«Ich bin vor Freude auf dem Bett gesprungen» – Dani Wyler und seine vielen WM-Erinnerungen

Zum ersten Mal seit 30 Jahren ist der Wiler Sport-Kommentator Dani Wyler nicht an einer Fussball-Endrunde für SRF dabei. Trotzdem hat er jedes Spiel dieser WM live gesehen. Am Montag Schweden – Südkorea zusammen mit der «Wiler Zeitung». Eine Zeitreise.

Simon Dudle
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Sport-Kommentator Dani Wyler (rechts) und Redaktor Simon Dudle in der Fussballhütte in Oberbüren. (Bild: Tagblatt)

Sport-Kommentator Dani Wyler (rechts) und Redaktor Simon Dudle in der Fussballhütte in Oberbüren. (Bild: Tagblatt)

In der Fussballhütte in Oberbüren sind die Freudengesänge des Vorabends noch kaum verhallt, als am Montagnachmittag der nächste WM-Tag anbricht. Mit einigen Stunden Distanz zum 1:1 der Schweizer gegen Brasilien sagt Sportreporter Dani Wyler: «Die Brasilianer werden die Gruppe gewinnen, weil sie in den restlichen beiden Spielen höher siegen als die Schweiz.» Immer schon war er Brasilien-Fan. Wen wundert’s, hat er doch Grössen wie Pelé, Rivaldo oder Ronaldo live spielen sehen. «Es ist ein Privileg, Sportreporter zu sein», sagt Wyler.

Nun ist er das erste Mal seit 1988 nicht für das Schweizer Fernsehen an einem Endrundenturnier im Einsatz. Seit Januar 2017 hat Wyler das Pensionsalter erreicht und arbeitet nicht mehr für die SRG, sondern Teilzeit für den Bezahlsender Teleclub. Also bleibt dieser Tage Zeit, um sich die Spiele zu Hause oder bei Public Viewings anzusehen. Schweden gegen Südkorea steht an diesem Nachmittag an. «Das gibt ein 1:1», tippt Wyler. «Man darf den südkoreanischen Fussball nicht unterschätzen. Viele Spieler sind in Europa bei guten Vereinen unter Vertrag.» Ganz grundsätzlich sei ein Match Südkoreas für einen Sportreporter ein Freispiel. «Da heissen alle Kim, Li oder Park», sagt Wyler.

Auch Frauen sollen live kommentieren dürfen

Das Spiel kommt schwer in die Gänge, und SRF-Kommentator Reto Held spricht nach 15 Minuten von «einer der schlechtesten Viertelstunden» an diesem Turnier. Wyler pflichtet nicht bei: «Beide suchen noch ihre Linie.» Trotzdem bleibt Zeit zum Fachsimplen. Zum Beispiel über den Fakt, dass im ZDF mit Claudia Neumann eine Frau die Spiele live kommentiert und dies im 21. Jahrhundert aussergewöhnlich ist. «Als Frau hat man es in dieser Branche schwer. Dabei sollte Kompetenz das Kriterium sein, nicht das Geschlecht. Sie hat eine angenehme Stimme, war auf Ballhöhe und machte ihre Sache gut», attestiert Wyler seiner Kommentator-Kollegin. Trotzdem hagelt es Kritik. «In unserem Job muss man damit umgehen können. Wichtig ist zu erkennen, welche Kritik berechtigt ist. In Zentraleuropa herrscht vielerorts das Gefühl vor, die Sportreporter des eigenen Landes seien die schlechtesten», sagt Wyler.

20 Minuten sind in Russland gespielt, und der Schwede Marcus Berg vergibt eine Riesenchance. «Das müsste das 1:0 sein. Wenn ich den bei uns bei den Senioren des FC Wil nicht mache, muss ich vom Feld», sagt Wyler. Nur gut, dass er bei jener Mannschaft als Spielertrainer amtet. «Zlatan Ibrahimovic hätte den rein gemacht, und zwar mit einem Fallrückzieher», sagt der passionierte Sportreporter und schmunzelt.

Michel Platini in der Sauna getroffen

Das Spiel gibt weiterhin nicht viel her. Es bleibt Zeit für eine Zeitreise durch Wylers Reporterleben. Bei der WM 1990 in Italien war er erstmals dabei – als Filmer und noch nicht als Kommentator. In letzterer Funktion amtete er ab 1992. In Schweden wurde die EM damals ausgetragen. Geblieben sind ihm die schottischen Fans, die ihr Team nach dem Ausscheiden eine geschlagene Stunde lang lautstark gefeiert haben, bis die Spieler geduscht nochmals erschienen und sich bedankten. Schon damals seien die Sicherheitsmassnahmen enorm gewesen. Selbst den Kugelschreiber habe er bei der Kontrolle auseinanderschrauben müssen. Noch präsent ist Wyler eine Begegnung mit dem späteren Uefa-Präsidenten Michel Platini – in der Sauna.

Pausenpfiff in Russland. Es deutet sich an, dass dieses Spiel nicht lange in Erinnerung bleiben dürfte. «Es gab in dieser WM erst wenige gute Spiele. Portugal gegen Spanien war eines, auch Mexiko hat stark gespielt», sagt Wyler.

Eine Lanze für den Video-Schiedsrichter gebrochen

Von der WM 1994 in den USA blieb übrig, dass Wyler mitten in der Nacht in Washington am falschen Flughafen gelandet ist. Bis schliesslich das Hotel erreicht war, blieb kaum mehr Zeit für Schlaf, da schon am Mittag das nächste Spiel kommentiert werden musste. Immerhin durfte er die nächtliche Fahrt durch die Metropole mit einer Limousine machen, da kein Taxi zur Verfügung stand. Von der EM 1996 in England war das Attentat auf ein Hotel in Manchester prägend. In diesem war auch der vormalige Schweizer Nationaltrainer Roy Hodgson untergebracht. Zudem erinnert sich Wyler an das Ausgleichstor von Kubilay Türkyilmaz beim 1:1 im Eröffnungsspiel gegen England. «Da bin ich auf dem Bett vor Freude gesprungen.» Die WM 1998 in Frankreich sei besonders schön gewesen, weil er alle Spiele in Südfrankreich zugeteilt bekommen habe. Es war jene Region, in welcher Wyler damals jährlich Ferien zu machen pflegte. Zudem hat ihm ein Konzert der drei Tenöre unter dem Pariser Eiffelturm imponiert.

Und plötzlich tut sich doch noch was auf dem Rasen in Nischni Nowgorod. Der Videoschiedsrichter schaltet sich ein und es gibt Penalty für Schweden. Die Diskussion über Sinn und Unsinn dieser technischen Hilfe ist für Wyler keine. «Ich verstehe nicht, wie man sich gegen die Technologie wehren kann. In einem Spiel, in dem der Ball über die Linie muss, ist etwa die Torlinientechnik ein gutes Mittel. Der FC Vaduz ist einst im Abstiegskampf der Super League benachteiligt worden, weil der Schiedsrichter in dieser Thematik einen Fehlentscheid getroffen hat.» Der Schwede Andreas Granqvist lässt sich die Chance nicht entgehen und triff sicher zur schwedischen Führung.

Mit dem Auto durch Portugal, mit dem Zug durch Deutschland

Die Zeitreise durch die Fussball-Endrunden führte Wyler 2000 nach Holland in seine Lieblingsstadt Amsterdam. «Mir hat imponiert, dass die EM nicht zu protzig und überrissen war.» Vier Jahre später hat er Portugal mit dem Auto bereist. «So lernte ich auch das Land kennen. Dafür bleibt sonst oft wenig Zeit.» Weitere zwei Jahre später bei der WM 2006 in Deutschland erfolgte die Fortbewegung erstmals mit dem Zug. In Erinnerung blieb Wyler, dass der Kroate Josip Simunic vom Schiedsrichter drei gelbe Karten sehen musste, bis er vom Feld flog. «Wir sind doch hier nicht an einem Grümpelturnier», mokierte sich der Kommentator damals im Live-Kommentar. Ein Höhepunkt war auch die EM 2008, welche für den Wiler keine Heim-EM war. Denn ihm waren Spiele Österreichs zugeteilt. Diese kommentierte er zusammen mit dem ehemaligen österreichischen Nationalspieler Toni Polster. «Ein super Mensch», sagt Wyler.

Von der WM 2010 in Südafrika blieben ihm Mensch und Leute mehr haften als die Spiele. Auch von der EM 2012 in Polen und der Ukraine ist ein Anlass abseits des Rasens hängen geblieben. «Am 14. Juni 2012 ist mein erster Enkel zur Welt gekommen. Darauf haben wir mehr als einmal angestossen.»

Das Maracana-Stadion entschädigt für Reisestress

Die WM vor vier Jahren in Brasilien war geprägt von weiten Reisen. «Ich habe rund 30000 Flugkilometer in einem Monat zurückgelegt. Es ging vom Winter in den Sommer und wieder zurück. Das war anstrengend. Wenn man dann aber im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro sitzt und die besten Fussballer der Welt spielen sieht, entschädigt das für alles», sagt Wyler. Es folgte schliesslich die Europameisterschaft 2016 in Frankreich – mit dem 2:1-Sieg Islands gegen England als Höhepunkt für den Wiler Sportkommentator. Es war sein letztes EM-Spiel für SRF und endete mit einer saftigen Überraschung.

Deutlich weniger überraschend ist die 1:0-Führung der Schweden gegen Südkorea. Um ein Haar wäre den Asiaten in der Schlussphase aber noch der Ausgleich geglückt. «Mein Tipp geht gerade flöten», witzelt Wyler bei der ­vergebenen Chance. «Gruppengegner Deutschland wird aber gegen beide diese Teams gewinnen», sagt Wyler.

Rollenwechsel nach drei Jahrzehnten: Dani Wyler (rechts) beim gestrigen Public Viewing in Oberbüren im Gespräch mit Wiler-Zeitungs-Redaktor Simon Dudle. (Bild: Andrea Häusler)

Rollenwechsel nach drei Jahrzehnten: Dani Wyler (rechts) beim gestrigen Public Viewing in Oberbüren im Gespräch mit Wiler-Zeitungs-Redaktor Simon Dudle. (Bild: Andrea Häusler)