Ein Brief verunsichert das Dorf

Die Technischen Betriebe Flawil bauen derzeit ein Glasfasernetz. Doch 800 Flawiler Hausbesitzer erhalten Post von der Swisscom, die für ein eigenes Netz wirbt. Die TBF kontern – auch per Post. Und das mitten in wichtigen Verhandlungen.

Mario Fuchs
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Zwei Briefe, zwei Glasfasernetze: 800 Flawiler Liegenschaftsbesitzer erhielten vergangene Woche verwirrende Post. (Bild: mf)

Zwei Briefe, zwei Glasfasernetze: 800 Flawiler Liegenschaftsbesitzer erhielten vergangene Woche verwirrende Post. (Bild: mf)

FLAWIL. «Die Glasfaser kommt zu Ihnen.» So lautet die Überschrift eines Briefs, den die Swisscom vor einer Woche an 800 Flawiler Grundbesitzer versandte. Das «Netz der Zukunft» aus 100 Prozent Glasfaser «bauen wir etappenweise in Ihrem Quartier», schreibt die Telekomanbieterin. Die Anbindung der Liegenschaft sei kostenlos und «ohne Verpflichtung, ein Serviceangebot von Swisscom zu beziehen.» Um die Anschlüsse korrekt planen zu können, werden die Empfänger gebeten, die Erhebung der Anzahl Nutzungseinheiten auszufüllen und zusammen mit dem beigelegten Vertrag bis zum 27. August zurückzusenden.

Vorgehen nicht abgesprochen

Ein Glasfasernetz in Flawil – das kam den Empfängern des Schreibens bekannt vor. Denn: Im März 2012 hatten die Stimmbürger Flawils an der Bürgerversammlung dem Kauf der bestehenden TV-Netze von GGA West und Stocken TV zugestimmt, um darauf ein gemeindeeigenes Glasfasernetz zu erstellen. Das 2,8 Millionen Franken teure Projekt wird derzeit realisiert. Bis Ende Jahr werden die Technischen Betriebe bereits die Hälfte aller Liegenschaften erschlossen haben. Dies schreibt die Gemeinde gestern in ihren jüngsten Mitteilungen.

Das Schreiben der Swisscom hat deshalb viele Flawilerinnen und Flawiler verunsichert: Wer baut nun das Netz? Soll man den Vertrag unterschreiben oder nicht? Bei den TBF gingen zahlreiche Anrufe verunsicherter Kunden ein. Die Politische Gemeinde reagierte sofort: Am Samstag erhielten die Empfänger einen Brief von den Technischen Betrieben. «Aus unserer Sicht besteht für Sie aktuell kein Grund für einen Abschluss eines Vertrages mit der Swisscom», heisst es darin. Das Vorgehen der Swisscom sei nicht abgesprochen. Man sei davon überrascht, «denn wir sind mit ihnen in laufenden Verhandlungen», heisst es weiter.

«Swisscom ist wichtiger Partner»

Dass dem so ist, bestätigen auf Anfrage der Wiler Zeitung sowohl die Gemeinde als auch die Swisscom. Am Dienstagabend fand ein Treffen statt. Laut Gemeindepräsident Werner Muchenberger kam das Thema «Brief» dabei zur Sprache. Die Gespräche hatten, so Muchenberger, den Charakter einer «gegenseitigen Information». Er sei zuversichtlich, dass die Verhandlungen gut abgeschlossen werden können. «Die Swisscom ist nach wie vor ein wichtiger Partner. Doch die TBF haben einen Bürgerauftrag zu erfüllen», erklärt Muchenberger.

Gebaut wird das Netz von der TBF im eidgenössischen Standard mit vier Fasern. Die Idee: Es steht so sämtlichen lokalen und nationalen Kommunikationsunternehmen zur Nutzung offen. Diese zahlen dafür – womit die Investitionen für das Netz nach 15 Jahren wieder hereingeholt wären. «Eine Faser ist dabei auch für die Swisscom reserviert», erklärt Urs Haaf, Geschäftsführer der TBF. Ob die Swisscom diese auch nutzen wolle, sei Gegenstand der Verhandlungen.

Vorläufig bauen beide

Die Verhandlungen laufen bereits seit dem Jahr 2010 – «mit dem Ziel, beim Ausbau von Glasfasern bis in die Wohnungen und Geschäfte zusammenzuarbeiten», wie Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk sagt.

Konkret heisst das: «Ja, die Swisscom beabsichtigt, in Flawil ein eigenes Glasfasernetz zu bauen», so Annina Merk. Damit eine Kooperation mit den Technischen Betrieben Flawil später noch möglich sei, habe man sich abgesprochen betreffend die Ausbaugebiete. Die Swisscom werde deshalb dort mit dem Bau beginnen, wo die TBF noch keine Glasfaser gebaut hat. «Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Kooperation kommen, könnten so die Netze zusammengeschlossen werden.» Einen Parallelbau und somit unnötige Kosten und Immissionen für die Bevölkerung wolle man vermeiden. Wichtig bei einer solchen Zusammenarbeit – die es in über 20 anderen Städten gebe – sei, dass beide Partner Teile ihrer Infrastruktur einbringen können. «Swisscom verfügt in Flawil über eine sehr gute Infrastruktur, ist aber auch bereit, im Rahmen einer Kooperation auf die Nutzung eines grossen Teils davon zu verzichten», sagt die Mediensprecherin. Angestrebt werde langfristig «eine ausgewogene, gegenseitige Abhängigkeit, um so auf gleicher Augenhöhe zu sein».

Vorläufig gilt: Solange keine Kooperation zwischen Swisscom und den TBF besteht und ein Kunde Dienste von Swisscom auf Glasfaser wünscht, ist ein Erschliessungsvertrag mit Swisscom notwendig. Wer die Dokumente unterzeichnet zurückgeschickt hat, erhält in einigen Wochen den Glasfaseranschluss von der Swisscom installiert.