Die Klimaerwärmung führt auch in der Region Wil vermehrt zu schweren Windböen, heftigen Gewittern, Starkregen und Hagel.
Ob es ein Tornado oder ein Böenkragen war, der am Freitagabend eine Schneise der Verwüstung quer durch Wil zog, ist letztlich sekundär. Viel bedeutender ist die Erkenntnis, dass beide Wetterphänomene zu den schlimmsten überhaupt gehören und die Region in Zukunft häufiger denn je heimsuchen werden. Und sie sind gefährlich: Sie hinterlassen nicht nur grossen Sachschaden, sondern stellen auch eine Gefahr für Leib und Leben dar.
Der Grund für das Auftreten dieses Wetterphänomens ist schnell gefunden, wenn man ihn denn wahrhaben will: die Klimaerwärmung. «Wird es wärmer, befindet sich mehr Energie in der Luft, die sich je nach Situation in Form von schweren Windböen, heftigen Gewittern, Starkregen oder Hagel entladen kann», sagt Oliver Klein, Meteorologe bei Meteo Group, dem nach eigenen Angaben grössten privaten Wetterdienst Europas. Für ihn ist der Klimawandel nicht eine Frage des politischen Glaubens, sondern handfeste Tatsache: «Noch nicht abschliessend bewiesen ist lediglich, wie gross der prozentuale Anteil des Menschen an der Klimaerwärmung ist.»
Tornados sind laut Oliver Klein kein neues Phänomen. «Tornados gab es schon früher, sie wurden aber oft – verharmlosend – als Windhosen bezeichnet», sagt der Meteorologe. Dennoch stellt er allgemein fest, dass heftige kleinräumige Wetterereignisse wie Gewitter, Starkregen, Windböen und Hagel zugenommen haben. Auf was muss sich die Region Wil einrichten? «Das Potenzial für solche Wetterlagen nimmt tendenziell zu», sagt Oliver Klein. Kein Wunder: «Wir hatten dieses Jahr schon im Juni eine Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 40 Grad.» Das berge nicht zu unterschätzende Gefahren.
Unlängst hat die Stadt Wil den Klimanotstand ausgerufen. Das ist vorerst zwar nur eine Absichtserklärung des Stadtparlaments, Taten sollen aber folgen. Dass dies nottut, zeigen drei Ereignisse der vergangenen zwei Wochen: 1./2. Juli: Ein Starkregen in der Nacht führt zu einer erneuten Überflutung der Autobahn A1 bei Wil; diesmal dank den im vergangenen Jahr ergriffenen baulichen Sofortmassnahmen aber mit weit geringeren Folgen als 2015 und 2018. 6. Juli: Eine plötzliche, heftige Windböe knickt am Samstagnachmittag während des Einkaufstreibens an der Unteren Bahnhofstrasse einen Baum – er fällt auf das Trottoir und die Strasse. 13. Juli: Ein Tornado oder Böenkragen zieht eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt Wil, vom AMP Bronschhofen über das Gelände der Psychiatrie St. Gallen Nord bis über die Glärnischstrasse und das Industriegelände bei der Larag. Bei keinem der drei Ereignisse wurden Menschen verletzt.
Wie hoch der angerichtete Sachschaden ist, lässt sich noch nicht beziffern. Das gilt insbesondere für die Psychiatrie St. Gallen Nord, wo die Schäden am grössten sein dürften. «Zum jetzigen Zeitpunkt sind sie schwierig abzuschätzen», sagt Norbert Löhrer, Leiter Kommunikation. «Aktuell laufen die Bestandsaufnahmen des Schadenausmasses sowie die entsprechenden Abklärungen mit der Versicherung. Wir gehen davon aus, dass es zwei, drei Wochen in Anspruch nehmen wird, den Schaden verlässlich zu beziffern.» Keinerlei Schäden gab es in den Wäldern der Ortsgemeinde Wil, wie ein Mitarbeiter des Forstdienstes bestätigte.