Von Julefrokoest, Lille Juleaften, Julekalender oder Kravlenisser erzählt Dorthe Keller-Boedker, wenn sie sich an die Advents- und Weihnachtszeit in ihrer Kindheit erinnert. Sie schildert die Traditionen und Bräuche in Dänemark.
«Spätestens am 1. Dezember war unser ganzes Haus weihnächtlich dekoriert», sagt Dorthe Keller-Boedker, «vor allem Kravlenisser hingen überall.» Kravlenisser – eine Art Kobold – aus Papier wurden an die Wand gehängt, in Fensterrahmen oder Bilderrahmen eingeklemmt, ihnen wurde überall Platz eingeräumt. Am 24. Dezember brachten die Kinder ihnen eine Schüssel Reisbrei auf den Estrich, wo sie wohnten, um die Kobolde bei Laune zu halten, damit sie keinen Unfug machen. Zur Adventszeit gehörten auch der Adventskalender sowie die Adventskerze. Diese Kerze ist mit 24 Zahlen versehen. Täglich wird diese angezündet und schmilzt bis zur nächsten Zahl. Die Adventskalender der dänischen Kinder unterscheiden sich nicht gross von denen, die Dorthe Keller-Boedker in der Schweiz gesehen hat. «Allerdings», so die gebürtige Dänin, «waren die Geschenke in diesen Kalendern fast etwas übertrieben.»
In Dänemark gab und gibt es auch heute noch eine andere Art Adventskalender, den Julekalender. «Der war für uns Kinder heilig», erzählt sie. Der Julekalender ist eine Weihnachtsserie mit 24 Teilen, die im dänischen Fernsehen ausgestrahlt wird – heute hat jeder Sender seinen eigenen Kalender. Das kann eine Trickfilmserie, ein Puppenspiel oder ein Kinderfilm sein. Ab dem 1. Dezember ist die 20-minütige Sendung täglich am frühen Abend zu sehen. Dorthe Keller-Boedker erinnert sich heute noch schmunzelnd daran, dass im Vorfeld der Ausstrahlung schon eifrig diskutiert wurde, welches Thema die Serie beinhaltet, wie und wer es realisieren wird. «In die Herstellung dieser Serien wurde sehr viel investiert, sie waren genial
gemacht und das Augenmerk wurde darauf gerichtet, dass sie politisch einwandfrei und pädagogisch korrekt waren.»
Üppiges Buffet und Milchreis mit Schlagrahm
Während der Adventszeit spielt in Dänemark das Gesellschaftliche, das Zusammensein eine Rolle. «Ähnlich wie in der Schweiz treffen sich Vereinsmitglieder, Kollegen oder Freunde zum Weihnachtsessen, zum Julefrokost.» Julefrokost besteht aus einem üppigen Buffet unter anderem mit eingelegten Heringen, einem Schweinebraten mit Kruste (Flaeskesteg), in Zucker glasierte Kartoffeln, Fischfilets und Rotkraut. Zudem fliessen Bier und Schnaps in reichlichen Mengen. Ebenfalls serviert wird Milchreis mit Schlagrahm, darin ist jeweils eine Mandel versteckt. Wer diese Mandel findet, bekommt ein Geschenk.
Am Abend des 23. Dezember wird in Dänemark Lille Juleaften – die kleine Weihnacht – gefeiert. «Die Kinder bekommen ein erstes Geschenk, um ihre Ungeduld zu stillen», erzählt sie. Zugleich wird der Weihnachtsbaum hergerichtet. «Der ist üppig dekoriert.» Geschmückt ist der Baum mit Guetzli und Schokoladen gefüllten Kraemmerhus (Tüten aus Papier oder Stoff mit einem Henkel), aus Papier geflochtenen Sternen und Herzen sowie üblichem Weihnachtsschmuck. Die Weihnachtsherzen – Julehjerter – sind aus Glanzpapier und von den Kindern hergestellt. Nicht fehlen darf die Girlande mit den dänischen Flaggen, die den Baum umrundet.
Am Abend des 24. Dezembers wird Juleaften – das Weihnachtsfest – mit einem Julemad (Weihnachtsessen) gefeiert. Wer den Gottesdienst besuchen will, macht dies vor dem Essen. Aufgetischt werden Entenbraten, Flaeskesteg (Schweinebraten mit Kruste) oder gefüllter Truthahn, karamellisierte Kartoffeln sowie Rotkraut. Eingeladen sind vorwiegend die Grosseltern. Versammelt beim Weihnachtsbaum werden Geschenke ausgepackt und Lieder gesungen. «Es sind dieselben Weihnachtslieder wie in der Schweiz und noch ein paar Dänische», erinnert sie sich. «Beim Schenken jedoch unterscheiden sich die Dänen von den Schweizern», so die gebürtige Dänin und erklärt, «aus meiner Sicht wird in Dänemark mit dem Schenken übertrieben.» An den beiden Tagen danach feiern die Dänen weiterhin ausgedehnt mit der Verwandtschaft weiter. Wie die Schweizer bezieht auch ein Grossteil der Dänen Ferien zwischen Weihnachten und Neujahr.
Zur dänischen Weihnachtstradition gehört der Juleplatten (Weihnachtsteller), ein weiss-blauer Porzellanteller mit einem Sujet, das jährlich wechselt. Diese Teller werden von einem bestimmten Hersteller vertrieben und sind auf der Unterseite nummeriert. Sie kosten rund 100 Franken. Bei Sammlern sind sie beliebt, hängen an den Wänden ihrer Wohnzimmer. Juleplatten sind ein beliebtes Geschenk an die Grosseltern.
Dorthe Keller-Boedker (52) ist in Dänemark aufgewachsen. Mit 19 Jahren kam sie in die Schweiz und blieb – der Liebe wegen. Sie lebt mit ihrer Familie in Niederwil, ist Mutter von vier erwachsenen Kindern und zweifache Grossmutter. Dorthe Keller-Boedker ist ausgebildete Bäuerin FA. (zi)
Hinweis: Während der Adventszeit erscheint wöchentlich ein Text unter dem Titel: «Wie wird Weihnachten im ehemaligen Heimatland gefeiert.» Vier Frauen erzählen von den Bräuchen und Traditionen aus dem Land, in dem sie aufgewachsen sind.