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Am 10. März stimmen die Wiler Stimmberechtigten über eine Senkung des Steuerfusses um zwei Punkte auf 118 Prozent ab. Was das in der Steuerrechnung ausmachen würde, zeigen Rechenbeispiele des Steueramts.
Am 10. März wird das Wiler Stimmvolk an der Urne über das Ratsreferendum der SVP und FDP abstimmen. Zur Debatte steht der Steuerfuss. Nachdem ein Antrag auf eine Senkung um 2 Punkte auf 118 Prozent im Parlament gescheitert war, brachten SVP und FDP den Entscheid mittels Ratsreferendum vors Volk.
Dies vor allem, um den Stadtrat zu haushälterischem Umgang mit städtischen Geldern zu bewegen. Ob ein Ja zur Steuersenkung tatsächlich mit einem expliziten Auftrag zum Sparen an den Stadtrat verbunden wäre, dürfte umstritten sein. Denn anders als die Parteien gibt das Volk – mangels Möglichkeit – bei einer Abstimmung keine Auskunft zu seiner Motivation für ein Ja oder ein Nein. Der Stadtrat könnte also durchaus zum Schluss gelangen, dass selbst ein Ja und damit das Fehlen von rund einer Million Franken an geplanten Einnahmen nicht mit einer Anpassung des Budgets auf der Ausgabenseite einhergehen muss.
Ein weiteres Argument, das die Bürgerlichen für eine Steuersenkung ins Feld führen, ist die Entlastung der Bürger. Sie müssen bei einem niedrigeren Steuerfuss weniger tief ins Portemonnaie greifen. Doch wie viel würden Herr und Frau Wiler sparen, sollte die Steuersenkung an der Urne angenommen werden? Die «Wiler Zeitung» hat beim Steueramt der Stadt nachgefragt.
Michelle ist alleinerziehend und arbeitet in einem 70-Prozent-Pensum als Sachbearbeiterin bei einer Immobilienfirma. Bei einem Jahreseinkommen von 50000 Franken kommt sie mit Abzügen für ihre beiden Kinder auf ein steuerbares Einkommen von 30000 Franken. Beim aktuellen Steuerfuss von 120 Prozent bezahlt sie 1272 Franken Steuern an die Stadt Wil. Für sie würde sich eine Steuerfusssenkung kaum lohnen. 21,20 Franken würde sie sparen. Damit könnte sie sich gerade einmal einen Eintritt für sich und ihre zwei Kinder ins Hallenbad Bergholz leisten. Auch einem Freund eines ihrer Kinder könnte sie den Eintritt mit der Steuerersparnis noch bezahlen. Für ein Glacé würde es aber bereits nicht mehr reichen.
Noch weniger würde sich eine Steuersenkung lohnen, wenn Michelle verheiratet wäre und mit ihrem untätigen Mann trotzdem nur auf ein steuerbares Einkommen von 30000 Franken käme. Dann würde sie gerade einmal 6,40 Franken weniger bezahlen.
Wer denkt, dass dies nicht von grosser Relevanz ist, da die meisten Wiler ein höheres steuerbares Einkommen haben als 30000 Franken, liegt falsch. Tatsächlich ist dies mit 35,42 Prozent die grösste Gruppe der Steuerzahler. Gemeinsam mit den Personen mit einem steuerbaren Einkommen zwischen 30001 und 50000 (23,36 Prozent) sowie zwischen 50001 und 100000 (30,86 Prozent) machen sie rund 90 Prozent aller in Wil wohnhaften Steuerzahler aus. Bei Thomas, der ein steuerbares Einkommen von 75000 hat, würden sich die zwei Prozentpunkte bereits deutlicher bemerkbar machen. Er würde immerhin fast 100 Franken weniger bezahlen müssen. Angesichts der Summe von 5706 Franken, welche Thomas aber immer noch alleine für städtische Steuerabgaben zu entrichten hätte, dürften auch bei ihm die Freudensprünge über die zusätzliche Hunderternote eher verhalten ausfallen.
Selbst für alleinstehende Grossverdiener mit einem steuerbaren Einkommen von 250000 Franken käme die Steuersenkung kaum zu tragen. Mit 25075 Franken würden sie 425 Franken weniger bezahlen, als wenn der Steuerfuss bei 120 Prozent bliebe. Damit könnte sich der gut Betuchte beispielsweise in der Hochsaison einen Flug nach Gran Canaria und zurück leisten – allerdings nur in der Economy Class, was angesichts seines Einkommens vielleicht nicht seinen Ansprüchen genügen würde.
Die Rechenbeispiele zeigen auf, dass eine Steuersenkung um zwei Prozentpunkte im Portemonnaie der Wilerinnen und Wiler relativ wenig bewirken würde. Dies insbesondere deshalb, weil eine grosse Mehrheit der Bevölkerung ein steuerbares Einkommen von unter 100000 Franken hat. So ist es denn auch verständlich, dass selbst die Befürworter einer Steuersenkung bei der Entlastung der Bürger nur von «einem schönen Nebeneffekt» sprechen. FDP und SVP haben deutlich gemacht, dass sie mit der Senkung in erster Linie den Stadtrat zu einer «ausgewogenen Ausgabenpolitik» bewegen wollen.