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Der 23-jährige Simon Scherrer ist der neue Käser der Chäsi Bettenau. Er verarbeitet etwa 100'000 Liter Milch pro Monat.
39 Käse ruhen in den Pressformen. Die Vormittagsarbeit ist getan. Jetzt hat Simon Scherrer etwas Zeit, sich an den Küchentisch zu setzen und von sich zu erzählen. Und zu erzählen gibt es einiges, obwohl der Käser gerade erst 23 Jahre alt ist. Seit Anfang Mai ist er der Milchkäufer der Chäsi Bettenau in der Gemeinde Jonschwil. Verarbeitet jeden Monat an die 100'000 Liter Milch von sechs bis sieben Bauernbetrieben. Leistet lange Arbeitstage, die um halb sechs beginnen und oft erst gegen sieben Uhr abends enden, nur gerade unterbrochen von ein, zwei Stunden Mittagspause. Sieben Tage die Woche. Nur gelegentlich liegt ein freier Nachmittag drin.
Die anstrengende Arbeit gepaart mit der grossen Verantwortung sind dem jungen Mann aber nicht anzumerken. Er strahlt Freude aus, Zufriedenheit mit seiner jetzigen Situation. Zu dieser «Situation» gehört auch Miriam Kaufmann, die sich zu ihm gesetzt hat. Die 21-jährige Detailhandelsfachfrau ist seit sieben Jahren an seiner Seite; gemeinsam teilen sie sich eine Wohnung in Tufertschwil. Miriam ist vertraut mit dem Arbeitsalltag eines Käsers; sie war bereits während der Lehre und den anschliessenden Berufsjahren an Simons Seite.
«Während der Schulzeit half ich zwar in einer Metzgerei, doch beim Schnuppern in einer Käserei war mir klar, dass ich Käser werden wollte. Mein Lehrbetrieb in Lütisburg-Station hatte auch Schweine, und zudem konnte ich immer wieder etwas Neues ausprobieren. Deshalb hatte ich trotz der harten Arbeit auch schöne Freiheiten», erzählt Simon Scherrer. Schweine hat er auch heute; zur Chäsi Bettenau gehören 400 Mastschweine.
Zu seiner verantwortungsvollen Stelle kam Simon Scherrer ziemlich überraschend. Zwar hatte er zuvor schon einige Monate unter dem langjährigen Chäsi-Chef Roland Gemperle gearbeitet. Trotzdem staunte er, als die Bauern ihn fragten, ob er nach Gemperles Pensionierung die Chäsi übernehmen wolle. «Ich brauchte etwas Bedenkzeit und wollte mich natürlich auch mit Miriam beraten. Für sie war’s auch in Ordnung, also sagte ich den Bauern zu», erzählt Simon. Am 1.Mai feierte er seinen Stellenantritt mit dem halben Dorf, mit Kollegen und mit seiner Verwandtschaft. «Die Bauern überreichten mir dann offiziell den Schlüssel für die Chäsi. Meine Arbeit hatte allerdings schon am Vorabend begonnen, als ich die Abendmilch angenommen hatte.» Am 1.Mai präsentierte der Käser auch voller Stolz seinen kleinen Selbstbedienungsladen, den er seinem Bruder, einem gelernten Zimmermann, in Auftrag gegeben hatte. «Die grösste Überraschung war dann, dass meine Kollegen mir das Häuschen zur Eröffnung schenkten», erzählt Simon Scherrer voller Begeisterung.
Der kleine Laden war die erste Neuerung.
«Mir ist wichtig, dass die Kundschaft jederzeit Käse, Rahm und Joghurt einkaufen kann, ohne dass ich persönlich dabei sein muss.»
Bei den Joghurts hilft Freundin Miriam Kaufmann gelegentlich, rührt die Masse an, packt sie ab und etikettiert die 500-Gramm-Becher.
Der Hauptkäse der Chäsi Bettenau ist der Appenzeller. Das Geheimnis der Kräutersulz kennt Simon Scherrer trotzdem nicht. Die Basis wird ihm fertig gemischt in einer Flasche geliefert. Appenzeller Käse produziert er fast täglich, doch zu seinem Sortiment gehören noch weitere Käsesorten. Darunter Wildberger, Eppenberger, Bettenauer Mutschli, Peperoni- und Olivenkäse sowie – für die Region am wichtigsten – Bärlauchkäse. Jener Käse ist Pflicht für die Chäsi Bettenau. Deshalb machten Miriam und Simon im frühen Frühling auch mehrere Waldspaziergänge der Thur entlang und pflückten rund 40 Kilo Bärlauch, der jetzt im Tiefkühler auf die weitere Verarbeitung wartet: Zwei Tonnen Käse werden in den Wintermonaten produziert. «Das Rezept habe ich von Roland Gemperle bekommen. Mein Vorgänger kommt noch ab und zu vorbei. Ich kann ihn jederzeit fragen, wenn ich irgendwo anstehe», sagt Simon Scherrer.
Am anspruchsvollsten findet er die administrative Arbeit. «Die habe ich etwas unterschätzt, das war eine sehr grosse Herausforderung. Aber bis jetzt haben die Bauern immer ihren Lohn erhalten.» Zu Beginn gab es in der Käserei, aber auch in den Räumen darüber, einiges zu sanieren. Zwar wohnt Simon Scherrer nicht dort, aber er hat in einem Zimmer sein Büro eingerichtet. Und in der Küche frühstückt er jeweils mit seinem Mitarbeiter, der in einem 80-Prozent-Pensum angestellt ist. Zum Mittagessen fährt Simon gewöhnlich zu seinen Eltern nach Grämigen und kann dort an den gedeckten Tisch sitzen. «Ich freue mich immer, dass ich dort eine gute Pause einlegen kann», sagt er schmunzelnd.
Bald gibt es etwas mehr Freiraum für Pausen, denn Simon Scherrer wird die Milchabnahme abschaffen; die Milch wird ab dem 1. Dezember durch ein Transportunternehmen direkt auf dem Hof bei den Bauern abgeholt. Er freut sich:
«Dann kann ich flexibler arbeiten und auch mal im Stall oder in der Käserei an etwas dranbleiben, ohne immer wieder Milch abnehmen zu müssen.»
Aber es bleibt natürlich dabei, dass er sieben Tage die Woche arbeitet; am Sonntag erledigt er allerdings nur das Nötigste. Und zwischendurch arbeitet sein 61-jähriger Angestellter auch mal alleine. Dann nimmt sich Simon ein paar freie Stunden, trifft Kollegen– zum Beispiel an der Olma – oder macht einen Ausflug mit Miriam.