründer des Internet-Giganten Alibaba Jack Ma, der an diesem Anlass referierte.
Qin Streller-Shen ist Berufsmusikerin, sie spielt Guqin, ein Saiteninstrument mit einer rund 3000 Jahre alten Geschichte. Es zählt neben Dichtung, Kalligrafie und Malerei zu den besonders edlen Künsten des Reichs der Mitte. Das Guqin-Spiel wurde vor allem von höher gestellten Kreisen gepflegt. Während der Kulturrevolution geriet es als elitär in Verruf.
Mittlerweile besinnt sich die Jugend Chinas auf ihre kulturellen Wurzeln und interessiert sich wieder vermehrt für die Musik des Guqin. Diese zählt inzwischen zum Unesco-Kulturerbe. Streller-Shen erklärt die Faszination für das Instrument:
«Es ist Musik, die tief nach innen wirkt.»
Sie gilt als eine Art Musikmeditation und entspricht der chinesischen Philosophie, welche die Extreme meidet und den Mittelweg und die Ausgewogenheit betont.
Von 1991 bis 1999 studierte die Künstlerin Guqin am China Conservatory of Music in Beijing. Zudem besitzt sie einen Master-Abschluss in Musikethnologie. Beide Eltern sind Musikprofessoren, die ihre Tochter schon früh zum Erlernen eines Instrumentes anhielten. Ab dem Alter von sechs Jahren übte sie unter Anleitung einer Professorin jeden Tag drei Stunden am Klavier.
Heute bringt die grossgewachsene Frau das Musizieren mit diesem Instrument auch ihren rund zehn Schülern bei und unterrichtet gleichzeitig am Konfuzius-Institut der Universität Basel. In die Schweiz kam sie durch ihren Mann, den sie 1998 in ihrem Heimatland kennen lernte. Sie haben zusammen einen Sohn im Pubertätsalter. Die Familie lebt in Henau.
Es sei ein merkwürdiges Gefühl gewesen, als sie mit ihrem Kleinwagen in Davos angekommen sei. «Ich war umgeben von lauter dunkeln Luxuslimousinen», erzählt sie schmunzelnd. Beim Verlassen der Autobahn in Landquart erblickte sie die ersten Polizisten. In Fideris musste sie langsam durch einen Checkpoint fahren, vor Davos wurde sie wie alle Anreisenden kontrolliert und befragt. Neben den Polizeibeamten standen bewaffnete Soldaten. In Davos warnten grosse Tafeln, man solle nicht den Angaben des Navi folgen, es gebe eine falsche Route an, erzählt Qin Streller-Shen amüsiert.
Ihr Auftritt war Teil eines Bühnenprogramms über chinesische Kultur. Ausser ihr traten weitere Instrumentalisten sowie eine Sängerin der Pekingoper auf. Vorgängig musste Qin Streller–Shen Unterlagen unter anderem zu ihrer Biografie einreichen. Auch Angaben zu ihrer Kleidung beim Auftritt wurden angefordert. «Sie wollten immer alles sofort.» Gleichzeitig wurde sie zur Geheimhaltung verpflichtet. Vor dem eigentlichen Auftritt wurde jedes Detail fotografiert, so auch ihr portabler Verstärker. Streller-Shen erinnert sich schmunzelnd an den grossen Aufwand und die Detailversessenheit, die um ihren Auftritt von zehn Minuten betrieben wurden.
Die Aufnahmen des chinesischen Fernsehens hat sie bisher noch nicht gesehen. «Dieses Mal war das Schweizer Fernsehen nicht dabei», erzählt Streller-Shen. Bereits 2011 wurde sie zu einem Kurzkonzert ans WEF eingeladen, anschliessend war sie in der Nachrichtensendung «10vor10» zu sehen.
«Damals haben sich einzelne Konzertbesucher über mein Instrument erkundigt», erinnert sich Qin Streller-Shen. Dieses Mal sei das Interesse doch eher gering gewesen. Es ist ihr klar, dass es an diesem Abend nicht um sie und ihre Klänge ging, das Business stand im Mittelpunkt. Enttäuscht wirkt sie aber nicht. Am World Economic Forum geht es eben nicht um Klänge, die nach innen wirken.