Bewegliche Kleinigkeiten: Der Jean Tinguely der Miniaturen tüftelt in Wil

Der Werklehrer Werner Angst bastelt in seiner Freizeit bewegliche Objekte aus Draht und Metall.

Tobias Söldi
Drucken
Er braucht das kreative Chaos: Künstler und Werklehrer Werner Angst an seiner Werkbank im Atelier. (Bilder: Tobias Söldi)

Er braucht das kreative Chaos: Künstler und Werklehrer Werner Angst an seiner Werkbank im Atelier. (Bilder: Tobias Söldi)

Im Atelier von Werner Angst ist alles eine Nummer kleiner. Fasziniert betrachtet der 55-Jährige eine winzige Kugelbahn, kaum grösser als zwei aufeinandergelegte Zigarettenschachteln. Vorsichtig bewegt er einen kleinen Hebel. Ein Mini-Schaufelrad dreht sich und hebt ruckelnd ein Metallkügelchen in die Höhe. Oben rollt es in eine Bahn aus zwei Drähten, nimmt einige Kurven und ist innert Sekundenbruchteilen unten angelangt. Angst ist begeistert. «Das liebe ich. Je kleiner, desto schöner», sagt der Schöpfer dieser Miniatur-Kugelbahn.

In seinem neuen Atelier in Wil tüftelt der Werklehrer, der an der Oberstufe Flawil unterrichtet, an beweglichen Miniaturen aus Draht, Metall, Büchsen und Holz. Stunden verbringt er damit, herauszufinden, wie er seine Ideen in Bewegung bringen kann. Wie er es bewerkstelligen kann, dass sich ein von Batterien angetriebenes Riesenrad dreht und kleine Lämpchen aufleuchten, dass ein Vogel im Kreis fliegt und dabei seinen Schnabel öffnet und schliesst, dass zwei Velofahrer in die Pedale treten, einer etwas schneller als der andere. Angst sagt:

«Ich kann richtig in diesem Tüfteln versinken. Für mich ist das wie eine Meditation.»
Filigran: eine Kugelbahn, verziert mit drei Drahthühnern.

Filigran: eine Kugelbahn, verziert mit drei Drahthühnern.

Persönliche Geschichten hinter der Technik

Dass die Objekte dabei immer kleiner wurden, ist Teil der Herausforderung. Früher hat Angst auch grössere Objekte gestaltet, seit einigen Jahren konzentriert er sich aufs Kleine, aber Feine. Angst erklärt: «Je kleiner ein Objekt, desto schneller kommt man auch in der Mechanik an eine Grenze. Irgendwann funktioniert es nicht mehr.»

Hinter den so nüchternen Motoren, Zahnrädern und Batterien verstecken sich dabei oft ganz persönliche, emotionale Geschichten. In seinen Objekten verarbeitet Angst Themen, die ihn beschäftigen. Einmal konnte er nach einem eigentlich harmlosen Arztbefund und der folgenreichen Konsultation von «Dr. Google» nicht aufhören, sich Sorgen über seinen Gesundheitszustand zu machen. Daraus ist die Arbeit «Kreisende Gedanken» entstanden, ein Kopf, in dem sich ein unablässig ratterndes Getriebe befindet. Aber auch Leichtes, Alltägliches inspiriert ihn. Das Velofahrer-Duo beispielsweise ist entstanden, als sich die Eltern seiner Freundin neue E-Bikes gekauft haben.

Die Frau ist schneller unterwegs als der Mann.

Die Frau ist schneller unterwegs als der Mann.

Mit dieser Mischung aus Künstlertum und Handwerk ist Werner Angst so etwas wie der Jean Tinguely der Region – nur in kleiner. In der Tat ist der Schweizer Künstler mit seinen grossen, beweglichen, maschinenähnlichen Skulpturen ein Vorbild für den gebürtigen Zürcher, der seit Jahrzehnten in der Region wohnt. «Ich habe grosse Ehrfurcht vor seinen Arbeiten.»

Die zündende Idee kommt in der Nacht

Nicht alles funktioniert bei Angst auf Anhieb. Manche Ideen stehen seit mehreren Jahren als halb fertige Objekte herum und warten auf die zündende Idee, die sie beweglich werden lässt. «Das nervt mich dann richtig», sagt Angst. Die Hoffnung hat er aber noch nicht aufgegeben.

«Meistens kommt mir die Lösung nachts in den Sinn, wenn ich nicht schlafen kann. Oder beim Joggen. Plötzlich ist die Idee da.»

Begonnen hat Werner Angsts Leidenschaft für Miniaturobjekte vor mehr als 20 Jahren. Aus einfachen Drahtobjekten, Hühnern und Vögeln, sind im Laufe der Zeit komplexe kleine, bewegliche Objekte entstanden, die Angst schon an mehreren Ausstellungen präsentiert hat. Einzelne Objekte verkauft er, manches stellt er auf Anfrage her. Fast alles sind Unikate, die Herstellung entsprechend aufwendig. Das Tüfteln braucht Zeit, denn Pläne macht Angst keine: «Oft weiss ich am Anfang noch nicht wirklich, wie das Objekt am Ende ausschauen wird.»

Hinweis: Am nächsten Samstag, 30. November, von 9 bis 14 Uhr, lädt Werner Angst Interessierte in sein neues Atelier an der Löwenstrasse 4 in Wil.