Am Ende war er «Örgeliflicker»: Werner Fricks Leben hat unerwartete Wendungen genommen

Seine Fans kennen Werner Frick als «Handörgeler» bei den Dottenwiler «Frickbuebe». Der ehemalige Maschinenmechaniker und Landwirt hat auch hauptberuflich mit Akkordeonen zu tun: er repariert und revidiert sie.

Michael Hug
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Werner Frick demontiert eine «Record»-Handorgel, um sie neu zu stimmen. (Bilder: Michael Hug)

Werner Frick demontiert eine «Record»-Handorgel, um sie neu zu stimmen. (Bilder: Michael Hug)

Ländlerfreunde kennen ihn als versierten Handörgeler. Bauern als ehemaligen Berufskollegen. Handörgeler als kompetenten Instrumentenreparateur. Seine Freunde und Kunden nennen ihn den «Örgeliflicker». Werner Frick hat in seinem Leben zwei Mal den Beruf gewechselt – und das radikal und nicht immer ganz freiwillig.

Gelernt hat der Degersheimer Maschinenmechaniker. «Ich habe diesen Beruf sehr geliebt», erinnert er sich. Dabei hat er auch Herausforderungen gesucht und bei innovativen Firmen gearbeitet: «Cleanfix war damals noch ein Vier-Mann- Betrieb, heute ein Konzern. VC 999 in Herisau ist Marktführer bei Vakuumierungsmaschinen.» Bei VC 999 war er auch Fabrikabwart.

Vater starb aus heiterem Himmel

Dass er im Mai 1980 beide Berufe abrupt an den Nagel hängen musste und Landwirt wurde, war so nicht vorgesehen. «Mein Vater, der unseren landwirtschaftlichen Betrieb in Dottenwil führte, starb mit 54 Jahren an einem Hirnschlag», erzählt er. «Mein älterer Bruder, der die Ausbildung hatte und eigentlich den Betrieb einmal übernehmen sollte, ist sechs Jahre vorher bei einem Motorradunfall gestorben. Mein jüngerer Bruder Hans war noch in der Lehre.»

Es gab eigentlich keinen Spielraum für die Entscheidung, erinnert sich Frick. Er war 28, musste seine Stelle künden und wurde von einem Tag auf den anderen Bauer.

«Ich wurde regelrecht ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte soviel Ahnung vom Bauern wie man hat als Mitglied einer Bauernfamilie, also nicht sehr viel.»

Der junge und verheiratete Neo-Bauer wurde sofort mit den Umständen auf dem 20-Hektaren-Milchwirtschaftsbetrieb konfrontiert. «Der Lehrling war gerade sechs Tage auf dem Betrieb. Die Fertigstellung des neuen Stalls war zwei Wochen später vorgesehen. Den Job bei VC 999 in Herisau musste ich sofort künden, den Job als Hauswart übte ich noch eine Zeit lang von Dottenwil aus und natürlich mussten wir sofort umziehen.»

Lehrling ausbilden und selber büffeln

Er wünsche keinem eine solche frappante Lebensumstellung, sagt Frick heute, und es spricht Wehmut aus ihm: «Ich habe den Beruf als Maschinenmechaniker wirklich sehr geliebt.» Er musste sich «durchbeissen», wie er sagt, und es kamen noch neue Aufgaben dazu: «Eines Tages, nach etwa drei Wochen, stand der damalige Direktor der Landwirtschaftlichen Schule Flawil auf dem Hof. Er drückte mir einen Stapel Bücher in die Hände und sagte, ich solle doch die entsprechenden Kurse an der Schule besuchen, damit ich den Lehrling behalten konnte. Wir fanden nämlich einfach keine neue Lehrstelle für ihn.»

Und so musste Frick einen Lehrling ausbilden und noch dazu selbst Fachstoff büffeln. «Dabei stand ich doch auch schon mit beiden Füssen voll in der Musik», mag er heute sinnieren. Zwei Jahre zuvor hatte er mit seinen Brüdern die «Frickbuebe» gegründet. Ein Projekt, das vom ersten Tag an einschlug und jedes Wochenende zu Konzerten rief.

Mit 53 Jahren nochmals komplett umgestellt

2005, als sich abzeichnete, dass Fricks ältester Daniel den Betrieb übernehmen wollte, sah sich Werner Frick nach einer neuen Tätigkeit um:

«Ich habe mir gedacht, dass ich als Maschinenmechaniker die Fähigkeiten habe, Instrumente zu flicken und es hat mich auch interessiert.»

Schon zwei Jahre vor der Hofübergabe machte er Ausbildungsgänge zum Akkordeontechniker bei Schweizer Akkordeonwerkstätten.

Eigentlich sind sie beide pensioniert: Werner und Monika Frick.

Eigentlich sind sie beide pensioniert: Werner und Monika Frick.

2005 zog er mit seiner Frau nach Degersheim und gründete seine «Werner Frick Akkordeontechnik». Nochmals eine komplette Berufsumstellung – und das mit 53 Jahren. «Hauptsächlich mache ich heute Akkordeons, sei es für Solisten oder Orchester, aber ich repariere auch Schwyzerörgeli.» Seit einem halben Jahr arbeitet seine Frau Monika im Atelier mit: «Sie montiert die Stimmblöcke.» Man werde nicht reich damit, lächeln beide, «aber es reicht gut, um zu leben.»

Namhafte Musikerinnen und Musiker als Kunden

Unter seinen Kunden sind viele namhafte Musikerinnen und Musiker der Ostschweiz. Nie habe er ein Inserat gemacht, seine Kundschaft sitze ja oft neben ihm bei den Stobete, lacht er. So hat sich sein Name verbreitet und heute muss ein Kunde manchmal zwei Jahre auf eine Revision seines Instruments warten, ausser es sei ein Notfall.

Ende 2018 ist Werner Frick pensioniert worden: «Eigentlich denken wir, Monika und ich, nicht daran, aufzuhören.» Aber mit Tempo 100 gehe man jetzt nicht mehr ans Werk, lacht er:

«Es ist eine huere schöne Aufgabe, die wir da machen. Man geht wirklich mit Freude an die Arbeit – wer kann das noch sagen.»
Da gilt es, den Überblick nicht zu verlieren: die Bassmechanik eines Akkordeons.

Da gilt es, den Überblick nicht zu verlieren: die Bassmechanik eines Akkordeons.