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Das Künstlerkollektiv Ohm 41 feiert seinen 20. Geburtstag. In ihrer Ausstellung zertifizieren sie Kunst, anstatt wie früher mit Aufsehen erregenden Aktionen von sich reden zu machen. Gesellschaftskritik schwingt dennoch mit.
Liest man die Einladung von Ohm 41 zu ihrer neusten Ausstellung durch, beschleicht einen das Gefühl, die Mitglieder trauern vergangenen Zeiten nach. Zeiten, in denen sie die Welcome-Figur vom Bahnhofplatz im Stadtweier versenkten oder eine Villars-Kuh entwendeten und damit das Gleis der Frauenfeld-Wil-Bahn blockierten. Es sind Heldentaten vergangener Tage. Denn die einstigen Rebellen sind Teil des Establishments geworden. Öhmler Markus Eugster gesteht:
«Wir gehören heute zum System.»
Er fügt aber sogleich hinzu: «Eine gewisse Widerspenstigkeit haben wir uns jedoch bewahrt.» Aber die Öhmler seien halt älter geworden wie auch das Kollektiv selbst, das mit seinem 20. Geburtstag definitiv das Erwachsenenalter erreicht hat.
Dass Ohm 41 mittlerweile leisere Töne anschlägt, liegt auch daran, dass das Kollektiv dazu beigetragen hat, in Wil bessere Strukturen für Kunstschaffende zu schaffen. Das System wurde also von den Rebellen selbst mitgeschaffen und -getragen.
Auch die Ausstellung unter dem Namen «sieben mal 20» zum 20-Jahr-Jubiläum erweckt den Eindruck, dass die Öhmler sich mit ihrer neuen Rolle als systemgetreue Kunstschaffende abgefunden haben, ja diese sogar hochhalten. Denn im Rahmen ihrer Ausstellung zertifizieren sie Werke anderer Kunstschaffender. Sie hätten ein Geschäftsmodell entwickelt und Kriterien definiert, die es ihnen erlaubten, die Frage zu beantworten, was Kunst ist. Davon versprechen sich die Öhmler, «in den Himmel der Big Shots befördert zu werden und an die Honigtöpfe der Gesellschaft zu gelangen», wie sie schreiben.
Ist das Kollektiv also komplett Teil des bünzligen Bürgertums geworden, das sie einst doch so lautstark kritisiert hatten? Natürlich nicht. Denn Ohm 41 wär nicht Ohm 41, wenn nicht auch bei ihrer neuen Ausstellung ein Stück Gesellschaftskritik mitschwingen würde. Im Gegensatz zu früher trägt diese jedoch ein etwas subtileres, fast schon satirisches Gewand.
Die Zertifizierung ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen. «Wir wollen der Gesellschaft damit einen Spiegel vorhalten», sagt Markus Eugster. Heutzutage brauche man schliesslich für alles ein Zertifikat. Die Leistungsgesellschaft selektiere und selbst Kunstschaffende liessen sich darauf ein – nun also auch Ohm 41. Dazu haben sie Kriterien festgelegt. Wer diese durchliest, dem wird schnell einmal klar, dass das Ganze eine Parodie auf die von Normen geprägten Anforderungen der Gesellschaft ist.
So werden in unterschiedlichen Kategorien Werte von 1 bis 4 vergeben. Und je tiefer der Wert ist, desto besser ist die Normerfüllung. In einer Kategorie wird beispielsweise die Rauchentwicklung beurteilt, wobei die höchste Normabweichung der Stufe 4 als «nur noch Rauch» beziffert wird. Auch der Geruch reicht von «kein Geruch» bis hin zu «toxischem Geruch».
Ob nun eine möglichst tiefe und damit den Normen entsprechende Klassierung anzustreben ist, lassen die Öhmler offen. So wurden denn am vergangenen Wochenende auch alle 50 Werke zertifiziert, die der Künstlergruppe präsentiert wurden und an der Ausstellung zu sehen sein werden. Einzige Ausnahme bilden die Werke der Öhmler selbst. «Wir stellen uns damit ein Stück weit selber in Frage», sagt Eugster. Er lässt es aber offen, ob die Öhmler zu einem späteren Zeitpunkt zertifiziert werden.
Nimmt man ihre Definition von Kunst, dann müsste das eigentlich so sein: Ihre Antwort auf die Frage, was Kunst ist und was nicht, ist simpel. «Jedes Werk, das von einem Künstler geschaffen wurde, gilt für uns als Kunstobjekt», sagt Eugster. Schwieriger sei es, die Frage nach der Qualität von Kunst zu beantworten. Deshalb habe man das Messinstrument Norm014 geschaffen.
Hinweis
Vernissage am Samstag, 1. Juni, 18 Uhr, Kunsthalle Wil; Finissage am Sonntag, 14. Juli.