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Wil
Wer das «Rössli» in Flawil betritt, taucht unweigerlich ein in ein Stück Flawiler Geschichte. Seit mehr als 350 Jahren soll an dieser Stelle ein Gasthaus stehen. Dennoch geht man hier mit der Zeit: Die historische Gaststube und das dezent moderne Küchenkonzept harmonieren wunderbar und schaffen gleichermassen Wohlfühl- und Genuss-Atmosphäre.
Vergangenheit ist gelebtes Leben. Wer Respekt und Ehrfurcht empfindet vor der Geschichte eines Gasthauses und den Menschen, die hier einst wirkten oder einkehrten, findet im «Rössli» in Flawil einen emotionalen Zugang in die Welt der Verschmelzung von Gegenwart und Vergangenheit. Das Traditionshaus mit der historischen Gaststube wurde vor Jahren aufwendig umgebaut und restauriert.
Bis auf wenige Wochen sind es mittlerweile zehn Jahre, dass Irene Baumann (52) als Pächterin und Gastgeberin die Geschicke im «Rössli» leitet. Im Jahr 2014 ist überdies das Hotel Flawil mit 13 Zimmern mit 26 Betten hinzugekommen. «Eine sehr gute Entscheidung», sagt sie rückblickend. Abgesehen von den negativen Auswirkungen der Coronapandemie natürlich.
Das «Rössli» gehört zu jenen heute eher seltenen Gasthäusern, die sowohl eine grosse Verankerung in der Dorfbevölkerung haben als auch Gäste von weit her anziehen. Der Grund, dass dieser Spagat so gut gelingt, ist in der Philosophie des Hauses und ebenso in der Küche zu finden.
«Vom einfachen Menu bis zum Gericht für gehobene Ansprüche», lautet das gelebte Credo. Das Selbstverständnis des Hauses bringt Irene Baumann mit den Worten auf den Punkt: «Ein Haus voller Gastlichkeit – gross genug, um den vielfältigen Wünschen zu dienen, klein genug, um die Gemütlichkeit und Vertrautheit von zu Hause auszustrahlen.»
Ein Blick in die Karte bestätigt dies. Sowohl am Mittag als auch am Abend werden einfache bis gehobene Menus und Gerichte angeboten. Allen gemeinsam ist das Erscheinungsbild stilsicheren Anrichtens, das selbst aus einem Burger ein kleines Kunstwerk macht.
Küchenchefin Brigitte Bühler (29) schafft es, die Karte klein zu halten und trotzdem für jeden Geschmack eine Köstlichkeit zu bieten. Eine eher kleine Karte ist meistens ein Qualitätsmerkmal. Im «Rössli» trifft dies voll und ganz zu. Brigitte Bühler setzt dabei auf frische saisonale und regionale Produkte, wo immer es möglich ist.
Der Besuch im «Rössli» zeigt, dass die Philosophie kein leeres Versprechen ist. Das Gasthaus ist gut besucht an diesem Abend, doch von Stress ist nichts zu spüren. Ebenso werden die coronabedingten Abstände und Massnahmen unaufgeregt, aber konsequent eingehalten. Der Blick in die Karte ist eine Einladung zum Schlemmen und macht die Entscheidung nicht einfach.
Bei der Vorspeise fällt die Wahl zum einen auf die Rösslisuppe (9.50); diese gebundene Gemüsesuppe nach traditionellem Rezept mit Croûtons und Rahmhaube ist ein Klassiker im «Rössli», den jeder Gast einmal probiert haben sollte. Zum anderen fällt die Wahl auf das ebenso schmackhafte wie schön angerichtete Alpaka-Mostbröckli (16.50), das die Küchenchefin direkt vom Züchter und Verarbeiter aus ihrer Heimat Schönengrund bezieht. Die Chimichurri-Sauce (Kräuteröl mit Peterli, Chili, Knoblauch, Oregano und Schalotten) und die Garnitur mit Kürbis- und Currymousse sind raffiniert abgeschmeckt. Herrlich! Die Wahl hätte aber ebenso gut auf die hausgemachten Herbstravioli (16.50), das Rindstatar (17.50) oder die Kürbis-Ingwer-Suppe mit Wildfleisch-Wan-Tan (12.50) fallen können.
Auch bei den Hauptspeisen darf das Herz frohlocken. Darf es ein Cordon bleu sein vom Schwein (22.50) oder vom Kalb (32.50)? Ein klassisches Wiener Schnitzel (28.50), ein irisches Black-Angus-Filet (34.-/160 Gramm oder 49.-/250 Gramm), das Herbststeak (Schwein 23.-, Kalb 33.-), die Poulet-Pistazien-Roulade (22.-) oder die Empfehlung des Tages (Wildhackbraten)? Zu den Gerichten kommt jeweils noch die Beilage hinzu (4.- bis 6.-).
Die Wahl fällt einerseits auf das Herbststeak vom Kalb auf einem Pilzbeet mit hervorragenden Tagliatelle, anderseits auf das Wiener Schnitzel mit luftigen hausgemachten Quarkspätzli. Das Fleisch bei beiden Gerichten ist von herausragender Qualität und genau richtig gebraten. Wie heisst es doch so schön: Saucier kann man lernen, das Zubereiten von Fleisch muss man im Blut haben. Für das Dessert bleibt nicht mehr viel Platz, ein warmes Schokoladenküchlein (12.50) und eine Glacevariation (10.-) geht dann aber doch noch.
Die Weinkarte enthält eine schöne Auswahl an Weiss- und Rotweinen aus den bedeutenden Weinanbaugebieten. Für dieses Essen fiel die Wahl auf den 2015er Roda I (85.-); dieser Rioja ist ein reiner Tempranillo mit 16 Monaten Barriqueausbau und entpuppt sich einmal mehr als sehr anschmiegsame Begleitung.
Die Bilder wurden bei einem Besuch nach dem Testessen gemacht.
Wilenstrasse 8
9230 Flawil
Telefon 071 393 21 21
www.roessli-flawil.ch
Mo–Fr: 8.30 bis 23:30 Uhr
Samstag: 16 bis 23.30 Uhr
Sonntag: geschlossen
Karte:
Vorspeisen 7.50 bis 17.50
Hauptspeisen 17.50 bis 53.– (plus Beilagen)