Zwei Lehrerinnen der Oberstufe Sonnenhof leisteten in den Frühlingsferien Flüchtlingshilfe auf der griechischen Insel Lesbos. Was sie erlebt haben, hat sie tief beeindruckt. Mit einer Spendenaktion wollen sie helfen – und ein Bewusstsein für die Situation schaffen.
Vorbei sind die Zeiten, als täglich über die Flüchtlingskrise auf der griechischen Insel Lesbos berichtet wurde. Beiträge von Menschen, die zu Hunderten auf Schlauchbooten auf die Ferieninsel flüchteten und über solche, welche die Überfahrt aus der Türkei nicht überlebten, prägten im Sommer 2016 die Medien. Mittlerweile liest, hört und sieht man keine Reportagen mehr von ertrunkenen Kindern oder Familien, welche wortwörtlich auf der Insel gestrandet sind – sie können nicht mehr weiter, wegen der Flüchtlingspolitik Europas, aber auch nicht zurück. Denn wo sie herkommen, herrscht Krieg.
An der Situation der geflüchteten Menschen auf Lesbos hat sich in den vergangenen zwei Jahren allerdings nur wenig geändert. Immer noch kommen beinahe täglich Boote mit Flüchtlingen an. Die Lager, in denen sie untergebracht sind, sind teilweise masslos überfüllt. Gemäss Angaben des UNHCR leben im Lager Moria 6700 Flüchtlinge – ausgelegt ist es für 1800 Personen.
Barbara Aulopi und Alexsandra Hitz, Lehrerinnen der Oberstufe Sonnenhof, waren kürzlich auf Lesbos. In ihren Frühlingsferien leisteten sie gemeinsam mit der Gossauer Lehrerin Elisabeth Tobler einen zweiwöchigen Einsatz für die Schweizer Organisation One Happy Family (OHF). Was sie dabei erlebt haben, hat sie nachhaltig geprägt.
Während ihres Einsatzes halfen sie in einem Gemeinschaftszentrum, das von OHF betrieben wird. Nebst Volontären arbeiteten dort rund 60 Flüchtlinge. «Das Projekt setzt sich dafür ein, die Ressourcen der Flüchtlinge zu nutzen. OHF arbeitet nicht für, sondern mit den Flüchtlingen», sagt Barbara Aulopi. Damit soll den Menschen, die aufgrund ihrer Situation oft jahrelang in staatlicher Abhängigkeit leben, ein Gefühl von Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein zurückgegeben werden.
Ob im Garten, in der Schule, in der Bibliothek oder im Café: Überall arbeiten Flüchtlinge Seite an Seite mit Volontären. Viele der Angebote sind auf Initiative der Flüchtlinge entstanden. Manche, wie beispielsweise ein Coiffeursalon, werden von ihnen selbst geführt.
Die Angebote stehen den Menschen aus den Lagern in Cara Tepe und Moria gratis zur Verfügung. Eine Währung gibt es aber doch, sogenannte Drachmas. Jeder erhält pro Tag eine bestimmte Menge davon. Damit wird sichergestellt, dass alle gleichermassen von den Angeboten profitieren können, denn der Anlauf ist gross. Zwischen 500 und 1200 Personen besuchen das Gemeinschaftszentrum pro Tag. Viele von ihnen müssen dazu einen Weg von rund einer Stunde zu Fuss zurücklegen.
Obwohl dank Organisationen wie OHF der Alltag der Menschen auf Lesbos etwas schöner gestaltet wird und ihnen bei medizinischen, rechtlichen oder anderen Problemen geholfen werden kann, ist die Lage vorort weiterhin katastrophal, wie die Lehrerinnen berichten. «Es mangelt an allem, an allen Ecken und Enden: Hygieneartikel, Schulmaterial, Nahrungsmittel und Kleidung», sagt Alexsandra Hitz.
Zur materiellen Not komme noch die Perspektivlosigkeit hinzu. Das Leben sei geprägt von Warten. Warten auf ein Dokument; Schlange stehen, um etwas zu Essen zu bekommen; ausharren, bis man Lesbos verlassen kann. «Viele wissen nicht, wie es weitergeht und sind besorgt, dass sie abgeschoben werden», sagt Barbara Aulopi. Dies, obwohl ein Grossteil der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak komme – Staaten also, in die eine Rückführung zurzeit nicht möglich ist.
Doch Angst und Ungewissheit begleiten das Leben der Menschen auf Lesbos. Manchmal entlade sich die Verzweiflung. «Selbstmordversuche sind fast an der Tagesordnung. Und im Lager in Moria kommt es wegen der desaströsen Zustände immer wieder zu Aufständen. Es ist eine Tragödie, die sich abspielt», sagt Aulopi. Die Leute aus den Lagern bezeichneten Moria schlicht als «Die Hölle». Wer schon einmal dort gewesen sei, brauche wenig Fantasie, um zu verstehen wieso.
Die Lehrerinnen machen sich keine Illusionen. Um nachhaltig etwas zu verändern, brauche es eine politische Lösung, sind sie sich einig. Doch bis es soweit ist, sei jede Form der Hilfe wichtig, ob durch einen persönlichen Einsatz, eine Spende oder das Bekanntmachen der Zustände. «Ich wünsche mir, die Leute würden hinschauen, sich über die Situation informieren und dann auch handeln», sagt Barbara Aulopi.
Über ihren Einsatz in Lesbos haben die beiden Lehrerinnen in allen Klassen des Sonnenhofs einen Vortrag gehalten. «Es war schön zu sehen, dass alle Schülerinnen und Schüler am Schicksal der Flüchtlinge auf Lesbos Anteil nehmen», sagt Barabara Aulopi. Sogar in sonst eher unruhigen Klassen sei es mucksmäuschenstill gewesen.
Doch die Lehrerinnen wollen mehr als nur Aufklärungsarbeit leisten. Vom 14. bis 18. Mai findet an der Oberstufe Sonnenhof eine Projektwoche statt, in welcher sich die Schule in eine Stadt verwandelt. Der Gewinn, welcher dabei generiert wird, fliesst in ein Projekt von One Happy Family. An einem Sponsorenlauf zum Abschluss der Woche sollen weitere Spendengelder zusammenkommen. «Wir werden mit der Spende etwas Konkretes finanzieren und nicht einfach Geld an OHF überweisen», erklärt Alexsandra Wirtz. So werde der Nutzen ihrer Spende greifbarer.
Hinweis
Infos zum Projekt unter www.ohf-lesvos.org
Spenden an: Schulleitung Cäsar Camenzind, Spendenkonto Lesbos, Clientis Bank Toggenburg, 9533 Kirchberg, IBAN CH21 0695 5377 2869 1189 5