Der Sehnsucht auf der Spur

Mit Rheinbergers «Der Stern von Bethlehem» berührte ein erweitertes Ensemble rund um den Männerchor Concordia am Wochenende in der Stadtkirche St. Nikolaus in Wil ein grosses Publikum.

Carola Nadler
Drucken

WIL. Draussen auf dem Weihnachtsmarkt in den Gassen der Wiler Altstadt wurden Auslagen eingepackt und Stände geschlossen. Derweil breitete sich in der Stadtkirche eine festliche Vorfreude aus: Der Orchesterverein stimmte seine Instrumente, der Männerchor Concordia und Damen aus dem Chor zu St. Niklaus nahmen ihre Plätze ein, Kurt Pius Koller streifte seine weissen Handschuhe über. Und über allem strahlte der grosse Stern von der Decke herab und reflektierte damit das grosse Werk wieder, das dieses Jahr auf dem traditionellen Weihnachtskonzertprogramm der Concordia stand: Josef Gabriel Rheinbergers Kantate «Der Stern von Bethlehem».

Homogenes Duett

Rheinberger war ein angesehener Komponist. Zu seinen Schülern zählte Engelbert Humperdinck. Aus dessen Oper «Hänsel und Gretel» wurde als Introduktion das Ende des zweiten Aktes mit dem berühmt-berührenden Abendsegen aufgeführt. Nicole Bosshard und Barbara Muriset wiesen in diesem Duett des Geschwisterpaares eine wundervolle Homogenität auf. Zusammen mit der Fähigkeit des Orchestervereins zu grossartigen Klanggesten machte diese Interpretation des spätromantischen Werkes zu einem Musikgenuss.

Rheinberger hatte die einzelnen Teile seiner Kantate zu Texten seiner Frau Franziska von Hoffnaass komponiert. Die Sprache mochte etwas verstaubt und frömmlerisch wirken, die Texte dagegen, die Oskar Stalder zwischen den einzelnen Teilen vortrug, sprachen mit ihrer Direktheit unvermittelt die suchende Seele in der Weihnachtszeit an: Es gelte, sich zu öffnen für Neues, das entstehen will, aber auch diejenigen zu segnen, die verletzt und an einem schuldig geworden seien. «Lass dich vom Licht des Sterns leiten und du erkennst deinen Weg – trotz aller Dunkelheit.» Diese Dunkelheit mag geprägt sein von Angst und Zerrissenheit – doch das Licht des Engels werde all dies im Keim ersticken, wenn Vertrauen gewagt werde.

«Fürchtet euch nicht»

Die Botschaft dieses Engels wurde von Nicole Bosshard mit selbstbewusster Autorität gesungen: «Fürchtet euch nicht». Die Wärme ihrer Stimme machte es einfach, dieser Aufforderung nachzukommen. Von inniger Schlichtheit dagegen war das «Magnifikat» der Maria geprägt. Marcel Schweizer passte mit seinem schlanken Bass wunderbar zu der im Beginn verhaltenen Bethlehem-Betrachtung.

An die Chöre hatte Rheinberger eine hohe Anforderung gestellt. Zu der sehr grossen Präsenz kommt auch eine Art Dauerjubel und -frohlocken in Forte und Diskant dazu. Doch die Wiler Chöre sind ausgezeichnet geschult, die Interpretationen waren von keinen stimmlichen Erschöpfungszuständen gezeichnet, sie gerieten nicht einmal in die Nähe des reinen Durchhaltens, sondern waren geprägt von hoher Konzentration und innerer Kraft.