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Ostschweiz
Werdenberg & Obertoggenburg
Die Landwirte aus Sax, Weite und Oberschan sind mit ihrer professionellen Baumnussproduktion nun für den Schweizer Agropreis nominiert.
Auf der Suche nach einem weiteren Standbein kamen fünf Bauern aus dem Werdenberg auf die Nuss. Inzwischen haben sie in der Region eine professionelle Walnussproduktion aufgebaut und ein in der Schweiz einzigartiges Knackzentrum in Malans GR mitinitiiert. Dafür wurde die Nussgesellschaft Wartau gegründet. Für ihr Engagement wurden die Landwirte aus Sax, Weite und Oberschan nun von einer Jury für den diesjährigen Agropreis der Emmental Versicherung nominiert. Dieser wird am 7. November zum 27. Mal im Berner Kursaal verliehen. Insgesamt 49 Dossiers wurden für den mit 20000 Franken dotierten Preis eingereicht. Die Jury hat daraus vier Projekte nominiert.
Neben den Werdenberger Baumnüssen ist die Familie Keiser aus Neuheim im Kanton Zug für ihre klimaneutrale Pflanzenkohle nominiert. Als drittes Projekt ist der neuartige Selbstbedienungsautomat für Milch von Evelyne und Hansruedi Peter aus Steffisburg im Kanton Bern ausgewählt und als vierte wurde die Familie Vez aus Bavois im Kanton Waadt für ihre Mälzerei auf dem Bauernhof nominiert. Alle nominierten Projekte seien innovativ und vielversprechend und genau darum gehe es beim Agropreis, der Innovationen in der Schweizer Landwirtschaft auszeichne, heisst es in einer Medienmitteilung der Emmental Versicherung.
Die Idee für die Werdenberger Walnüsse ging von einer Hochstammbaum-Pflanzaktion der Gemeinde Wartau aus. «Nussbäume wären doch was für uns», sagt Heinz Müller, einer der Initianten des Projekts. Zusammen mit seinen Kollegen fuhr er vor rund fünf Jahren ins Thurgau und machte sich bei der Baumschule Gubler ein Bild der Walnussbäume.
Voller Überzeugung kehrten sie ins Werdenberg zurück. «Wir suchten nach einem weiteren Standbein. Denn wie sich die Gemüseproduktion in den nächsten Jahren entwickelt, ist auch im Hinblick auf die Pflanzenschutz-Initiativen ungewiss», erklärt der Agronom. Der Trend zu mehr pflanzlicher Ernährung sowie die nach wie vor steigende Nachfrage nach regionalen Nahrungsmitteln bestärkte die Landwirte zusätzlich, den Schritt zu wagen. Denn bis jetzt werden praktisch alle in der Schweiz erhältlichen Walnüsse importiert. Müller sagt zudem:
«Dass es dank der Hochstammobstgärten zu einer optischen und ökologischen Aufwertung der Landschaft kommt, ist ein zusätzlicher Pluspunkt.»
Es gab jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Zwar wachsen in der Schweiz zahlreiche Walnussbäume, doch über einen professionellen Anbau verfügte die Schweiz bis 2014 nicht. Deshalb reisten sie mehrmals nach Grenoble (F). Im grössten Anbaugebiet Europas konnten sie Kontakte mit Produzenten und der Forschungsanstalt für Nussanbau knüpfen. Auch informierten sie sich vor Ort über die Mechanisierung.
2014 wurden schliesslich auf zwei Parzellen die ersten 150 Bäume gepflanzt. Bis 2019 ist die Fläche auf rund zehn Hektaren angewachsen. Insgesamt wachsen dort rund 1500 Bäume. Doch bis diese in Vollertrag kommen, braucht es Geduld. Frühestens nach neun Jahren ist es so weit. Und der Aufbau der Nussbaumparzellen war kostspielig. Die Pflanzungen, eine Erntemaschine, eine Waschlinie und die Erweiterung der bestehenden Maiskolbentrocknungsanlage machten hohe Investitionen nötig.
«Es ist ein Risiko, das ist uns bewusst. Doch wenn alles gut läuft, liefern die Bäume während mindestens 40 Jahren Ertrag ab», hält Müller fest. Für die Nussbäume sprach auch, dass im Vergleich zu anderen Früchten weniger Handarbeit anfällt. In den ersten drei Jahren müssen sie von Hand zurückgeschnitten werden. Später erfolgt der Schnitt maschinell.
Die Herausforderungen beim Anbau liegen beim Wachstum der Bäume. «Die Bäume sind im Vollertrag, wenn sich die Kronen berühren, also eine geschlossene Laubwand bilden. Zwischen den Bäumen liegt je nach Sorte ein Abstand zwischen acht bis zwölf Meter. Und weil sie ein forsches Wachstum an den Tag legen, ist es wichtig, dass der Stamm die Krone tragen kann», erklärt Müller. Auch der oft auftretenden Föhn kann für die Bäume gefährlich werden.
Von Krankheiten blieben sie bisher weitgehend verschont. «Die Blattfleckenkrankheit Marsonina, der Bakterienbrand, der Apfelwickler und die Nussfliege sind aber potenzielle Gefahrenherde», fährt er fort.
Um die Zusammenarbeit unter den Landwirten sowie Anschaffungskosten zu regeln, haben sie im Herbst 2017 die einfache Gesellschaft Nugewa (Nussgesellschaft Wartau) gegründet. Diese regelt den Maschineneinsatz, das Waschen und Trocknen sowie das Vermarkten der Nüsse. «So halten wir die Wertschöpfung auf unseren Betrieben», hält Müller fest. Die Trocknung erfolgt beispielsweise in der bestehenden Saatmaistrocknungsanlage von Michael Dütschler.
Nach dem professionellen Anbau folgt nun der zweite innovative Abschnitt des Projekts: die Schaffung eines Walnusskompetenz-Zentrums. Das Ziel der Bauern ist es, den grössten Teil der Nüsse als Kerne in den Handel zu verkaufen. Dazu haben sich Bündner und Luzerner Landwirte mit den Nugewa-Produzenten zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen. Im bündnerischen Malans bei Landquart wird eine Knackmaschine aus den USA noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen. Heinz Müller sagt:
«Das ist in der Schweiz bisher einzigartig und nicht so einfach zu kopieren.»
In das Knackzentrum fliessen auch öffentliche Gelder, da es sich um ein Projekt zur regionalen Entwicklung handelt. Die Bauern sind durch Anteilsscheine und Darlehen finanziell engagiert. Dank dieser Anlage sind die Landwirte überzeugt, einen Teil der ausländischen Nüsse ersetzen zu können. Potenzial ist vorhanden, die meisten Nüsse stammen aus Frankreich und Chile.
2018 waren die Mengen im Werdenberg mit mehreren hundert Kilo noch klein. In den kommenden Jahren wird der Ertrag stetig steigen. 2027 sollten sämtliche bis heute gepflanzten Bäume im Vollertrag stehen. «Dann erwarten wir auf unseren Flächen pro Jahr insgesamt zwischen 33 bis 55 Tonnen getrocknete Nüsse», hält Heinz Müller fest.
Die Nugewa vermarktet ihre Nüsse selbst. Der grösste Teil wird in Malans zu halben Kernen und Nussbruch verarbeitet. Bündner Nusstorte mit Wartauer Nüssen Der Nussbruch soll in Bündner Nusstorten Eingang finden. Bisher wurde ausländischer Bruch eingesetzt. Dies soll sich ändern. Drei Bäckereien aus dem Kanton Graubünden haben Absichtserklärungen unterzeichnet. Ein weiterer Teil der Ernte wird zusammen mit der St. Galler Saatzuchtgenossenschaft zu kalt gepresstem Nussöl verarbeitet. Der Rest soll als ganze Nuss mit Schale Käufer finden.
Momentan sucht die Nugewa keine weiteren Produzenten «Wir müssen zuerst mehr Erfahrungen im Anbau und der Vermarktung der Nüsse sammeln», so Müller. Sollten sie den Agropreis gewinnen, würden sie das Preisgeld gleich wieder in den weiteren Aufbau des Projektes investieren.