Nicht nur die Betriebsgrösse und der Arbeitsaufwand stellt Landwirtschaftsbetriebe in der Region vor existenzielle Fragen – in diesem Jahr kam die Trockenheit hinzu. Der Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands kennt die Sorgen der Landwirte.
Die diesjährige Olma ist Geschichte. Nach dem Grossanlass folgt für Andreas Widmer nun wieder der Arbeitsalltag. Als Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands und als Präsident der CVP-GLP-Fraktion im St.Galler Kantonsrat ist Widmer ein gefragter Mann. Für die Bauern hat der Toggenburger stets ein offenes Ohr, insbesondere da die Trockenheit in den Sommermonaten zahlreiche Bauern vor Probleme gestellt hat.
Andreas Widmer, Firmen werden mit einem Stresstest auf Herz und Nieren geprüft. Mit der Dürre wurden die St.Galler Bauern in diesem Sommer ebenfalls einem Stresstest unterworfen. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gestresst sind die Bauern aktuell?
Auf einer Stressskala wäre der durchschnittliche Landwirtschaftsbetrieb aktuell bei einer 3. Das aussergewöhnlich schöne und sonnige Herbstwetter verbreitet gute Stimmung und erleichtert die Arbeit.
Wie geht es den Bauernbetrieben in der Region nach dem trockenen Sommer 2018?
Seit Ende August sind die Witterungsverhältnisse sehr gut. Es ist überdurchschnittlich warm und für die Kulturen in unseren Gegenden ist der Regen noch rechtzeitig gekommen. Der Herbst hat vieles vom trockenen Sommer wieder gut gemacht. Die kritische Situation mit der Futterversorgung für den Winter hat sich etwas entspannt.
Wie haben die Bauern die Situation gemeistert?
Ich darf den Landwirten ein grosses Kompliment machen. Sie haben die Herausforderungen sehr gelassen angenommen und aus der nicht immer einfachen Situation das Beste gemacht. Es ist den Bäuerinnen und Bauern bewusst: Landwirtschaft findet in der Natur statt.
«Die Natur hat ihre eigenen Gesetze. Damit muss man leben können.»
Wie gross muss ein Landwirtschaftsbetrieb sein, um erfolgreich zu wirtschaften?
Das hängt nicht von der Grösse ab. Auch kleine Betriebe mit Nischenproduktion können überleben. Die Landwirtschaftsbetriebe haben sich in den letzten Jahren stark verändert und konnten sich so ihre Existenz sichern. Viele Betriebe müssen aus Einkommensgründen aber einem Nebenerwerb nachgehen. Haupt- und Zusatzerwerb haben zumindest eines gemeinsam: Die Arbeitszeit ist lang und manchmal auch hart. Aber nur so können die notwendigen Einkommen generiert werden.
Wie viele Kühe muss ein Milchbauer haben, um profitabel wirtschaften zu können?
Wenn ein Milchwirtschaftsbetrieb vollumfänglich von den Erträgen aus den eigenen Betrieben leben soll und zudem auch noch die notwendigen Investitionen tätigen muss, sind im Talgebiet heute 40 Milchkühe nötig. Im Berggebiet hat auch ein Betrieb mit weniger Vieh eine Existenz.
Wie stark muss sich ein Bauer spezialisieren? Gibt es einen optimalen Mix?
Es gibt kein Patentrezept. Je nach Eignung und Kompetenz des Bauers sind die Möglichkeiten gross. Ebenso wichtig ist auch, wo der Betrieb liegt und wie ertragsreich die Böden sind. Viele Betriebe haben nebst Vieh ein weiteres Standbein mit Schweinen, Geflügel, Obst, Gemüse oder Beeren. Daneben hat jeder Bauer auch die Möglichkeit, seinen Betrieb biologisch zu bewirtschaften. Die Möglichkeiten sind vielfältig.
«Jene Betriebe, die sich auf den Markt und die Konsumenten ausrichten, haben eine Zukunft.»
Welchen Stellenwert hat der Direktverkauf ab Hof?
Es gibt immer mehr Betriebe, welche Produkte direkt ab Hof oder auf dem Markt verkaufen. Der Konsument schätzt die Regionalität. Gemessen an der ganzen Produktionsmenge liegt der Direktverkauf jedoch noch im einstelligen Prozentbereich.
Welche Bedeutung haben Direktzahlungen?
Die Gelder, welche an die Landwirtschaft fliessen, sind gedacht für die allgemeinwirtschaftlichen Leistungen. Die Zahlungen sind sehr streng an Leistungen im Tierwohl, im Pflanzen- und Biodiversitätsbereich, für ressourcenschonende Produktion und erschwerte Bedingungen gebunden. Eine systematische Kontrolle sorgt dafür, dass die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden.
Mit welchen Zukunftsaussichten gehen die Bauern ins Jahr 2019?
Primär müssen über den Winter genügend Niederschläge fallen. Die Böden und insbesondere die Quellen sind ausgetrocknet. Die Bauern hoffen für nächstes Jahr, dass die Erlöse beim Fleisch und in der Pflanzenproduktion nicht sinken werden. Bei der Milch hingegen ist eine Preiserhöhung dringend. Ansonsten werden überdurchschnittlich viele Betriebe die Milchproduktion aufgeben und ihren Betrieb umstellen.
Wird die Trockenheit die Landwirtschaft auch im nächsten Jahr beschäftigen?
Wir hoffen, dass es kein zweites Jahr mit einer solchen Trockenheit gibt. Verschiedene Kulturen und viel Grünland sind noch immer von der diesjährigen Trockenheit gezeichnet. Die Folgen werden auch im nächsten Jahr noch spürbar sein.
Langfristig gesehen: Mit welchen Herausforderungen ist die Landwirtschaft in den nächsten Jahren konfrontiert?
Das A und O ist die Existenzsicherung auf den Betrieben.
«Das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Einkommen ist auf den meisten Betrieben schlecht und muss verbessert werden.»
Zudem sorgen sich die Landwirte um den fortlaufenden Kulturlandverlust und die Qualität der Böden. Die Politik in Bundesbern wird in den nächsten Monaten die Agrarpolitik für die Jahre nach 2022 definieren. Die Landwirtschaft erwartet Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, welche eine nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz ermöglichen.