Die Südostbahn schliesst den Bahnschalter in Degersheim auf Ende Mai 2017. Damit folgt sie einem gesamtschweizerischen Trend zu weniger Kundennähe. Einwohner bedauern diesen Schritt.
Cédric Schneider
cedric.schneider@wilerzeitung.ch
Das Bahnreisezentrum in Degersheim wird nach der Pensionierung des jetzigen Leiters geschlossen. Die Stelle wird nicht mehr besetzt. Es ist ein Phänomen, welches derzeit bei vielen Dienstleistungsunternehmen in der Schweiz auftritt. Ob Banken, Post oder die ebenfalls im Personentransport tätigen SBB, das Verwaltungspersonal wird abgebaut. Die Digitalisierung und der damit verbundene Strukturwandel fegt Poststellen, Bank- und Bahnschalter weg.
Somit fehlt den ländlichen Dörfern mehr und mehr ein soziales Zentrum, die Gesellschaft wird zunehmend unpersönlicher. Dies bestätigt Ursel Kälin von der Medienstelle der Südostbahn. Es gibt Personen, die kämen an den Bahnschalter, um soziale Kontakte zu pflegen und um Menschen zu begegnen. Doch der Umsatz im Bahnreisezentrum Degersheim sei stark rückläufig, und das Unternehmen stehe seitens der Besteller unter einem Kostendruck. Die Besteller, Bund und Kantone finanzieren die Südostbahn. Das Unternehmen reicht Angebote für die Bahnstrecken ein, welche sie betreiben möchte. Sie steht dabei in Konkurrenz mit anderen Bahnunternehmen wie der Thurbo AG.
In Zukunft wird der Verkauf der Bahnbillette in Degersheim nur noch über den Automaten oder per Smartphone-App erfolgen. Diesbezüglich ändert sich für drei Viertel der Bahnkunden nichts, denn sie beziehen ihr Ticket bereits über diese Vertriebskanäle. Auch Mehrfahrtenkarten oder Monatsabonnemente können über den Billettautomaten bezogen werden. Doch wer eine Reise ins Ausland buchen, ein Gruppenbillett lösen oder Gutscheine einlösen möchte, muss neu nach Herisau, Wattwil oder St. Gallen ins nächstgelegene Bahnreisezentrum gehen. Für diese Angebote sind gemäss der Südostbahn standortsbezogene Lösungen erst in der Entwicklung und derzeit noch nicht verfügbar.
Die bevorstehende Schliessung des Bahnreisezentrums erhitzt die Gemüter im Dorf. Eine Einwohnerin kritisiert den Serviceabbau. «Es geht denen doch bloss ums Sparen», sagt sie enttäuscht. Sie habe früher immer eine sehr gute Bedienung in Degersheim angetroffen, da sie aber nun über ein Generalabonnement verfüge, brauche sie den Schalter nur noch für Reisen. Eine andere Bahnkundin, Iris Kälin aus Flawil, bemängelt die Benutzerfreundlichkeit der Smartphone-App und betont, dass sie den Bahnschalter immer noch rege benutze. «Deshalb begrüsse ich es, wenn sich die Gemeinden für den Erhalt der kundenfreundlicheren Schalter einsetzen.»
Mit der Entwicklung des Ticketsystems SOB 4.0 ist die Südostbahn eine Vorreiterin in Sachen neuer Technologie. Dieses verbucht die zurückgelegte Strecke automatisch auf einer Smartphone-App, sodass der Passagier sich nicht mehr um das Ticket kümmern muss. Auch bei anderen Dienstleistungsunternehmen findet eine Ressourcenverschiebung statt. Die persönliche Bedienung wird abgebaut, während die Mittel eher in neue Bereiche investiert werden. «Ob die immer schneller werdende technologische Entwicklung sinnvoll ist oder nicht, liegt nicht in unseren Händen. Doch Fakt ist, die Entwicklung geht vorwärts», sagt Ursel Kälin.