NIEDERWIL: Ein Dorf in Aufruhr

Nach zwei Vorprüfungen durch die Gemeinde und den Kanton hat die Holcim AG ihr Kiesabbauprojekt am Sonnenberg überarbeitet und angepasst. Im Frühjahr soll das Bauprojekt öffentlich aufgelegt werden.

Andrea Häusler
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Wildblumen, Enten, der offen gelegte Lauf des Sträzerbachs – so visualisiert die Bauherrschaft das Aushubareal nach der Renaturierung. (Bild: Holcim)

Wildblumen, Enten, der offen gelegte Lauf des Sträzerbachs – so visualisiert die Bauherrschaft das Aushubareal nach der Renaturierung. (Bild: Holcim)

Andrea Häusler

andrea.haeusler@wilerzeitung.ch

«1,5 bis 2 Millionen Kubikmeter Kies benötigt der Kanton St. Gallen langfristig für den Siedlungs- und Strassenbau», sagte Projektleiter Stefan Nagel am Mittwoch vor den rund 150 Besuchern der öffentlichen Informationsveranstaltung der Holcim AG. 1,15 Millionen Kubikmeter sollen in den nächsten 26 Jahren am Sonnenberg in Niederwil etappenweise abgebaut werden. Auf einem Gebiet von 1069 Aren oder knapp 15 Fussballfeldern. Dies hatte das Unternehmen 2011 entschieden.

Jetzt steht das Projekt unmittelbar vor der öffentlichen Auflage. Hinsichtlich derer war das Bauvorhaben nochmals überarbeitet worden. Der Abbauperimeter wurde verkleinert, die Abbaukante von den Parzellen der Anwohner weg gerückt. Ferner stellt Holcim sicher, dass die Grube – zur Entlastung der Dörfer – ab den Autobahnausfahrten Gossau und Wil über die Fürstenlandstrasse und die zu erstellende Zufahrt beim Einlenker Steinböhlstrasse angefahren wird. Und drittens wird die Nagelfluh zu 75 Prozent mit einem vibrierenden Ripperzahn abgebaut. Gesprengt wird nur noch hartes Gestein. Stefan Nagel sprach von vier Sprengsätzen pro Jahr.

Zur Verarbeitung des Materials am Ort wird ein mobiler Brecher eingesetzt, der in 12 Einsatzeinheiten 45000 Kubikmeter jährlich zerkleinert. Eine Aufsichtskommission aus Vertretern von Gemeinde, Kanton, Anwohnerschaft und Holcim soll den Abbau begleiten.

«Xcentric Ripper» statt Sprengungen

Ein redimensionierter Abbauperimeter, mehr Abstand zum Siedlungsraum, weniger Sprengungen und ein Aufsichtsgremium. Die Projektanpassungen, welche die Verantwortlichen von Holcim am Mittwoch – nebst der vorgängig geplanten Renaturierung, der ökologischen Aufwertung und Massnahmen zur Reduktion von Emissionen – als «wesentliche Verbesserungen» verkauften, scheinen nicht auszureichen. Dies zeigte die Diskussion.

Wertverminderung der Liegenschaften

Täglich 56 Fahrten (2 × 28) mit 40-Tönnern in Richtung Wil (40 Prozent) und St. Gallen (60 Prozent) seien unzumutbar, ärgerte sich ein Votant. Die Landwirte würden finanziell entschädigt, die staub- und lärmgeplagten Anwohner, deren Häuser 40 Meter neben der Abbaukante stünden, erhielten nichts, monierte ein anderer. Die Intervention Nagels, die Fahrrouten der Chauffeure würden kontrolliert, vermochte nicht zu überzeugen. Auch nicht dessen Zusicherung, dass Schutzdämme erstellt, Staubsammler installiert sowie Brecher und Bohrer nicht zeitgleich in Betrieb seien. «Zwei bis drei Wochen im Monat werde der Ripper während acht Stunden betrieben, an vier bis fünf Tagen der Brecher», sagte Roman Halter, Ingenieur bei Geoinfo Wil. Und die Schwingungen? Ein Anwohner befürchtet Schäden am Haus. Nagel sagte, dass Erschütterungsmessgeräte mit Alarmfunktion eingesetzt würden und das Areal permanent überwacht sei. Von einer Wertverminderung der Liegenschaften will er nichts wissen, von einem finanziellen Ausgleich schon gar nicht. Holcim sei weltweit tätig, sagte er. Nirgendwo sei eine Wertverminderung festgestellt worden.

Der Sonnenberg ist aufgrund von Lage und Geologie im kantonalen Richtplan als Abbaustandort festgelegt, die Abbaurechtsverträge mit den Landeigentümern seit 1995 im Grundbuch eingetragen. Niederwil habe sich jedoch baulich entwickelt, gab ein Votant zu bedenken. Das Abbaugebiet liege heute direkt am Siedlungsraum. Stefan Nagel jedoch machte klar: «Wir müssen dort abbauen, wo eine relativ reine Nagelfluhbank zur Verfügung steht. Wie eben hier.»

Gemeinde verlangt noch Unterlagen

«Wir haben das Projekt so gemacht, dass die Emissionen für die Umgebung gering sind», sagte Stefan Nagel. Gemeindepräsident Alexander Bommeli genügt das noch nicht. Die Unterlagen seien nicht vollständig, sagte er. Holcim habe bis Ende Februar Zeit, die fehlenden Dokumente nachzureichen. Dann könne die materielle Prüfung erfolgen.