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Wil
Bald wird Kiran Gottipati zum Priester geweiht. Zurzeit arbeitet der Inder bei der Seelsorgeeinheit Magdenau.
Bei der Verabschiedung zeigen sich die beiden Kulturen, die Kiran Gottipatis Leben prägen: Nach dem im Westen geläufigen Handschlag faltet der 40-jährige Inder seine Hände vor der Brust und neigt seinen Oberkörper leicht nach vorne, wie es in seiner Heimat üblich ist. Dann kehrt er zurück ins Flawiler Pfarreihaus. Gottipati arbeitet zurzeit als Praktikant bei der Seelsorgeeinheit Magdenau, dies im Rahmen der Berufseinführung des Bistums St.Gallen. Vor einer Woche weihte ihn Bischof Markus Büchel in der Kirche St.Laurentius in Flawil zum Diakon.
Was hat den Inder in die Schweiz gebracht? Gottipatis Geschichte beginnt 7000 Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf im südindischen Bundesstaat Telangana, in der Nähe der Metropole Hyderabad. Dort wuchs er als Ältester von drei Geschwistern in einer etwa 1000 Mitglieder umfassenden katholischen Gemeinschaft auf. Schon als Junge haben ihn die geistlichen Würdenträger fasziniert. In leicht gebrochenem Deutsch, dafür mit umso mehr Begeisterung, sagt er:
«Ich hatte immer das Gefühl, dass Priester, Nonnen und Missionare besondere Menschen waren, etwas Spezielles an sich hatten.»
Gottipati folgte seinem Drang. Nach dem Besuch der Missionsschule liess er sich elf Jahre bei den Pallottinern ausbilden (siehe Kasten), und absolvierte danach ein Theologie-Studium. Ein Mitglied der Pallottiner war es auch, das ihm den Weg nach Europa ebnete. 2015 lernte Gottipati den Provinzial der Schweizer Pallottiner, Adrian Willi, bei der Einweihung eines Waisenhauses in Indien kennen. Man kam ins Gespräch, Willi erzählte ihm auch vom Priestermangel in der Schweiz. «Ja, es ist weit weg», sagt Gottipati. Aber er habe immer dorthin gehen wollen, wo es ihn brauchte.
Dann ging alles schnell. Noch im selben Jahr «schnupperte» Gottipati, der davor noch nie einen Fuss auf europäischen Boden gesetzt hatte, während dreier Monate Schweizer Luft; 2016 schloss er sich den Pallottinern in Gossau an, 2018 nahm er die Berufseinführung des Bistums in Angriff. Mit einem Lachen sagt Gottipati:
«Die Schweiz kannte ich vor allem aus Bollywood-Filmen»
Nicht wenige dieser farbenprächtigen indischen Filme werden vor der Kulisse der Schweizer Alpen gedreht.
Aber noch etwas anderes verbindet Gottipati mit der Schweiz: Ein Jugendfreund aus der Heimat, Gregory Polishetti, ebenfalls ein Pallottiner, arbeitet seit mehreren Jahren in der Seelsorgeeinheit Oberbüren-Niederbüren-Niederwil.
Dennoch: Der Wechsel vom vielgestaltigen Subkontinent in die beschauliche Schweiz war nicht ohne. Von einem Kulturschock will Gottipati zwar nicht sprechen, wohl aber von einem «Gewöhnen»: an die Sprache (mit dem Sprechen des Schweizerdeutschen habe er noch immer seine liebe Mühe), die im Vergleich zu seinen Landsleuten zurückhaltende Art der Schweizerinnen und Schweizer («ungewohnt»), das Essen (scharf ist ihm doch lieber), an die demokratische Kultur mit ihren Sitzungen und Diskussionen, an das allgegenwärtige Grüezi («mein Lieblingswort»), an den vielerorts vorherrschenden Individualismus.
Doch längst ist Gottipati in der Schweiz und bei den Pallottinern, die zu einer Familie in der Fremde geworden sind, angekommen. Und bald hat er sein Ziel erreicht: Im Mai wird er die Priesterweihe erhalten. «Darauf habe ich viele Jahre gewartet.» Ende Juni endet dann auch die Berufseinführung. Danach bleibt Gottipati als Priester in der Schweiz. «Ich fühle mich sehr wohl hier», sagt er.
Die Pallottiner sind eine Gesellschaft apostolischen Lebens in der römisch-katholischen Kirche. Der Orden wurde im Jahr 1848 durch den Priester Vinzenz Palotti in Rom gegründet. Heute ist die Gemeinschaft auf allen Kontinenten vertreten. Sie zählt rund 2500 Mitglieder. Zu ihrer Hauptaufgabe gehört die Förderung des Laienengagements in der Kirche. Denn Vinzenz Pallotti sah die Kirche als Miteinander von Laien und Klerus. Er vertrat die Meinung, dass alle berufen sind, die Frohbotschaft zu leben und zu bezeugen. Die Pallottiner in der Schweiz leben in drei verschiedenen Hausgemeinschaften: in Gossau, Morschach und Fribourg. Gossau ist der Hauptsitz der Schweizer Pallottinerprovinz und die älteste Niederlassung. Dieses Jahr feiert die Schweizer Gemeinschaft ihr 100-jähriges Bestehen. Am 29. Februar begehen sie das Jubiläum in Gossau. (pd/tos)