Cainero – poetisch oberflächlich

Saisonschluss nach einer erfolgreichen Jubiläums-Spielzeit im Chällertheater. Auch beim Erzähl-Meister Ferrucio Caineros «Caineriade» war der «Chäller» im Baronenhaus am Freitagabend ausverkauft.

Michael Hug
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Der Mann ist herzlich, aber ganz schön anstrengend. Nicht nur wegen seiner bemühten Aussprache, auch wegen der Haken, die er während seines zweistündigen Erzähl-Vortrags schlägt.

Der Italiener Ferrucio Cainero, aus Udine stammend, im Tessin lebend, zieht sein Publikum mit einem Lächeln in seine Geschichten. Immer beginnt alles recht harmlos, wie Lausbubengeschichten eben beginnen, wie eine unbedeutende, einfach so daherfabulierte Begebenheit.

Man spürt, da kommt noch etwas, aber man weiss nie, wann es kommt – die Pointe, der Gag, der Höhepunkt. Cainero bekräftigt immer wieder, dass seine Geschichten wahr sind, vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wer das nicht hinnehme, der verstehe nichts von Theater.

Rumpelstilzchens Luftsprünge

Für den Fantasten Cainero haben die Figuren aus seiner Kindheit eine Entsprechung in der Märchen- und Geschichten-Welt.

Der Dachdeckermeister, bei dem er in seinen Semesterferien sein erstes Geld verdient hat, wird zum Idealisten Don Quichote. Der Glaceverkäufer in seiner Heimatstadt zum cholerischen Rumpelstilz.

Der Lausbub bringt seine Helden öfters mal zur Weissglut, manchmal absichtlich, manchmal aus purer Ungeschicklichkeit, aber manchmal auch aus kindlich-naivem Gehorsam.

So kommt es vor, dass der beste Kunde des Dachdeckers plötzlich mit Zement vollgeschmiert dasteht oder Rumpelstilzchen vor Ärger Luftsprünge macht. «Erzählen, um die Herkunft nicht zu vergessen», hat Cainero früher einmal gesagt.

Wenig tiefgründig

Doch wo der Italiener in seinen früheren Programmen einiges tiefgründiger agierte, blieb er in seiner «Caineriade» viel zu sehr an der Oberfläche.

Seine Kunst ist es, einfache Geschichtlein aus seiner Jugend fantasiereich zu Einaktern aufzuplustern, doch der Erkenntnis-Gehalt für das Publikum bleibt dabei auf der Stufe «Es war eigentlich noch ganz lustig» stehen.

Das Publikum weiss nämlich bereits, dass Leben und Traum zwei verschiedene Dinge sind, das muss es sich nicht durch flaue Metaphern erklären lassen.

Der echte Cainero-Fan erinnert sich da etwas wehmütig an frühere Programme des vielfach ausgezeichneten italienischen Erzähl-Meisters.

Erfolgreicher Saisonschluss

Doch Ferrucio Caineros Kunst bleibt, mit vielen Worten lebendige Bilder zu schaffen. Schon nach wenigen Worten ist man mitten drin im Laden des friaulischen Lebensmittelhändlers, mitten auf dem Dorfplatz beim Gelati-Ape von «Rumpelstilz» oder auf jener Brücke, wo grad der «arme Herr Grimese» flachgefahren wird.

Und man hört Adriano Celentano förmlich singen, wenn der Lausbub aus Cainero vom San-Remo-Festival spricht und vom magischen Licht am alten Radio erzählt. Doch leider bleibt es beim blumigen Jugendgeschichten-Erzählen, aber auch das kann zu einem unterhaltsamen und ausverkauften Abend und somit zu einem erfolgreichen Chällertheater-Saisonschluss führen.