«Ein Leser bleibt ein Leser» - darum glaubt die Uzwiler Jolanda Erismann an die Zukunft von Bibliotheken

Seit 20 Jahren betreibt die Gemeinde Uzwil eine eigene Bibliothek. Die Leiterin Jolanda Erismann glaubt trotz E-Reader an die Zukunft der Büchereien.

Tobias Bruggmann
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Jolanda Erismann, brauchen kleine Gemeinden heutzutage überhaupt noch eine eigene Bibliothek?

Viele Leute schätzen den persönlichen Kontakt in der Bibliothek im Dorf. Er ist wichtig, um sich auszutauschen. Ich glaube zudem, dass die meisten Leser sich in der eigenen Gemeinde mit Büchern eindecken wollen. Unsere Kunden können sich aber mit dem gleichen Abo auch in anderen Bibliotheken einschreiben. Das nutzen jedoch nur Wenige.

Welchen Wert hat in der digitalen Welt eine analoge Bücherei?

Die Bibliothek ist ein Kulturbetrieb – den Kunden dient sie zur Freizeitgestaltung. Auch für die Leseförderung und die sprachliche Integration hilft eine Bücherei.

Wie haben E-Reader Ihre Arbeit verändert?

Ich sehe die elektronischen Medien als Ergänzung zur Bibliothek: Ein Leser bleibt ein Leser. Ob er ein Buch, ein Heft oder ein E-Reader dafür nutzt, ist schlussendlich egal. Der E-Reader schmälert auch nicht den Erfolg der Bibliothek Uzwil. Unsere Ausleihzahlen steigern sich laufend. Die Arbeit hat sich jedoch verändert, weil einige Kunden beim Einrichten eines E-Readers Hilfe benötigen.

Vor 20 Jahren wurde die Bibliothek gegründet. Was hat sich seither getan?

Alle Büchereien sind professioneller geworden. Vor 20 Jahren war unsere Bibliothek eine der wenigen, welche die Arbeit in der Bibliothek bezahlt haben. Früher handelte es sich vielfach Freiwilligenarbeit, heute sind die meisten Bibliotheken ein Teil der Gemeinde und dementsprechend finanziert.

Warum?

Ich denke, die Bibliotheken heute sind nicht nur Orte um Medien aufzubewahren. Sie sind auch ein Treffpunkt und Veranstaltungsort. Die Bibliotheken haben einen wichtigen Platz in der Gesellschaft bekommen.

Wie finanziert sich die Bibliothek Uzwil?

Wir sind ein Gemeindebetrieb und das Personal dementsprechend bei der Gemeinde Uzwil angestellt.

Wäre eine Bibliothek ohne die Gemeinde möglich?

Nein, eine professionelle Führung wäre nicht möglich. Eigentlich bekommt heutzutage jede Bibliothek finanzielle Unterstützung von der Gemeinde. Deshalb wird die Frage, ob es eine Bibliothek braucht und wie viel sie kosten darf, auch immer von der Politik entschieden.

Welche Kunden nutzen die Uzwiler Bibliothek?

Zu uns kommen Menschen aus allen Altersgruppen, Kulturen und Interessengruppen. Erfreulicherweise nutzen auch viele fremdsprachige Kinder unser Angebot. Um neue Kunden anzuwerben, machen wir Einführungen für Schulen. Danach verschenkt die Bibliothek den Erstklässlern jeweils ein Abo. Die Kinder kommen dann oft mit Mutter oder Vater zurück.

Braucht Ihre Bibliothek die Schulen?

Wir haben eine enge Zusammenarbeit, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Zu Beginn hatten wir nur zwei Schulklassen, die regelmässig, einmal im Monat, zu uns gekommen sind. Mittlerweile sind es 29 Schulklassen, der grösste Teil Primarschüler. Bei uns läuft aber alles auf freiwilliger Basis, die Lehrer müssen nicht mit der Klasse in die Bibliothek kommen.

Wer entscheidet, welche Bücher neu in die Bibliothek aufgenommen werden?

Wir arbeiten in unterschiedliche Ressorts, den endgültigen Entscheid fällt die jeweilige Ressortleiterin. Wir sind aber untereinander im Austausch – wenn jemand etwas entdeckt hat, geben wir den Tipp weiter. Dazu bekommen wir jede Woche eine Lieferung einer Buchhandlung und informieren uns über Buchtipps in Zeitungen und Buchhandlungen. Auch Kundenwünsche versuchen wir zu erfüllen.

Auf was achten Sie, wenn sie ein Buch zum ersten Mal sehen?

Wir lesen hinten den Klappentext. Was natürlich auch einen Einfluss hat, ist das äussere Erscheinungsbild. Es ist vielleicht nicht richtig, nach diesem zu urteilen, aber wenn zehn Bücher ausgestellt sind und eines sieht nicht gut aus, dann werden die anderen neun zuerst ausgeliehen.

Lesen Sie alle Bücher, die Sie in der Bibliothek haben?

(lacht) Die Frage wird uns sehr häufig gestellt. Es ist aber nicht möglich. Wir kaufen pro Jahr 3500 neue Medien ein und sind fünf Mitarbeiterinnen. Das wären pro Tag zwei Bücher, die jede Mitarbeiterin lesen müsste. Es sind einfach zu viele Bücher, darum muss ich leider eine Auswahl der ansprechendsten treffen.