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Die 83-jährige Altersheimbewohnerin Rosa Gröbli erzählt, wie sie die bescheidenen und besinnlichen Weihnachtsfeste in ihrer Kindheit erlebte.
Vor ein paar Monaten stand im Leben von Rosa Gröbli eine grosse Veränderung an. Nach kurzem Aufenthalt im Pflegeheim Grabs bezog sie ihr Zimmer im Altersheim Forstegg in Sennwald. «Das ist nun mein Daheim, dieses ebenerdige Zimmer mit dem wunderbaren Ausblick in die freie Natur Richtung Schlosswald. Ich fühle mich hier wohl», so die 83-Jährige bei der Begrüssung mit dem W&O.
Ihr erstes Weihnachtsfest fernab ihres ehemaligen Daheims, ihrem geliebten Haus mit dem grossen Garten, steht vor der Türe. Ganz so unbekannt ist ihr die Weihnachtszeit im Altersheim Forstegg dann doch nicht. Ihr mittlerweile verstorbener Ehemann wohnte bereits einige Jahre hier im Heim. Gemeinsam mit ihm nahm sie jährlich an den stimmungsvollen Feierlichkeiten für die Forstegg-Bewohner und ihre Angehörigen teil. Und doch wäre Rosa Gröbli nicht traurig, wenn die ganzen Feierlichkeiten bereits der Vergangenheit angehören würden. «Schon zu Lebzeiten meines Mannes mochte ich diese Feier hier im Forstegg nicht so gerne. Sie ist stets wunderbar gestaltet und alle geben sich ausserordentlich Mühe, doch es ist einfach nichts für mich.»
Lieber erinnert sich Rosa Gröbli zurück an die Weihnachtstage der Vierzigerjahre, als sie ein junges Mädchen war.
«Obwohl wir nicht viel besassen, hatten wir drei Schwestern eine schöne Kindheit. Wir mussten viel mitarbeiten: beim Holzen, auf dem Acker und auch mit den Tieren, den Ziegen, Hühnern und dem Schwein. Grösstenteils waren wir Selbstversorger.»
Sie erinnert sich auch daran, dass in ihrer Kindheit die Adventszeit noch nicht so gross zelebriert wurde wie heutzutage. Es wurde kaum dekoriert, vielleicht einmal eine Kerze an einen Tannenzweig gesteckt und mit in die Schule genommen. Zudem lag da in der Adventszeit einfach Schnee vor der Haustüre, viel Schnee. Am 6. Dezember schaute jeweils der Samichlaus vorbei. Gesehen hatten sie und ihre Schwestern den bärtigen Gesellen zwar nie:
«Wir hörten ein ‹Gepölder› und danach hing an der Haustüre für jede von uns ein Säckchen, darüber freuten wir uns immer sehr.»
An Heiligabend stand in der Stube des Elternhauses eine Rottanne. Farbige Baumnüsse und glänzende Kugeln baumelten an den Tannenästen und auch feines, weisses Engelshaar zierte die Tanne. Wer sie schmückte, darüber machte sich Klein-Rosa keine Gedanken, vermutlich war es das Christkind. Neben dem schmucken Weihnachtsbaum stand stets ein Eimer, randvoll mit Wasser – als Vorsichtsmassnahme, falls die Tanne im alten Holzhaus Feuer fangen sollte.
Besonders in Erinnerung blieb der Forstegg-Bewohnerin jene Weihnachten, als sie zusammen mit ihren Schwestern gemeinsam einen Holzschlitten geschenkt bekommen hat.
«Das war die grosse Ausnahme, so ein grosses, teures Geschenk. Üblicherweise erhielten wir eine kleine Packung Stifte und ein Malbuch.»
Ein Weihnachtsbraten oder sonstiger Festschmaus wurde bei der Familie von Rosa Gröbli an Heiligabend nicht aufgetischt, dazu fehlte das Geld: «Russischer Salat, das war immer auf dem Teller, meistens mit irgendwelchen Resten vermischt. Doch für uns war das jedes Jahr ein Festessen.» Und im Anschluss ans Weihnachtsessen machte sich die Familie auf und spazierte durchs Dorf. Überall durch die Fenster leuchteten die Kerzen der Christbäume und erfreuten die ganze Familie. In die Kirche, dahin ging man damals im vorwiegend reformierten Sennwald am ersten Weihnachtstag. Im Gegensatz zu den heutigen, für Rosa Gröbli masslos übertriebenen, Anlässen zur Advents- und Weihnachtszeit, empfand sie die bescheidenen und ebenso besinnlichen Weihnachtsfeste in ihrer Kindheit als grossartig.
Auf die Frage, was sie sich von damals in die heutige Zeit zurückwünscht, antwortet die Rentnerin prompt:
«Die Stille sowie das Bewusstsein, warum wir überhaupt Weihnachten feiern. Das fehlt heute oftmals gänzlich. Hauptsache, man kann noch ein weiteres Fest feiern und möglichst viele luxuriöse Geschenke stapeln sich um den Weihnachtsbaum.»