MASKENTHEATER: Dem Klang der Stille gelauscht

Vier Vorstellungen ihres neuen Programms «You & Me» gab die ebenso wortlose wie poetische Mummenschanz-Truppe in Wil. Dabei gab’s viel Bekanntes, aber auch das eine oder andere neue Element zu sehen.

Christof Lampart
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Ohne gesprochenes Wort, ganz ohne Musik und Bühnenbild, nur mit Masken und Körpern: Das ist Mummenschanz. (Bild: Christof Lampart)

Ohne gesprochenes Wort, ganz ohne Musik und Bühnenbild, nur mit Masken und Körpern: Das ist Mummenschanz. (Bild: Christof Lampart)

Christof Lampart

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Mummenschanz – das ist in der internationalen (Klein-)Kunstszene ein Schweizer Markenzeichen, wie es wohl in jüngster Vergangenheit nur ganz wenige gab. Denkt man an langlebige Schweizer Künstler-Exporte, die sich auch ausserhalb der eigenen Landesgrenzen über Jahrzehnte hinweg einen guten Namen geschaffen haben, dann fallen einem Namen wie Emil Steinberger, Stephan Eicher, der jüngst verstorbene Clown Dimitri oder eben das Maskentheater Mummenschanz ein. Auftritte der stillen, fünfköpfigen Showtruppe, die ohne Worte mehr zu sagen hat als ein ganzes Heer plappernder Komödianten an einem ganzen Abend, sind Events, zu denen man auch deshalb gerne geht, weil «man sie einfach einmal gesehen haben muss», wie ein älterer Herr am Samstagabend in der Pause im Wiler Stadtsaal begeistert erklärte. Und tatsächlich vereinte die Samstagabendvorstellung in Sachen Alter ein absolut heterogenes Publikum im Stadtsaal: Vom Kindergartenkind bis hin zur Grossmutter kamen alle, um diesem Ereignis beizuwohnen.

Immer noch magisch?

Doch warum war, bzw. ist «You & Me» überhaupt ein solches Ereignis? Nun, da bei Mummenschanz in den letzten Jahren ein konsequenter personeller Wandel (siehe auch Kasten) stattgefunden hat, will sicherlich jede(r) mit eigenen Augen sehen, ob die frühere Magie des Augenblicks nach wie vor vorhanden ist. Irgendjemand schrieb einmal von Mummenschanz als einer eigenständigen darstellenden Kunstform, die «weit über die Pantomime hinausgeht». Es war also sicherlich eine Mischung aus kindlicher Vorfreude und erwachsener Erwartungshaltung, welche auch an diesem Wochenende den Wiler Stadtsaal fast bis auf den letzten Platz füllte.

Grosse Fülle, langsames Herantasten

Wurden die Erwartungen erfüllt? Gewiss. Und sogar übertroffen? Vielleicht. Denn auch wenn Mummenschanz nach wie vor einmalig ist, ihr jüngstes Bühnenwerk ist so facettenreich, dass man – sieht man einmal von der Stille und der Poesie ab, welche seit jeher die Basis der Truppe darstellen – Mühe hat, einen «roten Faden» zu finden. Aber vielleicht war dies gar nicht beabsichtigt. Schon beim gezeichneten Prolog, der auf einer grossen Leinwand übertragen wurde, wurde deutlich, dass sich das Publikum auf ein Sammelsurium an Ideen einstellen muss. Das brachte zwar dann sehr viel Abwechslung, aber zugleich auch einen Schuss «Beliebigkeit» in den Abend. Was mit «You & Me» genau gemeint war, erschloss sich im ersten Teil, welcher der wesentlich ruhigere war, einem noch nicht wirklich; man konnte höchstens mutmassen. Nach der Pause nahmen jedoch die «Dialoge» zu. Und zwar sowohl jene der wechselnden und nun auch oft als «Paare» agierenden Protagonisten (Würmer, Violinen) als auch die direkte Interaktion mit dem Publikum. Hier wurde das «Dich & Mich» ganz stark spürbar. Und die Magie des Augenblicks hatte einen spätestens zu diesem Augenblick unweigerlich in seinen Bann geschlagen. So wie es halt anscheinend nur Mummenschanz kann.