100 Jahre Saatzuchtgenossenschaft: «Wir sind besser denn je aufgestellt»

Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft feierte am Freitag ihr Jubiläum. Thema des Abends war vor allem, wie stark sich die Genossenschaft innerhalb eines Jahrhunderts gewandelt hat.

Isabelle Schwander
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Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft setzt seit Jahren erfolgreich auf Nischenprodukte. Bilder: Isabelle Schwander

Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft setzt seit Jahren erfolgreich auf Nischenprodukte. Bilder: Isabelle Schwander

Vergleicht man die Saatzuchtgenossenschaft des Jahres 2019 mit ihrer vor einem Jahrhundert gegründeten Vorgängerin, müsste man annehmen, kein Stein sei auf dem anderen geblieben. Die heutige Genossenschaft ist im Wesentlichen ein Betrieb, der Saaten von Vertragsbauern aufkauft, sie zu hochwertigen Speiseölen verarbeitet und vermarktet.

Jubiläumsschrift: Faszination des Wandels

Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft (SGSG) legt zum Jubiläum eine reichhaltig bebilderte Jubiläumsschrift vor, welche die Leser auf eine spannende geschichtliche Zeitreise über 100 bewegte Jahre der SGSG führt. Grafiken, Zeitdokumente sowie zahlreiche Produzentenporträts und Statements von Spitzengastronomen garantieren eine ansprechende Lektüre. Diese veranschaulichen, dass es der SGSG vor rund 20 Jahren gelungen ist, die zukünftigen Weichen neu zu stellen, um zuversichtlich in ihr zweites Jahrhundert zu gehen. (isc)

Am Freitagabend feierte die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft (SGSG) am Mattenhof ihr Jubiläumsfest mit geladenen Gästen. Christoph Gämperli, Geschäftsführer der SGSG, eröffnete die Vernissage der repräsentativen Jubiläumsschrift «Faszination des Wandels». Elmar Metzger, Gemeindepräsident Flawil, brachte in seiner Festrede die persönliche Wertschätzung für die Arbeit der SGSG zum Ausdruck: «Der Erfolg liegt im Wandel und der Saatzuchtgenossenschaft ist es gelungen, vor 20 Jahren die Weichen neu zu stellen. «Treibende Kraft dabei sei Christoph Gämperli, dem es gelungen sei, Tradition und Moderne zu verbinden und mit den Ölsaaten eine Marktnische zu besetzen.

Die Geschichte wiederholt sich

«Grosse Achtung verdienen auch die Produzenten, die den aktiven Innovationsgeist der SGSG mittragen und neue Wege gehen.» Als ein Beispiel dafür nannte er die Grassamenvermehrung im Fürstenland: «Kein Mensch wäre zu Gründerzeiten der SGSG auf die Idee gekommen, Wiesensaatgut zu produzieren. Für einen Milchbauern ist der Wiesenfuchsschwanz heute eine gute Ergänzung im Ackerbau.»

Die moderne Landtechnik begeisterte bei der Besichtigung vor allem die kleinen Besucher.

Die moderne Landtechnik begeisterte bei der Besichtigung vor allem die kleinen Besucher.

Fredy Kessler, Präsident SGSG, begrüsste im Speisesaal zum Festakt und sagte: «Die SGSG mag sich anderen Geschäftszweigen zugewandt haben, aber die Verpflichtung zur Qualität und Qualitätssicherung hat sich nicht verändert.» So, wie einst nur das beste Saatgut gut genug gewesen sei, um die Landwirte damit zu beliefern, gelte auch für den heute wichtigsten Betriebszweig, die Ölsaaten, das Qualitätsgebot.

«Die SGSG arbeitet heute ganz bewusst auf diesem hohen Niveau in einer hochwertigen Nische. Wir sind stolz darauf, dass unter anderem auch Spitzengastronomen zur Kundschaft zählen und dürfen zurecht sagen, dass die Saatzuchtgenossenschaft heute besser aufgestellt ist denn je.»

Wege finden, um die Umwelt zu schonen

Bruno Damann, Regierungsrat, erinnerte in seiner Festrede daran, dass es der Weitsicht des damaligen Landwirtschaftslehrers Ernst Tschumi zu verdanken sei, dass 1919 eine Saatzuchtgenossenschaft gegründet wurde: Die Schweiz war zu dieser Zeit fast zur Hälfte von der Lebensmitteleinfuhr abhängig. Der Ackerbau war im Zuge von Billigimporten aus Übersee vor dem ersten Weltkrieg fast zum Erliegen gekommen.

Auch Markus Ritter, Präsident Bauernverband, griff die Bedeutung der Ernährungssouveränität auf: «Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung stehen vor grossen Aufgaben. Sie müssen Wege finden, Umweltbelastungen zu verringern, Biodiversität zu fördern und gleichzeitig ausreichende Erträge zur Ernährung der Weltbevölkerung sichern.»

Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft verarbeitet handelsunübliche Ölsamen.

Die St. Gallische Saatzuchtgenossenschaft verarbeitet handelsunübliche Ölsamen.

Tag der offenen Türe

Am Samstag lud die SGSG die Bevölkerung an den Mattenhof zum Tag der offenen Tür mit zahlreichen Attraktionen ein. Den ganzen Tag über nutzten Hunderte von Besuchern die Gelegenheit, alles über St. Galler Öl zu erfahren. Es gab vieles zu entdecken, das alle Sinne ansprechen sollte. Grossen Anklang fanden bei Gross und Klein die reichhaltig bebilderten Ausstellungen über die Entwicklung der Getreidezüchtung, die Kartoffelausstellung und der Saatmaisanbau. Für die Kinder gab es ein eigenes Programm mit interaktiven Elementen und spielerischer Wissensvermittlung.

So konnte beispielhaft und live erlebt werden, wie sich die Landwirtschaft und Anbautechniken in den letzten hundert Jahren veränderten. Nebst grosser Festwirtschaft und Ausstellungen in den Räumen bestand die Möglichkeit, Versuchsfelder zu besichtigen, um einen Eindruck zu erhalten, was quasi «vor der Haustüre» wächst. Eine Schaumühle offenbarte Einblicke, wie aus Weizen Mehl wird. Die kleinen Besucher nutzten die Gelegenheit, in die Kabine eines modernen Mähdreschers hochzusteigen, um zu erfahren, wie mit modernster Technologie die Ernte eingefahren wird. Viele Besucher erhielten die Gelegenheit, Detaillierteres über die kaltgepressten, extra nativen St. Galler Öle zu erfahren.

Von Samen zu Öl

Es wurde erklärt, dass Öle keine Heilmittel und Medikamente sind, jedoch durchaus das Wohlbefinden beeinflussen können. Für die Führung übers St. Galler Öl und die Besichtigung der Ölpressen nahmen sich die Mitarbeiter viel Zeit für ausführliche Schilderungen zur Verarbeitung von Samen und Nüssen zu Öl. Der Produktionsraum in Flawil ist kleiner, als sich dies ein Laie vorstellen würde. Trotzdem gibt es hier acht Pressen.

Im 200 Meter entfernten alten Trieurgebäude stehen eine Reinigungsanlage, mehrere Trocknungsanlagen und ein Fliehkraftschäler. Diese Maschine löst die Schalen von den Sonnenblumenkernen. Die handelsunüblichen Ölsamen wie Mohn, Leindotter, Hanf, Haselnüsse, Baumnüsse und Traubenkerne werden in Flawil in einer eigens eingerichteten Trocknungs- und Reinigungsanlage für die Ölherstellung aufbereitet.  Die SGSG produziert keine grossen Ölmengen auf Vorrat. Damit die Nährstoffe in vollem Umfang erhalten bleiben und sich die Fettsäuren nicht verändern, muss Öl relativ frisch konsumiert werden. Die meisten Lieferanten stammen aus der Region. Dabei knüpft die Genossenschaft auch an alte Traditionen an, beispielsweise beim Leinenanbau. (isc)